Eine COP26-Bilanz von Werner Eckert
-mit freundlicher Genehmigung-
Glasgow sollte als der Gipfel in die Geschichte eingehen, der den weltweiten Ausstieg aus der Kohle bringt. Und er sollte die Welt auf Kurs 1,5-Grad-Limit bringen. Was ist erreicht, was nicht? ARD-Umwelt- und Klimaexperte Werner Eckert hat die COP26 in Glasgow verfolgt und ihre Resultate aufgelistet – Solarify dokumentiert seine Analyse, die zuerst auf tagesschau.de erschien. (Foto: Obama vor COP26-Plenum – Foto © UNFCCC-Team_KiaraWorth, CC BY-NC-SA 2.0)
Selbstverpflichtungen und ihre Wirkung
Bisher haben 151 Staaten neue Selbstverpflichtungen (NDCs) zum Klimaschutz vorgelegt. Das dämpft die erwartete globale Temperaturerhöhung bis zum Ende des Jahrhunderts auf 2,4°. Weit entfernt von den 1,5°, welche die Staaten gemeinsam anstreben. Aber auch deutlich besser, als die 5-6 Grad, die bei einem einfachen „Weiter so“ erwartet worden sind. Außerdem muss ein Viertel der Länder noch solche Selbstverpflichtungen vorlegen, und bis 2025 gibt es eine weitere Verschärfungs-Runde. Neu in Glasgow ist die Aufforderung dazugekommen, schon im kommenden Jahr nachzubessern. Das geht vor allem an China und Indien, die bislang sehr ungenügende Pläne vorgelegt haben. Stärker denn je ist in den Abschlussdokumenten formuliert, dass das 1,5-Grad-Limit schnelleres und entschiedeneres Handeln erfordert und dass die jährliche Menge an CO2, die freigesetzt wird, bis 2030 praktisch halbieren muss. Auf mehreren Ebenen ist damit der Druck stärker geworden.
Betrachtet man die langfristigen Absichtsbekundungen aller Länder und unterstellt, dass die sofort anfangen darauf zuzuarbeiten, dann kommt man im günstigsten Fall derzeit runter auf 1,8°. Schaut man dagegen auf die konkreten Ziele bis 2030, dann steigen die Emissionen bis dahin weiter an (+13,7 %).
Ankündigungen und Initiativen
In Glasgow sind eine Menge von Initiativen zum Klimaschutz gestartet oder ausgebaut worden. Sie sind nicht bindend und in vielen Fällen lässt sich nicht prüfen, ob und was sie über die nationalen Zusagen hinaus bringen. Eine Initiative zum Schutz der Wälder ist dabei, mehrere Plattformen zum Thema Kohle, eine Erklärung mehrerer Länder, die keine fossilen Energien mehr im Ausland fördern, die Methan-Initiative des US-Präsidenten ist ausgeweitet worden, eine Gruppe Staaten hat vereinbart, das Ende des Verbrennungsmotors zu beschleunigen… Deutschland ist den meisten dieser Initiativen beigetreten, nur der Auto-Initiative nicht. Zumindest der Vorstoß bei Methan (zweitwichtigstes Klimagas) und den Wäldern könnte auch praktische Wirkung haben.
Finanzen
Die Industriestaaten haben schon 2009 versprochen, dass sie ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar jährlich mobilisieren, um anderen beim Ausstieg aus den fossilen Energien und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu helfen. Dabei geht es um Hilfen, viel mehr aber noch um Kredite und Investition, z.B. in modernde Technologie und Strukturen. Dabei sind durchaus auch lukrative Geschäfte für Unternehmen aus den Industriestaaten möglich. Die Zusage ist trotzdem nicht erfüllt. Erst 2023 werden die Mittel wohl auf diesen Betrag steigen. In Zukunft, das ist neu in Glasgow, soll dabei mehr auf die Verteilung geachtet werden. Bislang gehen nur 20 % in Anpassungsmaßnahmen. Vereinbart war eigentlich rund die Hälfte. In Glasgow ist jetzt beschlossen worden, dass die Mittel für Anpassung zumindest verdoppelt werden. Das alles ist zunächst für die Zeit bis 2025 begrenzt. Wie es weitergeht, wird nach den Beschlüssen nun bis 2024 geklärt. Wichtig ist der Maßstab: die Bedürfnisse der Betroffenen! Das kann sehr viel höhere Finanzflüsse zur Folge haben, denn Entwicklungsländer beziffern ihre Bedürfnisse im Billionenbereich.
Schäden und Verluste
Die Entwicklungsländer wollen seit Jahren einen Mechanismus, mit dem Schäden und Verluste durch den Klimawandel ausgeglichen werden können. Die Flut an der Ahr hat gezeigt, was das bedeutet. 23 Mrd. Euro Schäden. Ein reiches Land wie Deutschland kann das leisten. Viele ärmere Länder sind stärker betroffen und haben weniger Mittel. Doch die Industriestaaten fürchten, dass da unkalkulierbar hohe finanzielle Forderungen entstehen könnten. Deutschland arbeitet mit Versicherungen zusammen an Konzepten, die das beherrschbar machen.
Jetzt wird ein Sekretariat eingerichtet, um das Thema zu bearbeiten. Eine Finanzinstitution, wie sie die Entwicklungsländer verlangt hatten, gibt es nicht. Aber zumindest besteht die Aussicht darauf. Und Schottland hat Fakten geschaffen und 2 Mio. Pfund zur Verfügung gestellt, um zumindest einen Anfang zu machen. Deutschland hat hier 10 Millionen Euro draufgelegt.
Von Kohle zu Erneuerbaren Energien
Schon die Ansagen aller wichtiger Staaten, bis circa Mitte des Jahrhunderts klimaneutral wirtschaften zu wollen, sind ein klares Signal: in einer klimaneutralen Wirtschaft können Kohle, Öl und Gas keine wesentliche Rolle mehr spielen (nur noch über CCS, indem CO2 aus den Abgasen abgetrennt, verdichtet und unterirdisch eingelagert wird – ein aufwändiges und teures Verfahren). Das bedeutet, dass Kohlekraftwerke – wenn überhaupt – nur noch mit relativ kurzen Laufzeiten kalkuliert werden können. Das macht sie sehr teuer. Dazu kommt das Signal aus dem Glasgow-Text, dass die Staaten ihre Anstrengungen zum Ausstieg aus der Kohle verstärken sollen. Am Beispiel Südafrika wird das ausprobiert werden. Einige Staaten, darunter Deutschland, haben eine Initiative gestartet, um diesem Land eine Energiewende möglich zu machen und damit den Neubau von Kohlekraftwerken zu verhindern. Indonesien und etliche andere asiatische und afrikanische Länder haben Interesse bekundet, sich da anzuschließen. Etliche Länder haben in Glasgow zu Protokoll gegeben, dass sie den Kohleausstieg bereits verankert haben. Schon im jüngsten G20-Beschluss ist festgehalten, dass wesentliche Nation kein Geld mehr für internationale Kohleprojekte geben. Auch die Finanzwirtschaft hat in Glasgow deutlich gemacht, dass sie Investitionen in Kohlekraftwerke künftig gar nicht mehr oder nur noch mit hohen Risiko-Aufschlägen finanzieren wird.
Schwach ausgefallen ist der Passus zum Subventionsabbau bei sonstigen fossilen Energien, wie Öl- und Gas-Produkte. John Kerry, der US-Klimagesandte bezeichnete sie zwar als „Wahnsinn“, das Geld könne man so gut anders brauchen. Aber trotzdem steht im Abschlusstext nur, dass „ineffiziente Subventionen“ abgebaut werden sollen. Das öffnet allerdings der Phantasie Tür und Tor. Jeder kann darunter verstehen was er will.
Politische Folgen USA-China
Überraschend haben die USA und China in Glasgow eine gemeinsame Erklärung zum Klimaschutz abgegeben. Sie knüpfen damit an die Vereinbarung von 2015 zwischen der Regierung Obama und Peking an, die das Abkommen von Paris erst möglich gemacht hat. Zum einen wird die aktuelle Erklärung als politischer Anker gewertet für die auseinanderdriftenden Beziehungen beider Länder. Zum anderen holen die USA damit China auch wieder stärker ins Boot beim internationalen Klimaschutz. Präsident Xi Jinping war als einziger wichtiger Staatschef nicht nach Glasgow gekommen. Nach Paris und während Donald Trump die USA führten, hatte er sich zunächst stark engagiert beim Klimaschutz. Aber im letzten Jahr waren die Konflikte mit den USA auf anderen Feldern dabei hinderlich. Ohne China aber sind die Probleme nicht zu lösen. Bislang hat Peking zugesagt, seine Emissionen etwa 2030 zu senken. Umkehrschluss: bis dahin steigen sie weiter an. Wenn das so bleibt, gibt es keine Möglichkeit, das 1,5 Grad-Limit einzuhalten. China ist für rund 30% der weltweiten Emissionen verantwortlich. Analysten sagen: China müsste das Datum auf spätestens 2025 vorziehen. Auch wenn die aktuelle Erklärung das nicht enthält, verbessert sie die Aussichten.
Das Regelbuch für das Paris-Abkommen
Seit 2015 wurde am Regelbuch für das Paris-Abkommen gearbeitet. Mehrfach sind Anläufe gescheitert. In Glasgow ist es jetzt gelungen, das abzuschließen. Es gibt Regeln, nach denen die Staaten ihre nationalen Zusagen beim Klimaschutz erheben, berechnen und berichten. Geregelt ist auch die internationale Zusammenarbeit von Staaten beim Klimaschutz. Es kann durchaus sinnvoll sein, eine bestimmte Summe Geld nicht im eigenen Land in den Klimaschutz zu investieren, sondern anderswo, wo man viel größere Effekte damit erreichen kann. Unter dem alten Kyoto-Protokoll hat es da viel Wildwuchs gegeben und es sind Gutschriften entstanden, die dem Klima nicht wirklich genutzt haben. Unter dem Paris-Abkommen soll das jetzt besser werden. Staaten und Unternehmen können solche Kooperationen jetzt nach festen Regeln abwickeln. Dabei sind wesentliche Schlupflöcher gestopft worden. Es wird keine Doppelzählung von eingesparten Tonnen CO2 geben, die Regeln sehen einen Abgleich im Geber- und im Nehmerland vor, so dass das überprüft werden kann. Es wird keine Gutschriften geben, wenn Ländern ihren Wald einfach nur nicht abholzen. Aber der Preis dafür war, dass alte Klimazertifikate aus der Zeit vor dem Paris-Abkommen nun doch in das neue System übernommen werden. Das reißt ein Loch, aber das ist wenigstens in seiner Größe abschätzbar und angesichts der gigantischen Zuwächse an Klimagasen in China und Indien fast schon klein.
->Quelle: tagesschau.de/abschlusserklaerung-klimagipfel-analyse