Kann der Markt die Prozessverantwortung für die Energiewende übernehmen?
von Peter Hennicke (mit freundlicher Genehmigung des Autors)
Die Energiewende ist eine Generationen übergreifende Jahrhundertaufgabe. Sie ist ein unausgesprochener „Generationenvertrag“, der seinen Namen verdient: Die heutige Generation schafft und finanziert für spätere Generationen mehr Zukunftssicherheit.
Die meisten mit fossilen und nuklearen Energien verbundenen ökologischen, ökonomischen und sozialen Risiken werden minimiert (Hennicke / Müller 2005). Die gesamtwirtschaftlichen Energiezusatzkosten (ohne externe Kosten) steigen durch die Energiewende zwar vorübergehend deutlich an, um dann aber im Vergleich zu einen Referenzpfad und abhängig vom Ölpreis (als Leitpreis) mit großer Wahrscheinlichkeit (etwa ab 2025/2030) erheblich zu sinken. Dieser durch Szenarien gut belegbare Trend (Nitsch et al. 2012; Hennicke / Welfens 2012) hängt von zwei wesentlichen Voraussetzungen ab: Der Primärenergieverbrauch muss drastisch reduziert werden (etwa um 50 Prozent bis 2050), um dann den verbleibenden „Restenergiebedarf“ weitgehend und – wenn möglich – zu 100 Prozent durch erneuerbare Energien bereitzustellen. Dabei wird in allen repräsentativen Szenarien auch in Zukunft ein exponentielles Wirtschaftswachstum unterstellt (VDW 2011), wenn auch mit etwa 1 Prozent pro Jahr weniger als in der Vergangenheit. Dies wäre gleichbedeutend mit einem Prozess der absoluten Entkopplung von mehr Wirtschaftswachstum und sinkendem (erneuerbarem) Energieeinsatz, wie ihn einige Wachstumskritiker für unmöglich halten (Jackson 2009; Paech 2012).
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem bisher vernachlässigten Thema, ob (und ggfs. wie) eine derartige historisch einmalige Reduktion des Energieverbrauchs erreicht werden kann (IEA 2012; VDW 2011). Dabei wird die durch Szenarien demonstrierte technische Machbarkeit hier als bestmögliche Zukunftsprojektion vorausgesetzt. Zudem wird die Frage diskutiert, welche Rolle ein auf Dynamik und Expansion zielender (Energie-)Markt bei der drastischen Reduktion des Energieverbrauchs spielt. Weiterhin ist zu fragen, wie die häufig ideologisch aufgeheizte Diskussion über die geeigneten Maßnahmen („Markt- vs. Planwirtschaft“) im Rahmen der Energiewende einzuordnen ist. Dabei ist der Umgang mit Unsicherheit und mit den sozialen Implikationen (z.B. Reboundeffekten) eines auf vier Jahrzehnte projektierten ökologischen Umbaus ein Novum für Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Vieles wird dabei nur thesenförmig angerissen werden können.