Sieben Gründe, warum die Finanzierung der Fossilen an einem Wendepunkt angelangt sein könnte
Das Climate Safe Lending Network erkennt die wichtige Rolle an, die der Bericht „Banking on Climate Chaos“ spielt, indem er dem Finanzsektor den Spiegel vorhält und die enorme Lücke zwischen den derzeitigen Aktivitäten und dem, was wir erreichen müssen, aufzeigt. Es ist dem Engagement engagierter Nichtregierungsorganisationen zu verdanken, dass die Problematik nun besser verstanden und anerkannt wird. Illuminem-Autor James Vaccaro ist überzeugt, dass die Banken allmählich aufhören, weiter fossile Energien zu finanzieren – er nennt am 04.04.2022 sieben Gründe dafür.
Die folgende (übersetzte und gekürzte) Reaktion ist eine persönliche Sichtweise des Exekutivdirektors des Netzwerks, James Vaccaro, als Reaktion auf den Banking on Climate Chaos Report 2022 – und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten aller Teilnehmer des Netzwerks wider:
Keine Veränderung?
„Auf den ersten Blick gibt es nur wenig, was positiv ist. Die Zahlen zeigen, dass nach wie vor beträchtliche Finanzströme an Unternehmen mit fossilen Brennstoffen fließen, und zwar in ähnlichem Umfang wie in den Vorjahren. Die Finanzströme in den Ausbau fossiler Brennstoffe sind zwar zurückgegangen, doch könnte dies im kommenden Jahr durch den Druck auf den Energiemärkten wieder zunichte gemacht werden. Der mangelnde Fortschritt in den veröffentlichten Zahlen steht in krassem Gegensatz zu den im Vorfeld der COP26 eingegangenen Klimaverpflichtungen und der Dynamik der Netto-Null-Allianz unter GFANZ. Wir sollten uns jedoch vor Augen halten, dass diese Zahlen, die auf den Jahresberichten beruhen, nicht in der Lage sind, den zugrunde liegenden Fortschritt infolge der jüngsten politischen Veränderungen aufzuzeigen. Und trotz der düsteren Aussichten gibt es Gründe, hoffnungsvoll zu bleiben, dass der Wandel noch kommen könnte.
Sieben Gründe, warum wir möglicherweise am Wendepunkt des Handelns der Banken in Sachen Klima angelangt sind
Wir können kaum erwarten, dass es Jahr für Jahr keine Fortschritte bei der Finanzierung fossiler Brennstoffe geben wird. Wie können wir wissen, wann der Wendepunkt erreicht ist und sich wirklich etwas ändern wird? Das Climate Safe Lending Network arbeitet mit Bankern, Investoren, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaftlern zusammen – und wir sehen einige Anzeichen dafür, dass wir diesem Wendepunkt sehr nahe sein könnten. Hier sind die Gründe, die uns hoffen lassen:
1. Interne Einflussnehmer – Innerhalb der Banken finden auf der Ebene der Führungskräfte und des Vorstands folgenreiche Gespräche statt. Es gibt mächtige Befürworter fortschrittlicher Klimamaßnahmen, die auf einen Wandel drängen und sich in einer viel besseren Position befinden als vor ein paar Jahren.
2. Normatives Verhalten – Der Markt wird ständig gescannt, und jede Bank prüft, was die anderen tun, um sicherzugehen, dass sie nicht als hinter der „Meute“ zurückbleibend angesehen wird. Wenn sich nicht viel bewegt, kann dies zu einer größeren Trägheit führen, aber wenn die Banken anfangen, sich zu bewegen, verstärkt dies die Dynamik.
3. Transparenz und Sichtbarkeit – Es gibt eine weitaus größere Sichtbarkeit, die zeigt, dass es sich nicht mehr um ein in den Nachrichten untergehendes Thema handelt. Es wird anerkannt, dass das Problem angegangen werden muss, und die Glaubwürdigkeit der Institutionen wird davon abhängen, wie umfassend das geschieht.
4. Grundüberzeugungen und gescheiterte Wahrheiten – Unter den Führungskräften ist ein Umdenken in Bezug auf einige der grundlegenden Überzeugungen und „Wahrheiten“ der Vergangenheit festzustellen. Konnte man bis vor kurzem von vielen Bankmanagern hören, „der Energiemix in den 2050er Jahren werde mindestens zur Hälfte aus fossilen Brennstoffen bestehen“. In der Mehrzahl der Banken scheinen diese Ansichten nicht mehr zu gelten. Jetzt, da sich die Grundüberzeugungen geändert haben, stellen sich neue Fragen nach den erforderlichen Maßnahmen.
5. Logische Kohärenz – Wenn Banken bestimmte Arten von Vermögenswerten ausschließen, dann ist das eine philosophische Brücke, die man irgendwie zu Ende gehen muss. Beispiel: Die Verlagerung des Bank-Geschäfts auf Intermediäre oder Kapitalmärkte, ohne den Kohlenstoff zu berücksichtigen. Die Umgehungslösungen und Schlupflöcher werden überwacht, aufgedeckt und in Frage gestellt werden. Wenn man diesen Weg einmal eingeschlagen hat, gibt es keinen logischen Grund mehr, damit aufzuhören, bis man ihn zu Ende gegangen ist.
6. Grünes Wachstum könnte durch umweltschädlichen Ruf gebremst werden – Die grüne Wirtschaft verzeichnet ein massives Wachstum – der Großteil der neuen Investitionen in die Energieinfrastruktur fließt in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und grünen Wasserstoff. Der schlechte, auf der Finanzierung fossiler Brennstoffe beruhende Umweltruf der Banken, könnte sich zu einem ernsthaften, sich wiederholenden „Hemmschuh“ für die Wachstumsaussichten auf den attraktivsten neuen grünen Wachstumsmärkten entwickeln. Wenn die Teams für grüne Finanzierungen feststellen, dass sich diese restriktive Kraft auf ihre Kundenbeziehungen auswirkt, werden sie eher internen zunehmenden Druck ausüben.
7. Überwachung und Management
Es gibt einfach mehr Daten über die Auswirkungen des Klimawandels, und auch wenn sie nicht immer leicht zu analysieren sind, ist die Fähigkeit, aus Daten einen Sinn abzuleiten, für die Führung von Banken grundlegend. Die Transparenz bei den Umstellungsplänen wird zunehmen, und es wird deutlicher werden, wie die Finanzmittel fließen – was den Übergang unterstützt und was das Problem vergrößert. Und es gibt Hebel, um Anreize und Auflagen zu schaffen, um die Kunden zu lenken und ihnen Konsequenzen aufzuerlegen, wenn sie sich nicht schnell genug bewegen.
Ich glaube nicht an den Zynismus, dass Banken monolithische Gebilde sind, die sich nicht kümmern. Sie sind komplexe, entscheidungsfähige, soziale Organismen, die aus Hunderten oder Tausenden von Menschen bestehen. Ihre Mitarbeiter werden sich zunehmend der schwierigen Lage unseres Planeten bewusst, sind aufgeklärt und besorgt über ein Klima, das für die Zivilisation unwirtlich werden könnte, sowie über den Verlust der Natur und der biologischen Vielfalt, auf die wir als Lebensgrundlage angewiesen sind. Ich denke, dass es einen fein austarierten Kampf um die Seele und den Zweck der Banken gibt, der kurz vor seinem Wendepunkt steht. Das leugnet nicht die Tatsache, dass es echten kommerziellen Druck, alte Besitzstände und einen beträchtlichen Anteil an Führungskräften gibt, die sich nicht voll und ganz für einen gesellschaftlichen Zweck einsetzen.
Kurzfristig sehe ich eine große Gegenkraft zu diesen optimistischen Aussichten: Die russische Invasion in der Ukraine hat eine Energiekrise ausgelöst, die weitere Erweiterungsinvestitionen nach sich zieht. Es ist aber unwahrscheinlich, dass diese Krise von Dauer sein wird. Der Wandel wird eintreten, wenn genügend Menschen aufstehen und selbst etwas ändern. Das bedeutet, dass Banker echte Maßnahmen ergreifen und darüber nachdenken müssen, wie sie am effektivsten führen können.“
James Vaccaro ist ein Nachhaltigkeitsstratege und Systemdenker mit fünfundzwanzig Jahren Erfahrung in leitenden Positionen im Bereich nachhaltige Finanzen und Wirtschaft. Derzeit ist er Geschäftsführer des Climate Safe Lending Network – einer Multi-Stakeholder-Initiative, die die Dekarbonisierung des Bankensektors vorantreiben soll. Außerdem ist er CEO von Repattern, wo er die Entwicklung eines Accelerators für naturbasierte Lösungen (NbS) für den WWF leitet.