Umweltfreundliches Verfahren zur Synthese organischer Stoffe für Hochleistungsindustrie entwickelt

Nachhaltig und ein Viertel billiger

Die Herstellung von Materialien aus organischen Stoffen war bis dato nur mithilfe stark toxischer Lösemittel möglich. Ein Team um die Chemikerin Miriam Unterlass, Professorin der Universität Konstanz und Adjunct Principal Investigator am CeMM, entwickelte nun ein Verfahren, mit dem organische Stoffe nur durch das Erhitzen in Wasser völlig schadstofffrei für die Verwendung als Hochleistungsmaterialien nutzbar gemacht werden. Die im Journal of Materials Chemistry A veröffentlichte Untersuchung stellt einen wichtigen Meilenstein in der umweltfreundlichen Herstellung organischer Stoffe dar und bietet damit auch einen wichtigen Anreiz, um von anorganischen auf organische, nachwachsende Stoffe umzusteigen. Das Verfahren ist zudem kostengünstig, einfach in der Anwendung und verringert das Gewicht der Produkte. Das könnte auch der Herstellung und dem Gewicht von Elektronik zugutekommen.

Koloriertes Mikroskopiebild des Monolithen – Bild © Lahnsteiner M, Unterlass M, veröffentlicht in Journal of Materials Chemistry A, CC-BY 3.0, 2021, cemm.at

Zahlreiche Produkte unseres täglichen Bedarfs wie Akkus und Elektronikmaterialien werden mithilfe anorganischer Stoffe hergestellt – Stoffe, die nach und nach seltener werden auf unserem Planeten. Chemiker suchen nach Möglichkeiten, anorganische durch organische Stoffe, aufgebaut aus Kohlenstoff, Stickstoff, Wasserstoff oder Sauerstoff zu ersetzen. Um diese für die gewünschten Anwendungen brauchbar zu machen, werden bis heute hochtoxische Chemikalien, sogenannte Lösemittel, genutzt. Genau dieser Problematik widmet sich Chemikerin Miriam Unterlass, Professorin an der Universität Konstanz und Adjunct Principal Investigator am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der ÖAW, in ihrer aktuellen Studie im Rahmen ihres FWF START Projektes. Sie erklärt: „Organische Stoffe haben sehr viele positive Eigenschaften: Sie sind aus nachwachsenden Rohstoffen gewinnbar, umweltfreundlich und vor allem extrem leicht. Mit unserem Verfahren können wir sie nun auch komplett frei von giftigen Lösemitteln, sehr einfach und kostengünstig herstellen und nutzbar machen. In unserer aktuellen Studie haben wir uns der Erzeugung besonders poröser Stoffe gewidmet, die für Herstellung von Hochleistungsmaterialien gebraucht werden, vor allem in der Industrie, zum Beispiel für Filteranlagen, Membranen für Brennstoffzellen, aber auch für Feuerwehrschutzbekleidung oder sämtliche Isolationen in der Elektronik.“

Die Verbindung mit Wasser

Während anorganische Stoffe wie Salze wasserlöslich sind, sind organische Stoffe meist apolar und lösen sich in herkömmlichem Zustand nicht in Wasser. Für ihr neues Verfahren erhitzten Projektleiterin Miriam Unterlass und die Studienautorin Marianne Lahnsteiner, PhD-Studentin aus ihrer Forschungsgruppe am CeMM Wasser und stellten fest, dass dieses dabei auch seine Fähigkeit veränderte. „Durch das Erhitzen von Molekülen, die lediglich Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Kohlenstoff enthalten, in Wasser zwischen 180 und 250 Grad und unter Druck, können sich diese Moleküle verbinden. Je nach Temperatur und Dauer dieses Prozesses erzielen wir damit unterschiedliche Strukturen, die wir in hunderten Versuchen genau erforschen konnten“, berichtet Unterlass, „so wissen wir jetzt genau, welche Strukturen durch welche, bei welcher Temperatur und Bearbeitungszeit entstehen. Die Stoffe in unserer Studie wurden gezielt als Hochleistungsmaterialien entwickelt, sind dementsprechend besonders temperaturstabil und robust.“

Sieben, Filtern, Leiten

In einem Gramm des von Lahnsteiner und Unterlass hergestellten Stoffes sind enorme 7.250 mm3 Hohlraum. Er bietet demnach – ja nach Form – die perfekten Eigenschaften für Filtern, Sieben und Leiten, und das bei geringem Gewicht. Um die durch das Verfahren entstehenden Strukturen besser beobachtbar zu machen, arbeiteten die Forscherinnen mit der Forschungsgruppe von Netzwerkwissenschaftler Jörg Menche, Professor an der Universität Wien und ebenfalls Adjunct Principal Investigator am CeMM, zusammen. Menches Forschungsgruppe konnte mithilfe von Artificial Intelligence anhand der Mikroskopie-Bilder die entstehenden Strukturen und Muster analysieren. „Mithilfe Künstlicher Intelligenz konnten wir rasch viele entstandenen Strukturen so kategorisieren, dass wir wissen, wie wir das Entstehen bestimmter Strukturen erreichen“, so Lahnsteiner.

Grünes Verfahren mit rund 25 Prozent Kostenersparnis

„Smog ist ein Schlüsselmerkmal der Umweltverschmutzung. Chemische Prozesse sind tatsächlich leider mitverantwortlich für dessen Entstehung, durch die Verwendung giftiger Lösemittel. Mit unserer neuen Herstellungsmethode schaffen wir eine enorm wichtige Alternative für die Verarbeitung organischer Stoffe, die ganz ohne solche giftigen Lösemittel auskommt. Gleichzeitig werden sehr häufige statt seltener Elemente verwendet“, so Unterlass. „Außerdem ist das Verfahren sehr kostengünstig. Die Verwendung von Wasser im Vergleich zu giftigen Lösemitteln bei der Herstellung von porösen Materialien erspart rund 25 Prozent der Kosten. Und wir produzieren keine Schadstoffe.“

Interdisziplinarität am CeMM

Rund 140 Forscher aus 49 Nationen weltweit forschen am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin. Interdisziplinarität bildet dabei ein wichtiges Kernelement erfolgreicher Forschung. Wissenschaftler aus Biologie, Medizin, Bioinformatik, Chemie und Physik leisten so nicht nur einen wichtigen Beitrag zur biomedizinischen Forschung für die Verbesserung von Diagnose und Therapie von Erkrankungen, sondern betreiben zudem Grundlagenforschung auf höchstem Niveau. Die Studie ist Teil des FWF START-Projekts“Hydrothermal to functional organic framework structures“.

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