Strommarkt langfristig vor großen Herausforderungen – Kapazitätsmärkte als mögliche Antwort
Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln (EWI) stellt Gutachten zu einem zukunftsfähigen Strommarktdesign vor
Das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln (EWI) hat im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) ein Gutachten zum Thema ,Zukunftsfähiges Strommarktdesign‘ vorgelegt. „Das Gutachten unterstreicht einmal mehr, dass die Entwicklung eines umfassenden ordnungspolitischen Gesamtkonzepts die vordringliche Aufgabe beim geplanten Umbau des Stromsystems darstellt.“, so kommentiert Marc Oliver Bettzüge, geschäftsführender Direktor des EWI, die Ergebnisse der Studie. „Das Gutachten zeigt auf, dass ein neuartiger Kapazitätsmechanismus ein sinnvoller und wichtiger Bestandteil eines solchen Gesamtkonzepts sein könnte.“, so Bettzüge. Allerdings deuteten die Ergebnisse darauf hin, dass es keinen unmittelbaren Handlungsbedarf gibt, einen solchen Mechanismus kurzfristig einzuführen.
Die Autoren der Studie vergleichen alternative Ausgestaltungsmöglichkeiten für Kapazitätsmechanismen. Unter diesen befürwortet das Gutachten ein „Modell der Versorgungsicherheitsverträge“. Dieses Kapazitätsmarkt-Modell stelle, so Felix Höffler, ebenfalls EWI-Direktor und einer der Autoren der Studie, „ein wettbewerbliches Instrument dar, weil in einem Bietwettbewerb die günstigsten Kapazitäten zum Zuge kommen und gleichzeitig der Spotmarkt für Strom weitgehend unbeeinflusst bleibt“.
Der Mechanismus sieht vor, dass Eigentümer von Erzeugungsanlagen langfristige Kapazitätszahlungen erhalten. Im Gegenzug müssen sie sogenannte Verfügbarkeitsoptionen zeichnen, die ihre Einnahmen aus dem Verkauf von Strom deckeln. „Dadurch wird der Anreiz reduziert, durch die Ausübung von Marktmacht in Knappheitssituationen überhöhte Preise zu erzielen“, betont Höffler einen wichtigen Vorteil dieses Mechanismus. Der Umfang der Kapazitäten wird technisch und administrativ so festgelegt, dass ein aus Gründen der Versorgungssicherheit gewünschtes Niveau an sicher verfügbarer Kapazität gewährleistet wird. Um die Bereitstellung dieser Kapazitäten konkurrieren alle Anbieter von bestehenden und neu zu bauenden Anlagen.
Hintergrund des Gutachtens ist die Befürchtung, dass in der bestehenden Marktorganisation unzureichende Investitionsanreize für Erzeugungs- und Speicheranlagen entstehen könnten, wenn der Anteil fluktuierend einspeisender Erneuerbaren Energien wie geplant stark zunimmt. „Bei Umsetzung der derzeitigen Ausbaupläne für Erneuerbare Energien werden in der Tat ab etwa dem Jahre 2020 Investitionen in sogenannte konventionelle, Back-up‘-Kapazitäten in einer Größenordnung erforderlich sein, deren Finanzierung aus dem herkömmlichen Strommarkt – einschließlich Regelenergie – nicht ohne weiteres erwartet werden kann“, so Mitautor Christian Growitsch. Dies gehe aus einer Modellrechnung hervor, die Bestandteil des Gutachtens ist und als Annahme ein hohes Niveau an gesicherter Kapazität unterstellt. „Die Berechnungen belegen zwar nicht eindeutig, dass die bestehende Marktorganisation zu einem unzureichendem Maß an Versorgungssicherheit führt, liefern aber Hinweise auf signifikant zunehmende Herausforderungen“ sagt Growitsch und ergänzt: .Kapazitätsmechanisrnen, wie die vorgeschlagenen Versorgungssicherheitsverträge, können diesen Herausforderungen begegnen und sicherstellen, dass zu jedem Zeitpunkt ein gewünschtes Maß an Erzeugungskapazität zur Verfügung steht.“
Als Alternative zu mehr konventionellen Kraftwerken und Speichern haben die EWI-Wissenschaftler auch untersucht, in welchem Umfang die Strom nachfrage zukünftig flexibler auf schwankende Angebotssituationen reagieren könnte. Wenngleich das Potenzial erheblich ist, so die Analyse, bleibe doch fraglich, ob allein hierdurch das angestrebte Niveau an Versorgungssicherheit sichergestellt werden kann.
Das Gutachten ist langfristig ausgerichtet und nimmt eine deutschlandweite Perspektive ein. Mögliche regionale Kapazitätsengpässe, die aufgrund von Netzengpässen und dem Fahrplan für den Ausstieg aus der Kernenergie bereits in dieser Dekade und vor allem in Süddeutschland entstehen könnten, sind nicht Gegenstand des Gutachtens. Hierzu besteht weiterer, dringender Analysebedarf, insbesondere mit Blick auf die Einführung einer geographischen Komponente in das auf dem Grundsatz einer einheitlichen Preiszone beruhende deutsche Marktdesign. 20. 04 2012
Thomas Bareiß, Koordinator für Energiepolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, erklärt dazu:
Nur mit tragfähigem Strommarktdesign kann die Energiewende gelingen
Im Rahmen des Kraftwerksforums des Bundeswirtschaftsministeriums wurde mit Verbänden und Ländern über ein zukunftsfähiges Design der Stromgroßhandelsmärkte beraten.
„Es ist richtig, dass schon heute über ein zukünftiges Marktdesign diskutiert wird. Das vorgestellte Gutachten des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln (EWI) ist ein erster wichtiger Schritt zu Beginn dieses Diskussionsprozesses. Es braucht auch zukünftig ausreichend konventionelle Kraftwerkskapazitäten, die die volatile Erzeugung aus erneuerbaren Energien absichert.
Dabei wird es von enormer Bedeutung sein, dass wir eine wettbewerbliche Lösung finden, die dem Wort „Markt“ gerecht wird. Planwirtschaft ist nicht die Lösung, um stabile und effiziente Rahmenbedingungen für neue Investitionen in hocheffiziente und flexible Kraftwerke zu schaffen. Nur mit Wettbewerb können wir die Energiewende sicher und bezahlbar gestalten.
Wir brauchen aber nicht nur eine Diskussion über die Marktbedingungen für konventionelle Energien, sondern auch über die Förderung der erneubaren Energien. Die erneuerbaren Energien müssen zu mehr Markt und Systemverantwortung geführt werden, dazu brauchen wir ein EEG 2.0.“