Institute: Grüner Wasserstoff nicht vollständig importierbar
Um in den nächsten Jahren die Versorgung mit grünem Wasserstoff zu sichern, ist Deutschland auf Importe angewiesen. Deutschland wird seinen bis 2030 entstehenden Bedarf an grünem Wasserstoff aber nicht mit Importen decken könnten- so eine am 18.11.2021 veröffentlichte Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits-, und Energietechnik UMSICHT und des Wuppertal Instituts.
Wasserstoff ist für die Energiewende unverzichtbar. Er ersetzt vor allem in der Industrie und in der Stromversorgung Kohle und Gas. Nachhaltig ist er aber nur dann, wenn bei seiner Herstellung erneuerbare Energien eingesetzt werden. Da die nationale Erzeugung in Deutschland dafür allerdings nicht sicher ausreichen wird, setzt die Bundesregierung auf umfangreiche Importe aus wind- und sonnenreichen Regionen wie Nordafrika oder Chile. Die neue Studie kommt jedoch zu einem ernüchternden Ergebnis: Selbst wenn die betrachteten Exportländer ihre Wasserstoffproduktionen nur nach Deutschland liefern würden, könnte der Bedarf an Wasserstoff bis 2030 nicht vollständig gedeckt werden.
Herstellung und Transport bis 2030 nicht ausreichend
Das Problem: Der Ausbau von erneuerbaren Energien in Ländern wie Chile, Marokko, Spanien und den Niederlanden kommt nur schleppend voran. Hinzu kommt, dass der Transport großer Mengen Wasserstoffs per Pipeline oder Schiff noch in der Entwicklung beziehungsweise Genehmigung steckt und nicht schnell genug umgesetzt werden kann. Stand heute wäre der Transport nur über Lkw denkbar, diese können jedoch nur geringe Mengen transportieren und stoßen dabei selbst CO2 aus, wodurch die Nachhaltigkeit des Wasserstoffs beeinträchtigt wird.
Deutschland sollte sich nicht allein auf Importe verlassen
Solange der Bedarf über Importe nicht gedeckt werden kann, muss die inländische Wasserstoffproduktion aus erneuerbaren Energien massiv erhöht werden, befinden die Wissenschaftler. Dafür wiederum bräuchte es in den nächsten Jahren viel grünen Strom, dessen Erzeugung in den vergangenen Jahren vernachlässigt wurde. Zudem müssen Genehmigungsverfahren für die nötige Erzeugungs- und Transportinfrastruktur beschleunigt werden. Die Forscher empfehlen, Vorhaben im Zusammenhang mit Wasserstoff höher zu priorisieren.
Sich von Importen abzuwenden wäre jedoch angesichts des hohen zukünftigen Wasserstoffverbrauchs auch ein Fehler: „Die bisherigen bilateralen Vereinbarungen sind sinnvoll, um erste Partnerschaften zu etablieren und gewisse Sicherheiten zu schaffen“, sagt IW-Studienautor Malte Küper. „Dabei sollten wir uns aber nicht zu stark von einzelnen Herstellungsländern abhängig machen, sondern unser Importportfolio von Anfang an breit aufstellen.“ Hier wäre zudem eine gemeinsames europäisches Vorgehen wichtig – besonders, um weltweite Standards bei der Nachhaltigkeit zu setzen.
Vorgängerstudie: „Grüner Wasserstoff aus Deutschland beflügelt Klimaschutz und Volkswirtschaft“
03.11.2021: Studie des Wuppertal Instituts und DIW Econ bewertet Vor- und Nachteile von Wasserstoffimporten gegenüber heimischer Erzeugung – Deutschlands Klimaschutzstrategie baut auf den Einsatz von grünem Wasserstoff aus erneuerbaren Energien. Doch wo soll der Wasserstoff herkommen, aus heimischer Produktion oder importiert aus dem Ausland? Eine Untersuchung von Wuppertal Institut und DIW Econ schafft einen Überblick über die aktuelle Datenlage und ermittelt Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte beider Strategien: Demnach ist importierter Wasserstoff nicht allgemein günstiger, entscheidend sind je nach Herkunftsland die tatsächlich realisierbaren Strom- und Transportkosten. Eine grüne Wasserstoffproduktion im eigenen Land entfaltet stattdessen zudem eine positive Beschäftigungswirkung und Wertschöpfung. Mit Erreichung der Klimaziele 2050 betrüge die zusätzliche Wertschöpfung bei einer stark auf die heimische Erzeugung ausgerichtete Strategie bis zu 30 Milliarden Euro im Jahr 2050 und es könnten bis zu 800.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die Studie zur „Bewertung der Vor- und Nachteile von Wasserstoffimporten im Vergleich zur heimischen Produktion“ wurde vom Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) und vom Landesverband Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) in Auftrag gegeben.
Christian Mildenberger, Geschäftsführer des LEE NRW: „Im Energieland NRW sind die Unternehmen auf die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff angewiesen, um ihre Produktion klimaneutral zu machen. Die Studie zeigt durch ihre Gesamtbetrachtung eindrücklich auf, dass dieser besser im eigenen Land erzeugt werden sollte. Es wird zudem klar, dass H2-Importe nicht automatisch günstiger sind und die Wertschöpfungseffekte bei heimischer Produktion ein neues Wirtschaftswunder in Deutschland auslösen könnten mit Blick auf die potenziellen Arbeitsplätze. Und die Erneuerbare-Energien-Potenziale dafür sind da.“
Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE): „Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie haben wir in Deutschland bisher nur beschlossen, grünen Wasserstoff in großem Stil zu konsumieren. Jetzt muss auf die Agenda, ihn auch zu produzieren! Die Bundesregierung muss die Blockaden lösen, um die entsprechende Menge von Strom aus erneuerbaren Energien und den grünen Wasserstoff im eigenen Land zu erzeugen um die Wertschöpfungseffekte für Deutschland möglich zu machen anstatt sie fortzugeben.“
Ausgangspunkt der Untersuchung ist die neue Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, die vor allem auf den Import des viel diskutierten Energieträgers setzt. Mit dem Import sind allerdings nicht nur hohe Unsicherheiten verbunden, auch könnte dies in den produzierenden Ländern zu unerwünschten Effekten führen, wie einer verschleppten Energiewende, wenn nicht von Anfang an die Transformation des Energiesystems vor Ort mitgedacht wird. Die Folge: Deutschland importiert grünen Wasserstoff, aber im Produktionsland fachen fossile Energieträger weiterhin den Klimawandel an. Auch besteht die Gefahr, dass wasserstoffnutzende Produktionszweige wie die Stahl- und Chemieindustrie zunehmend dahin abwandern, wo der Wasserstoff produziert wird.
„Aktuell wird zu sehr über die Kosten und zu wenig über die Notwendigkeiten und positiven Effekte der heimischen Wasserstoffproduktion aus erneuerbaren Energien gesprochen. Wir brauchen sie als flexibles Speicherelement für die Integration von erneuerbarem Strom sowie als Grundlage für die Dekarbonisierung der heimischen Schwerindustrie. Dadurch bieten sich für Deutschland große Chancen, sich als Vorreiter und Spezialist auf dem künftigen Weltmarkt für grünen Wasserstoff zu positionieren“, sagt Frank Merten, Co-Leiter des Forschungsbereichs Systeme und Infrastrukturen in der Abteilung Zukünftige Energie- und Industriesysteme am Wuppertal Institut und Projektkoordinator der Studie.
Yann Girard, Co-Autor der Studie und Manager beim DIW Econ, betont: „Aus Klimaschutzgründen muss der zukünftig genutzte Wasserstoff ausschließlich aus Strom aus erneuerbarer Energie gewonnen werden und damit grün sein. Die heimische Produktion von grünem Wasserstoff hat zudem ein enormes volkswirtschaftliches Potenzial mit Blick auf Wertschöpfung und Beschäftigung und sollte bei der Entscheidung, wie viel Wasserstoff aus dem Ausland importiert wird, nicht außer Acht gelassen werden.“
Kernergebnisse der Studie
- Im optimistischen Szenario eines heimischen Wasserstoff-Produktionsanteils von 90 Prozent sind Wertschöpfungseffekte von bis zu maximal 30 Milliarden Euro im Jahr 2050 und mehr als 800.000 zusätzliche Arbeitsplätze möglich, die im direkten und indirekten Zusammenhang mit der grünen Wasserstoffproduktion stehen.
- Große Synergien ergeben sich vor allem dort, wo mit zunehmendem Einsatz fluktuierender Energieträger Überschussmengen in Wasserstoff umgewandelt werden. Strom aus Onshore-Windenergieanlagen ermöglichen im Vergleich zum H2-Import zudem eine konkurrenzfähige H2-Erzeugung.
- Wasserstoffimporte via Schiffstransport sind aus ökonomischen Gründen nicht sinnvoll, da diese eine energieintensive Verflüssigung voraussetzen. Die Kosten für den Transport per Schiff sind drei Mal so hoch wie beim Transport per Pipeline und rechnen sich erst ab 4.000 Kilometer Entfernung zum Produktionsland.
- Viele potenzielle Exportländer sind selbst stark abhängig von fossilen Energieträgern. In Marokko etwa machen fossile Energieträger derzeit rund 90 Prozent des Primärenergiemix aus und werden auch in 2030 noch tragende Rollen einnehmen. In solchen Regionen birgt eine stark exportorientierte Wasserstoffwirtschaft das Risiko, die Energiewende vor Ort zu verschleppen mit negativen Effekten für den Klimaschutz.
->Quellen und weitere Informationen:
- wupperinst.org/5188
- iwkoeln.de/malte-kueper-thilo-schaefer-bundesregierung-verschaetzt-sich-bei-importen-bis-2030
- wupperinst.org/7567
- H2ImpProCon – Bewertung der Vor- und Nachteile von Wasserstoffimporten im Vergleich zur heimischen Erzeugung
- Studie: Bewertung der Vor- und Nachteile von Wasserstoffimporten im Vergleich zur heimischen Produktion ( 2.7 MB )
- Externe Veröffentlichung 18. November 2021- „Bewertung der Realisierbarkeit von Wasserstoffimporten gemäß den Zielvorgaben der Nationalen Wasserstoffstrategie bis zum Jahr 2030″
- Ergebnis der Themenfelder 1 (Technologien und Infrastrukturen) und 4 (Rahmenbedingungen und Geschäftsmodelle) des Forschungsprojektes SCI4climate.NRW