Auch ohne russische Energie und trotz Atomausstiegs Stromversorgung sicher

DIW aktuell vom 20. April 2022: Kohleausstieg 2030 bleibt machbar
von Christian Hauenstein, Karlo Hainsch, Philipp Herpich, Christian von Hirschhausen, Franziska Holz, Claudia Kemfert, Mario Kendziorski, Pao-Yu Oei, Catharina Rieve

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) hat in Szenariorechnungen des deutschen Stromsystems analysiert, wie sich ein völliger Stopp russischer Energielieferungen (vor allem Kohle und Erdgas) auswirken wird. Fazit: Der beschleunigte Kohleausstieg beziehungsweise der Atomausstieg 2022 würde nicht in Frage gestellt werden. Die Stromversorgung gerate nicht in Gefahr – die letzten drei Akw sollten wie geplant im Dezember 2022 vom Netz gehen.

Kohlekraftwerk Schkopau – Foto © Gerhard Hofmann für Solarify

Um die Energiesicherheit zu gewährleisten, müssten kurzfristig Kohlekraftwerke aus der Netzreserve genutzt werden. Mittelfristig erkennt die DIW-Analyse beim sogenannten Osterpaket angestrebten beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien einen rückläufigen Bedarf an Erdgas- und Kohleverstromung bis 2030. Somit halten die Wissenschaftler das im Koalitionsvertrag angestrebte Ziel des auf 2030 vorgezogenen Kohleausstiegs für erreichbar.

Deutschlands Kohleimporte aus Russland (rund 60 Prozent – 18 Millionen Tonnen 2019) sollen bis August 2022 vollständig beendet werden. Sollten zudem auch die russischen Erdgaslieferungen ausfallen, müsse neben der Wärmeerzeugung auch die Stromproduktion auf Versorgungssicherheit geprüft werden. Dafür soll die Stromproduktion bis 2030 zu 80 Prozent aus Erneuerbaren bestehen. Bis 2035 sollen es 100 Prozent sein.

Indes müsse zur Kompensation der Erdgasverstromung zunächst sowohl zeitweise auf  Kohle zurückgegriffen werden. Das DIW aktuell analysiert zuerst die Auswirkungen des Kohle-Embargos gegen Russland auf die europäische Steinkohleversorgung und geht auf aktuelle Diskussionen bezüglich des Kohleausstiegs in Deutschland ein. Danach erfolgen sowohl eine Betrachtung der kurzfristigen Effekte eines möglichen Energielieferstopps aus Russland für den deutschen Strommarkt für das Jahr 2023 als auch eine Analyse der mittelfristigen Effekte bis Anfang der 2030er Jahre…. (weiterlesen)

Abstract

Mit einem Kohle-Embargo erhöht die Europäische Union den Druck auf Russland. Nach einer Übergangsfrist soll im August keine russische Kohle mehr importiert werden. Jüngere Studien zeigen, dass Deutschland die Einfuhren aus Russland bis zum Sommer durch Importe aus anderen Ländern ersetzen kann. Da aber auch ein Aus für die russischen Erdgaslieferungen droht, müssen Pläne zur Versorgungssicherheit entwickelt werden. Das DIW Berlin hat in Szenariorechnungen analysiert, wie das deutsche Stromsystem auf einen Stopp russischer Energielieferungen (insbesondere Kohle und Erdgas) reagieren kann, ohne den beschleunigten Kohleausstieg beziehungsweise den Atomausstieg 2022 in Frage zu stellen. Es zeigt sich, dass im kommenden Jahr 2023 auch ohne russische Energielieferungen eine sichere Stromversorgung möglich ist; die Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke kann und sollte wie geplant im Dezember 2022 erfolgen. Kurzfristig müssen Kohle-kraftwerke aus der Netzreserve genutzt und die Sicherheitsbereitschaft einiger Kraftwerke verlängert werden. Mittelfristig ist bei dem von der Bundesregierung im Osterpaket angestrebten beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien ein rückläufiger Bedarf an Erdgas- und Kohleverstromung bis 2030 zu beobachten. Somit bleibt das im Koalitionsvertrag angestrebte Ziel eines auf 2030 vorgezogenen Kohleausstiegs erreichbar.

->Quellen: