Verzicht auf Waldnutzung „nicht zu rechtfertigen“
Um den Klimawandel zu bremsen, müssen die Autoren dringend die Treibhausgase reduzieren, besser noch Wege finden, wie die Autoren zusätzliches CO2 einlagern können. Der C-Bindungsfähigkeit von Bäumen wird dabei eine maßgebliche Rolle zugeschrieben. Vielfach wird gefordert, Wälder stillzulegen, um den sogenannten „Waldspeicher“, also in der Biomasse und dem Boden gebundenen Kohlenstoff, möglichst zu erhöhen, schreibt Heinrich Höllerl in Forstpraxis. Ein internationales Forscherteam um Ernst-Detlef Schulze, emeritierter Professor des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena, kam in einem am in den Annalen der Forstwissenschaft publizierten Artikel jedoch zu dem Ergebnis, ein Verzicht auf die Nutzung des Waldes gegenüber einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung im Sinne des Klimaschutzes sei nicht zu rechtfertigen ist und könne künftig sogar zu hohen CO2-Emissionen führen.
Der „Speicherwald“ – ein Mythos
Den größten Vorteil sehen die Autoren weiterhin in der zielgerichteten Nutzung der Wälder. Dabei beziehen sie sich ausdrücklich auf nachhaltige Bewirtschaftungsformen, bei denen in einem Forstbetrieb nicht mehr geerntet wird als nachwächst. In dem aktuellen Forschungsprojekt am Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena wurde der Kohlendioxidaustausch, die „Atmung“ verschiedener Waldökosysteme mit Hilfe der sogenannten „Eddy-Kovarianz-Methode“ untersucht. Das überraschende Ergebnis: Die Holzernte hat im Vergleich zu unbewirtschafteten Wäldern fast keinen Einfluss auf die Ökosystem-Atmung. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die verbleibenden Bäume bzw. die benachbarten Bestände bei vermehrtem Lichtgenuß und mehr Wasserverfügbarkeit die mit der Ernte entnommene Holz-Biomasse vollständig kompensieren können. Der Entzug von Kohlenstoff in Form von nutzbarem Holz fehlt dagegen in unbewirtschafteten Wäldern.
Generell wird in der öffentlichen Diskussion das reine CO2-Speichervermögen von Wäldern, aber auch das von Holzprodukten überschätzt. Letztlich handelt sich insgesamt um einen Kreislauf. CO2-Aufnahme und-Atmung unterscheiden sich nicht zwischen bewirtschafteten und nicht bewirtschafteten Wäldern. Die Vorgabe der IPCC-Richtlinien, dass die Holzernte als unmittelbare CO2-Emission zu verrechnen ist, führt zu einer Verzerrung des Waldklimaschutzes hin zu einer Speicherung in lebender und toter Biomasse. Dies vernachlässigt die Vermeidung der Nutzung fossiler Brennstoffe durch die Holznutzung.
Die globalen Emissionen von klimawirksamen Spurengasen nehmen jedes Jahr weiterhin zu, wobei die Emission von Kohlendioxid (über 40 Gt CO2/Jahr nach wie vor vorherrscht (Cain et al., 2019). In dieser Situation wird die Rolle der Wälder hinsichtlich ihres Potenzials zur Bindung und Vermeidung fossiler CO2-Emissionen als auch hinsichtlich der Versorgung der Gesellschaft mit nachwachsenden Rohstoffen und Energie kontrovers diskutiert. Speicherung und Holznutzung sind gegensätzliche Formen von CO2-Minderungsstrategien. Nachhaltige Bewirtschaftung sollte trotz der Ernte ein konstantes Niveau der Kohlenstoffvorräte einschließlich des Bodenkohlenstoffs im Wald aufrechterhalten, während die Speicherung darauf abzielt, die Kohlenstoffvorräte durch Einschränkung der Ernte zu erhöhen. Welche Strategie für den Klimaschutz besser geeignet ist, bleibt im Augenblick kontrovers.
Wälder mit zunehmendem Alter instabil
In jüngerer Zeit hat die EU ihre Politik in Richtung Speicherung zu Lasten der Holznutzung verlagert. Die zugrunde liegende Annahme ist, dass der Kohlenstoffvorrat von Wäldern ausreichend erhöht werden kann, um eine großräumige, langfristige und stabile Kohlenstoffsenke zu schaffen. Dabei wird jedoch die Gefahr außer Acht gelassen, dass Wälder mit zunehmendem Alter instabil werden. Dieser Prozess wird durch den Klimawandel verstärkt.
Weiterhin strittig ist, ob nachhaltig bewirtschaftete Wälder mehr zum Klimaschutz beitragen als nicht bewirtschaftete Wälder. Die Beantwortung dieser Frage wird dadurch erschwert, dass die Nutzung fossiler Brennstoffe in die Berechnung einbezogen werden muss, da Bewirtschaftung oder Nicht-Bewirtschaftung von Wäldern unterschiedliche Auswirkungen auf die CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen haben. In dieser Arbeit wurden nachhaltig bewirtschaftete Wälder untersucht, in denen die Waldbiomasse (ober- und unterirdische lebende und tote Biomasse) auf Landschaftsebene konstant bleibt.
Bewirtschaftungen, bei der die Ernte das Wachstum übersteigt und die Biomasse abnimmt, sowie Waldzerstörung und Landnutzungsänderungen wurden nicht untersucht. Nachhaltigkeit der Bewirtschaftung wurde in der Forstwirtschaft vor etwa 300 Jahren von v. Carlowitz definiert als: „die Ernte soll das Wachstum ausgleichen“ . Diese Definition besagt aber nichts über die Menge des stehenden Holzvolumens, da der Holzvorrat nicht nur von den Standortbedingungen, sondern auch von den Bewirtschaftungszielen abhängt. Der Vorrat an stehendem Holz ist für Niederwald, für Hochwald und für Dauerwald unterschiedlich.
In bewirtschafteten Wäldern erfolgt die Ernte als Pflege und Durchforstung, bei der Zukunftsbäume ausgewählt und gefördert werden, oder als Nutzung ausgewachsener Bäume oder Bestände über einer natürlichen Verjüngung. Pflege, Durchforstung und Ernte sind auf einen Bruchteil eines Waldgebietes konzentrierte Maßnahmen, um das Wachstum der Bestände und die Stammqualität zu steigern. In einem nachhaltig bewirtschafteten Betrieb erfolgt die Pflege oder die Ernte in einem bestimmten Bestand nur einmal alle 5 bis 10 Jahre. Somit beträgt die Fläche, die jedes Jahr von der Pflege oder Ernte betroffen ist, etwa 10 % der Fläche des Betriebs. Die betroffene Fläche bewegt sich dabei dynamisch über die Betriebsfläche. Auswirkungen der Ernte auf Parzellenebene sind vorübergehend.
Die räumliche und zeitliche Verteilung der Bewirtschaftung erschwert einen Vergleich mit experimentellen Flussmessungen auf festen Versuchsflächen, wobei sich diese häufig auf alte Wälder konzentrieren. Daher bestehen methodische Schwierigkeiten bei der Quantifizierung der dominanten auf der Basis der Eddy-Kovarianz-Methode ermittelten Kohlenstoffflüsse auf Landschaftsebene, da Flüsse und Ernten auf unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Skalen ablaufen.
Neben der Frage, inwieweit Bewirtschaftung oder Nicht-Bewirtschaftung zum Klimaschutz beitragen, gibt es eine zusätzliche Diskussion über die energetische Nutzung von Holz. Holz hat eine geringere Energiedichte als fossile Brennstoffe, aber es ist das politische Ziel, die Emissionen fossiler Brennstoffe zu reduzieren. Die Verwendung von geerntetem Holz für Produkte vermeidet den Einsatz fossiler Brennstoffe. Der Kohlenstoff im Holz, der in Produkten oder für Energie verwendet wird, würde im Falle der Aufgabe der Bewirtschaftung bei der Zersetzung durch Mikroorganismen freigesetzt werden. Somit ist die Verbrennung von Frischholz, das nicht für Produkte verwendet werden kann, und von Holzprodukten nach der Nutzung ein wichtiger Beitrag, um den Verbrauch fossiler Brennstoffe aktiv zu reduzieren. Da die Emissionen aus fossilen Brennstoffen den größten Beitrag aller Kohlenstoffemissionen ausmachen, sind die Autoren der Meinung, dass jeder Mechanismus zur aktiven Reduzierung dieser Komponente mit unmittelbaren positiven Auswirkungen auf das Klima Vorrang hat vor Mechanismen, die die Emissionen fossiler Brennstoffe kompensieren, wie z. B. die Speicherung von Kohlenstoff in der lebenden oder toten Waldbiomasse. Folglich ist es ein zusätzliches Ziel dieser Studie, die Rolle der Ernte und Holznutzung in ihren Auswirkungen auf die Nutzung fossiler Brennstoffe zu untersuchen.
Das landnutzungsbasierte Klimaschutzpotenzial Mitteleuropas ist bei einem hohen Industrialisierungsgrad gering. Dieses Potenzial resultiert aber hauptsächlich aus einer strikten Umsetzung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Wälder, die für die Holzproduktion bewirtschaftet werden, umfassen Altersklassenwälder mit natürlicher Verjüngung und Dauerwälder, in dem einzelne Bäume ab einer bestimmten Größe geerntet werden. Dies wird verglichen mit einer Landnutzung, bei der Ernte und Holzgewinnung eingestellt werden und das Wachstum zu einer Zunahme des Bestandesvolumens und mit fortschreitendem Alter zu einem natürlichen Verfall von Beständen beiträgt. In Deutschland werden etwa 95 % der Waldfläche bewirtschaftet, etwa 5 % der Fläche bleiben unbewirtschaftet. Dies wird sich in Zukunft ändern, wenn die EU-Forderung von 30 % Schutz des Landes und 10% Totalschutz umgesetzt wird.
Nicht bewirtschaftete Wälder werden hauptsächlich durch Nationalparks repräsentiert, in denen alle Sukzessionsstadien auf Landschaftsebene vorhanden sind (Korpel, 1995). In Deutschland lagen uns Daten aus Wiederholungsinventuren nur für den Nationalpark Hainich vor (Hainich, 2012). Es sollte bedacht werden, dass Nationalparks in Europa auf ehemals bewirtschafteten Wäldern oder ehemals landwirtschaftlich oder militärisch genutzten Flächen gegründet wurden. Der Nationalpark Hainich war ein ehemaliger Kommunalwald, der als Mittelwald bewirtschaftet wurde, bevor er Truppenübungsplatz und dann Nationalpark wurde und nun zu einem Hochwald heranwächst. Die Waldfläche vergrößerte sich sukzessive auf ehemaligen Militäranlagen. Unberührte Wildnis-Landschaften gibt es weder in Deutschland noch in den meisten Gebieten des europäischen Kontinents. Trotz einer langen Geschichte nationaler Inventuren wurde der Vergleich von bewirtschafteten und nicht bewirtschafteten Wäldern nur sehr selten auf Landschaftsebene durchgeführt.
Schlussfolgerungen
Der Aufbau des Kohlenstoffflusses bleibt auch heute noch eine Herausforderung, und die Analyse der verfügbaren Daten weist auf eine Diskrepanz bei der Schätzung der Hauptflüsse und ihrer Reaktion auf die Ernte hin. Durch das Fällen von Bäumen scheint die Kohlenstoffbilanz von Waldökosystemen unverändert zu sein; Somit wird die Energie, die durch die Emissionen von geerntetem Holz repräsentiert wird, an der Waldfläche vorbeigeführt. Wenn er nicht verbrannt wird, würde der Kohlenstoff im Holz durch Zersetzung in die Atmosphäre gelangen, ohne fossile Brennstoffe zu ersetzen. Daher ist die Verwendung von Holz aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern klimaneutral. Die Halbwertszeit von Produkten ist ähnlich der Halbwertszeit von Holz während der Zersetzung. Unter nachhaltiger Bewirtschaftung ist auf Landschaftsebene keine „Kohlenstoffschuld“ erkennbar.
Hier schlagen die Autoren vor, dass Änderungen der Waldkohlenstoffvorräte auf Landschaftsebene vor Ort ein riskantes und unwahrscheinliches Ziel darstellen. Sie sollten unter nachhaltiger Bewirtschaftung und in einem Gleichgewichtszustand der natürlichen Waldentwicklung Null sein. Wenn geerntete Bäume zu Holzprodukten verarbeitet werden, entsteht ein zusätzlicher Kohlenstoffvorrat außerhalb des Waldes. Ein Stopp der Holzversorgung aus heimischen Wäldern könnte sich nachteilig auf den globalen Klimaschutz auswirken.
Der Hauptbeitrag zur Eindämmung nachhaltiger Waldbewirtschaftung ist keine „Sofortemission“, sondern ein Ersatz fossiler Brennstoffe durch nachwachsende Rohstoffe. Es ist die Vermeidung des Einsatzes fossiler Brennstoffe zur Energieerzeugung. Dies ist unabhängig von der Energiedichte von Holz. Der Prozess der Holzernte soll als Klimaschutzstrategie zertifiziert werden.
->Quellen:
- Originalpublikation: Ernst Detlef Schulze, Olivier Bouriaud, Roland Irslinger & Riccardo Valentini: Die Rolle der Holzernte aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern im Kohlenstoffkreislauf, in: Annals of Forest Science Volumen 79, Artikelnummer: 17 (2022,) unter Lizenz CC-BY 4.0) – link.springer.com/article/10.1186/s13595-022-01127-x – doi.org/10.1186/s13595-022-01127-x – open access
- forstpraxis.de/co2-minderung-besser-im-wald-oder-im-holz-speichern