Fraunhofer IEG entwickelt Roadmap für Oberflächennahe Geothermie
Die Wärmewende hinkt der Stromwende hinterher. Während Wind und Sonne in guten Jahren die Hälfte der Stromenergie nachhaltig liefern, decken regenerative Wärmequellen weniger als ein Fünftel des Wärmebedarfs. Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Bürger müssen nun die Weichen für eine Wärmeversorgung ohne Öl und Gas stellen, die nachhaltig, versorgungssicher, regional und bezahlbar ist. Erdwärmepumpen stellen eine äußerst vorteilhafte Option dar, die nationalen Klimaziele für das Jahr 2045 zu erreichen. In der „Roadmap Oberflächennahe Geothermie – Potenziale, Hemmnisse und Handlungsempfehlungen“ legen nun die Autoren der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG die notwendigen Schritte dar, um diese Option zu nutzen.
„Erdwärmepumpen sind heute bei vielen Herstellern am Markt verfügbar. Die Systeme arbeiten äußerst effizient, decken ein breites Leistungsspektrum ab und bieten erprobte Lösungen für die klimafreundliche Bereitstellung von Wärme und Kälte“, erklärt Rolf Bracke, Leiter des Fraunhofer IEG. „Die Hemmnisse für den Markterfolg liegen also weniger im technischen Bereich als bei Förderrichtlinien, Genehmigungsverfahren, mangelnder Investitionsbereitschaft und Fachkräftemangel“.
Der kumulierte Nutzwärmebedarf für Raumwärme und Warmwasser in Deutschland liege aktuell bei bis zu 800 Terawattstunden im Jahr (TWh/a). Erdwärmepumpen böten das Potenzial, bis zu 75 Prozent dieses Wärmebedarfes, dies entspreche also etwa 600 TWh/a, zu decken. Außerdem könnten dieselben Systeme große Teile des klimabedingt steigenden Kühlbedarfs bereitstellen. Derzeit seien über 400.000 Erdwärmepumpen in Deutschland installiert. Zur Erreichung der Klimaziele brauche es jedoch mehr als eine Verzehnfachung bis ins Jahr 2045. Derzeit würden rund 20.000 Anlagen pro Jahr gebaut, erklärt Bracke weiter.
Die vorliegende Roadmap stelle den Sachstand zum Thema Erdwärmepumpen in Deutschland zusammen. Es führe die technischen Vorteile und gesellschaftlichen Potenziale aus und benenne die regulatorischen und volkswirtschaftlichen Hemmnisse, die einem flächendeckenden Einsatz in Deutschland im Wege stehen. Aus dieser Zusammenschau hätten die Autoren die Handlungsempfehlungen für die beteiligten Akteure entwickelt, damit die Klimaziele erreicht werden könnten, heißt es in der Pressemitteilung des Fraunhofer IEG vom 09.06.2022:
1. Genehmigungsverfahren: Die Bundesländer sollten ihre pauschalen und weitreichenden Restriktionen überarbeiten, reduzieren und idealerweise bundesweit vereinheitlichen. Insbesondere der vorgeschobene Gegensatz von Gewässerschutz und Geothermie entspreche nicht dem Stand der Technik. Die Genehmigungen müssten nach transparenten Kriterien, zuverlässig und zeitnah erteilt werden.
2. Fachkräfte: Die Ausbildung im Sanitär-, Heizungs- und Klima-Handwerk mit seinen 400.000 Handwerkern müsse die Wärmewende inhaltlich in den Fokus nehmen. Auch das Bohrhandwerk brauche mehr Kapazitäten, es fehlten kurzfristig 2.500 Bohrgeräte und über 6.000 Fachkräfte.
3. Verwaltung: Die Genehmigungsbehörden müssten sich in die Lage versetzen, ziel- und umsetzungsorientiert zu agieren, etwa durch eine vorausschauende Anpassung der Stellenpläne und die konsequente Besetzung dieser Stellen. Weiterbildungsangebote für die Verwaltungsmitarbeiter müssten etabliert werden.
4. Erneuerbar statt fossil fördern: Der Einbau fossiler Heizungen müsse so schnell wie möglich untersagt werden. Bestandsanlagen müssten deutlich vor dem Jahr 2045 ausgetauscht werden. Bund und Länder müssten entsprechende Anreizprogramme jetzt entwickeln. Parallel solle der Gesetzgeber elektrische Energie für Wärmepumpen von Steuern und Abgaben entlasten.
5. Daten: Die vorhandenen geologischen Daten müssten durch die jeweiligen Landesdiensten vervollständigt werden. Die Landesdienste müssten die Daten des Untergrundes bis 200 m Tiefe kurzfristig und diejenigen bis 400 m mittelfristig flächendeckend (offen und digital) bereitstellen.
6. Gesellschaftliche Akzeptanz: Oft schreckten die anfänglich höheren Investitionskosten Immobilieneigentümer ab und versperrten die Sicht auf die geringen langjährigen Betriebskosten, die die Wirtschaftlichkeit der Anlagen dominieren. Aufklärung und gezielte Informationskampagnen durch geeignete Multiplikatoren seien notwendig. Mit einer Modernisierungsoffensive für öffentliche Gebäude sollten Kommunen, Länder und Bund vorangehen und Referenzen für Nachahmer schaffen. Auch private und öffentliche Wohnungsgesellschaften mit großem Bestand müssten motiviert werden, ihren Investitionsbedarf schnell umzusetzen.
Die Roadmap wurde im Auftrag und in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Geothermie (BVG), dem Bundesverband Wärmepumpe (BWP) und der Erdwärme Gemeinschaft Bayern erstellt. Im Geleitwort heißt es: „Die Vorteile der oberflächennahen Geothermie liegen auf der Hand. Sie ist heimisch und grundlastfähig, verbraucht wenig Fläche und verursacht keine Emissionen. Die dringend überfällige Umgestaltung des Wärmemarktes kann durch gezielte Anpassung der Rahmenbedingungen und Förderkulissen mittelfristig erreicht werden“.
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