Ampel-Koalitionsvertrag sieht 200 GW Photovoltaik bis 2030 vor

Ebenfalls bis 2030: Kohleausstieg

Genau einen Monat vor Heiligabend, am 24.11.2021, haben sich SPD, Grüne und FDP in Berlin auf einen Koalitionsvertrag verständigt. „Darin enthalten ist ein deutlich ambitionierterer Zubau von Photovoltaik-Anlagen, wofür Hemmnisse und bürokratische Hürden abgebaut werden sollen“, so Sandra Enkhardt in pv magazine. Auch eine Pflicht zur Installation von Solaranlagen für das Gewerbe sei enthalten. Daneben wird der Kohleausstieg bis 2030 angestrebt, wobei aber Gaskraftwerke als Brückentechnologie als unverzichtbar angesehen werden. „Mehr Klimaschutz, mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Digitalisierung: Der Koalitionsvertrag der Ampel verheißt Aufbruch. Jetzt müssen SPD, Grüne und FDP nur noch ihre Mitglieder davon überzeugen,“ schrieb die Süddeutsche Zeitung.

Ampel in Berlin – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Das Papier mit dem Titel „Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ bekennt sich außerdem zur 1,5 Grad-Grenze und einem „verlässlichen und kosteneffizienten Weg zur Klimaneutralität“, schreibt das wiedererstandene Magazin Photon. Zur Erreichung des Erneuerbaren- Ziels will die Ampel-Koalition „alle Hemmnisse“ beseitigen und hierfür unter anderem „Netzanschlüsse und die Zertifizierung beschleunigen, Vergütungssätze anpassen, die Ausschreibungspflicht für große Dachanlagen und die Deckel prüfen. Auch innovative Solarenergie wie Agri- und Floating-PV werden wir stärken und die Ko-Nutzung ermöglichen.“

Zudem sollen „alle geeigneten Dachflächen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden“. Bei der Elektromobilität hat sich die Koalition darauf geeinigt, dass Deutschland 2030 „Leitmarkt für Elektromobilität mit mindestens 15 Millionen Elektro-Pkw “ sein soll. In der Vereinbarung heißt es hierbei mit Bezug auf die Vorschläge der Europäischen Kommission, dass „im Verkehrsbereich in Europa 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen“ werden.

Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) lobte die Pläne: Die „Entfesselung der Solarwirtschaft“ könne beginnen. Der BSW unterstreicht dabei die Notwendigkeit eines Sofortprogramms zur geplanten Beschleunigung des Solar-Ausbaus. Eile sei dringend geboten, um die Versäumnisse und politischen Fehlentscheidungen der vergangenen Legislaturperiode zu korrigieren und zunehmend negativ wirkende Marktbremsen zu lösen. BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig bleibt zunächst erst einmal skeptisch: „In den ersten 100 Tagen wird sich entscheiden, ob der überfällige Klimaschutz-Turbo in dieser Legislaturperiode gezündet wird.“

Der neue Koalitionsvertrag sieht unter anderem die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro, eine Kindergrundsicherung sowie den Bau von 400?000 neuen Wohnungen vor. Deutschland soll zudem bis 2045 klimaneutral sein. Aus Sicht der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF) steht Energieeffizienz im Zentrum der kommenden Legislaturperiode. Alle großen Energiewende-Studien setzen auf eine deutliche Senkung des Energieverbrauchs. Das passiere jedoch nicht von Geisterhand, betont der Verband. Deshalb müssen in den angekündigten Sofortprogrammen, Klimachecks und Plattformen unweigerlich umfassende Ziele und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz festgelegt werden. Darum sei auch die versprochene Unterstützung des Fit for 55 Pakets unbedingt notwendig, so die DENEFF. Die Initiative begrüßt außerdem, dass bereits einige konkrete Maßnahmen enthalten sind, um die Energieeffizienz voranzubringen.

Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand Greenpeace kommentierte gemischt: “Die Ampel lässt einen ökologischen Aufbruch nur erahnen, denn sie liefert nicht die nötige Ausrüstung, um ihn zu meistern. Nur wenn die neue Regierung in den kommenden Monaten konsequent nachbessert, kann sie auch international ein Hoffnungsschimmer in der Klimakrise werden.“ Kohleausstieg 2030 und Beschleunigungs-Ausbau der Erneuerbaren sei ein wichtiger Schritt hin zu einer modernen, klimaschonenden Energieversorgung. Diesen Erfolg habe die Klimabewegung mit ihrem jahrelangen Druck erzielt. Aber: „Für die Verkehrswende ist der Koalitionsvertrag eine herbe Enttäuschung. Darin findet sich kein einziges Instrument, durch das der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor hierzulande schneller vorankommt als die EU ihn ohnehin schon plant. Der Verkehr wird absehbar der Problemfall der Ampel beim Klimaschutz.“ Ansatzpunkte, aber nicht mehr, liefere der Vertrag für eine ökologischere Landnutzung und eine bessere Tierhaltung. Denen müssten aber jetzt Taten folgen. „Ein klimaneutrales Deutschland ist nur möglich, wenn die Landwirtschaft die Emissionen der Klimagase Methan und Lachgas reduziert. Das kann nur mit deutlich weniger Tieren und einer klimaschonenden Bodennutzung gelingen.“ Einen großen Erfolg der Zivilgesellschaft nennt es Kaiser, „dass sich die Ampel zu einem Rüstungsexportkontrollgesetz bekennt. Jetzt muss das Gesetz so umgesetzt werden, damit Diktaturen und Kriegstreibende keine Waffen mehr in Deutschland kaufen können.”

Die NATURSTROM AG sieht in dem Koalitionsvertrag ein Aufbruchssignal für die zuletzt ausgebremste Energiewende in Deutschland. Der Vorstandsvorsitzende Thomas E. Banning fordert die künftige Regierung auf, die vielen Versprechen aus dem Dokument nun auch zügig und konsequent umzusetzen und nicht in den Mühlen der Verwaltung sowie von dem Ansturm von Konzernlobbyisten zerreiben zu lassen. Die Ampel lege „beim sehr wichtigen Klimathema keinen schlechten Start hin, aber der Wettlauf zur Klimaneutralität braucht noch sehr viel Einsatz und Tempo bei der Umsetzung der Maßnahmen“.

Deutsche Umwelthilfe: Ampel-Koalition plant „einige deutliche Fortschritte aber auch dramatische Fehltritte“ beim Klima- und Umweltschutz

Die Handschrift der Autokonzerne sei nicht zu übersehen, denn die Ergebnisse im Verkehrsbereich verstießen gegen das Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die DUH will daher auch die Absage an ein Tempolimit und weitere Förderung von Straßenneubau und Klimakiller-Dienstwagen über eine Klimaklage angreifen. Positiv wertet die DUH die Klimaschutz-Entscheidungen im Energiesektor mit Kohleausstieg und Ausbau der Erneuerbarer; Erdgas dürfe lediglich noch eine Übergangsrolle spielen; wichtig seien die Stärkung der Naturschutzfinanzierung und des Ökolandbaus. Ebenfalls gute Ansätze erkennt die DUH im Gebäudesektor, aber zu vage Formulierungen brauchen dringend Klarstellungen, um wirklich auf den Paris-Pfad zu kommen. Entwicklungen bei wichtigem Bereich Kreislaufwirtschaft vermisst die DUH – unterm Strich reiche der Koalitionsvertrag nicht aus, um das Pariser Klimaschutz-Limit einzuhalten.

Die SPD erhält die Ministerien für Inneres, Verteidigung, Gesundheit, Arbeit und Soziales, Wirtschaftliche Zusammenarbeit sowie das neue Ministerium für Bauen und Wohnen. Die Grünen sollen das Klimaschutz- und Wirtschaftsministerium sowie das Auswärtige Amt übernehmen. Für diese beiden Posten dürften Robert Habeck und Annalena Baerbock gesetzt sein. Auch die Ministerien für Familie, Landwirtschaft und Umwelt gehen an die Grünen. Die FDP soll die Ministerien für Justiz, Bildung und Verkehr sowie das Finanzministerium übernehmen – letzteres wird voraussichtlich FDP-Chef Christian Lindner führen.(nach NZZ)

Fridays for Future kritisch

Das Klimaaktivisten kommentieren den veröffentlichten Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP voraussehbar kritisch: „Während die Welt auf knapp drei Grad Erhitzung hin steuert, verfehlt der Vertrag von SPD, Grüne und FDP noch vor Amtsantritt die eigenen Versprechen zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze. Trotzdem feiern wir nach 154 Wochen Klimastreiks auch Erfolge der Klimabewegung wie den Kohleausstieg 2030. Nur: Der aktuelle Koalitionsvertrag allein reicht für die Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze nicht aus.“

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