Energie war lange zu billig
Die Diskussion um steigende Energiepreise nehme immer größere Dimensionen an. Jetzt wolle Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck dem Bundeskartellamt neue Rechte einräumen. Gegen diese angebliche „Willkür“ laufe prompt nicht nur der Handelsverband Deutschland*) Sturm. Die Hitzigkeit, mit der diese Debatte geführt werde, zeigt, worum es dabei wirklich geht: Macht, schreibt Hydrogeit am 30.06.2022 im aktuellen Newsletter. Angestammte Machtkonstellationen würden gerade infolge des unsäglichen Angriffskrieges Putins gegen die Ukraine durcheinandergewürfelt. Die steigende Inflationsrate stelle bisherige Wirtschaftsweisen grundsätzlich infrage.
*) Die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck geplante Verschärfung des Kartellrechts bewertet der Handelsverband Deutschland (HDE) kritisch. Der Verband warnt vor den negativen Folgen eines solchen Eingriffs für den Wettbewerb und spricht sich daher gegen die Einführung missbrauchsunabhängiger Entflechtungsmöglichkeiten sowie kartellrechtlicher Gewinnabschöpfungsansprüche unter erleichterten Bedingungen aus. „Die diskutierte Verschärfung des Kartellrechts ist der falsche Weg. Die Umsetzung der geplanten Maßnahmen würde auf Kosten des Wettbewerbs gehen und damit am Ende den Verbrauchern schaden“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Der Ärger über nach wie vor zu hohe Benzin- und Energiekosten sei zwar nachvollziehbar. Auch der Handel sei hiervon direkt betroffen. „Die Einführung missbrauchsunabhängiger Entflechtungsmöglichkeiten und kartellrechtlicher Gewinnabschöpfungsansprüche ohne Nachweis des Verschuldens halten wir allerdings für einen Irrweg. Entsprechende Maßnahmen passen nicht in unsere Rechtsordnung“, so Genth weiter. Ihrer Einführung müsse eine klare Absage erteilt werden.
Die Bundesregierung versucht Ruhe in die Lage zu bringen, aber die Vertreter von Industrie und Wirtschaft spüren, dass sich derzeit mehr verändert als nur der europäische Leitzins. Immer mehr Akteuren wird gerade klar, dass Energie bisher viel zu billig war. In Zeiten des Öl- und Gasüberflusses gab es für viele keinen wirklichen Anreiz, sparsam mit den fossilen Energieträgern umzugehen, schließlich wurden bislang Umweltschäden und Schadstoffemissionen kaum in Rechnung gestellt. Das ändert sich gerade vehement: Europa will unabhängig werden von russischen Energieimporten. Parallel dazu soll die Transition der Energieversorgung vorangetrieben werden. Das bedeutet, dass gleichzeitig der Mobilitätssektor weitestgehend elektrifiziert wird und zudem die Industrie auf Erneuerbare Energien umsteigt. Klar, dass vor diesem Hintergrund Energie nie mehr so billig sein wird wie früher.
Das gilt auch für Wasserstoff: H2-Kraftstoff wurde bislang in Deutschland zu einem festgelegten Preis abgegeben. Diesen H2-Kilogrammpreis legte vor vielen Jahren die Clean Energy Partnership fest – zunächst auf 8 Euro, dann auf 9,50 Euro. Auf HZwei-Nachfrage erklärte Kurt-Christoph von Knobelsdorff, Geschäftsführer der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) GmbH, dazu beim Auftakt der Hannover Messe: „Es kann durchaus sein, dass dieser politische Preis erst einmal steigen muss, weil sich der auch im Geleitzug der ganzen anderen Kraftstoffpreise bewegt.“
Und so kam es dann auch: Nur einen Tag später erhöhte H2-Mobility erstmals seit Gründung des Unternehmens den H2-Preis. Seit dem 7. Juni kostet ein Kilogramm Wasserstoff an allen von diesem Industriekonsortium betreuten Tankstellen einheitlich 12,85 Euro. Nach Unternehmensangaben liegen die Kosten für die Fahrt mit einem H2-Pkw pro 100 km dennoch „weiterhin unter denen für vergleichbare Fahrten mit konventionellen Kraftstoffen oder mit einem batterieelektrischen Pkw, der eine öffentlich zugängliche Schnelladesäule nutzt“.
Für e-Fuels wurden in Hannover sogar Kraftstoffpreise von 5 Euro pro Liter diskutiert. Diese würden dann allerdings auch nur diejenigen betreffen, die überhaupt e-Fuels nutzen möchten, im Zweifelsfall also die 911er-Fahrer, für die Porsche derzeit in Chile eine Power-to-Gas-Anlage aufbaut. Für reinen grünen Wasserstoff rechnet Ulrich Vögtle, Vice President von MAN Energy Solutions, langfristig eher mit einem Produktionspreis von 1,44 Euro pro Kilogramm bis 2030. Die Hoffnung ist, durch einen raschen Ausbau von Solar- und Windkraftanlagen ausreichend Ökostrom zu erzeugen, um genügend grünen Wasserstoff für alle Sektoren bereitstellen zu können, so dass die Preise sinken.
Der Wille dazu ist da – sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik: Zahlreiche Großkonzerne haben Milliardeninvestitionen in die Wasserstofftechnik angekündigt (Bosch, MAN, Schaeffler, Siemens – s. HZwei-Heft Juli 2022, S. 8. und 9). Damit die Investoren Planungssicherheit haben, werden die Rahmenbedingungen derzeit angepasst. Dies führt naturgemäß zu vehementen Reaktionen (s. o.), weil noch nicht alle gut genug auf diese viel zitierte „Zeitenwende“ vorbereitet sind. Es „ruckelt“, wie Wirtschaftsminister Habeck es formuliert – und das darf es auch. Angesichts der derzeitigen Herausforderungen ist es mehr als verständlich, dass nicht alles glatt läuft. Wäre ja auch verwunderlich, wenn sich niemand aufregen würde, angesichts einer drohenden Hungerkatastrophe infolge von Millionen Tonnen Weizen, die sinnlos in Lagerhallen vergammeln.
Sehr verständlich also, dass die Energiepreise steigen, denn Energie ist ein teures Gut – das wird endlich deutlich. Nicht verständlich ist es hingegen, wenn vor diesem Hintergrund parteipolitische Spielchen betrieben werden. Wenn weltweite Notzeiten ausgenutzt werden, um sich zu profilieren, kann das nur nach hinten losgehen – so wie beim Tankrabatt. Energie ist wertvoll, deswegen sollte achtsam damit umgegangen werden. Kurzfristige Geschenke für Pendler sind da fehl am Platz. Zudem profitieren am Ende die Falschen davon.
- Zielführender wäre eine ehrliche Kommunikation und eine soziale Abpufferung.
- Sinnvoller wäre ein rascher Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, anstatt übervolle Regionalzüge zu provozieren, die eher abschrecken, als den Umstieg vom Auto auf die Bahn zu befördern.
- Ratsamer wäre es, endlich dem Otto- und Dieselmotor Lebewohl zu sagen, statt sich darüber aufzuregen, dass das EU-Parlament für ein Verbrennerverbot ab 2035 votiert hat.
Lange genug wurde gezaudert und gebremst. Jetzt, in Zeiten des Wandels, in denen ohnehin etliche Veränderungen auf uns zukommen, können wir aktiv mitgestalten, können Altes hinter uns lassen und Neues ausprobieren. Das Neue wird nicht sofort perfekt funktionieren. Das macht aber nichts. Es wird sich einruckeln.
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