Kreislaufwirtschaft: Gummibärchen aus Windgeneratorenflügeln

Kombination von Glasfasern mit pflanzlichem und synthetischem Polymer

Windturbinenflügel könnten eines Tages zu süßen Leckereien recycelt werden: Wissenschaftler haben ein neues Verbundharz veröffentlicht, das sich für die Herstellung dieser Giganten eignet und später zu neuen Rotorblättern oder einer Vielzahl anderer Produkte recycelt werden könnte, darunter Arbeitsplatten, Autorücklichter, Windeln und sogar Gummibärchen. Die Forschungsarbeit der Michigan State University wurde am 23.08.2022 im Rahmen der Herbsttagung der American Chemical Society (ACS) vorgestellt und in Scientific American publiziert.

Bald aus Windturbinenflügeln? Gummibärchen – Foto © Alexa auf Pixabay

Windkraft ist zwar eine immer beliebtere Form der Erneuerbaren Energie, die Entsorgung stellt aber mehr und mehr ein Problem dar. Jetzt berichten Wissenschaftler über ein neues Verbundharz: „Das Schöne an unserem Harzsystem ist, dass wir es am Ende seines Verwendungszyklus auflösen können, wodurch es aus seiner Matrix freigesetzt wird, so dass es in einer Endlosschleife immer wieder verwendet werden kann“, sagt John Dorgan, der die Arbeit vorstellte. „Das ist das Ziel der Kreislaufwirtschaft.“

Die aus Glasfaser hergestellten Rotorblätter von Windkraftanlagen können halb so lang sein  wie ein Fußballfeld. Obwohl einige Unternehmen Wege gefunden haben, Glasfasern zu minderwertigen Materialien zu recyceln, landen die meisten ausrangierten Flügel auf Mülldeponien. Dieses Entsorgungsproblem wird sich wahrscheinlich noch verschärfen. „Größere Windturbinenblätter sind effizienter, daher stellen die Unternehmen immer größere Blätter her“, sagt Dorgan. „Oftmals ersetzen Windparks die Turbinenblätter sogar vor Ablauf ihrer Lebensdauer, weil sie mit größeren Blättern mehr Strom erzeugen können“ (Repowering).

Dorgan und Kollegen von der Michigan State University haben ein neues Turbinenmaterial hergestellt, indem sie Glasfasern mit einem pflanzlichen und einem synthetischen Polymer kombiniert haben. Die aus diesem thermoplastischen Harz hergestellten Platten waren stark und haltbar genug, um in Turbinen oder Automobilen verwendet zu werden. Die Forscher lösten die Platten in frischem Monomer auf und entfernten die Glasfasern auf physikalische Weise, so dass sie das Material zu neuen Produkten desselben Typs umgießen konnten. Wichtig dabei ist, dass die neu gegossenen Platten die gleichen physikalischen Eigenschaften wie ihre Vorgänger aufweisen.

Neben neuen Windgeneratorenflügeln könnte das neuartige Harz auch für viele andere Anwendungen eingesetzt werden. Durch Mischen des Harzes mit verschiedenen Mineralien stellte das Team Kunststein her, der zu Haushaltsgegenständen wie Arbeitsplatten und Waschbecken verarbeitet werden kann. „Wir haben vor kurzem ein Waschbecken mit dem kultivierten Stein hergestellt, wir wissen also, dass es funktioniert“, sagt Dorgan. Die Forscher könnten das zurückgewonnene Material auch zerkleinern und mit anderen Kunststoffharzen für Spritzguss mischen, der zur Herstellung von Gegenständen wie Laptop-Hüllen und Elektrowerkzeugen verwendet wird.

Biokunststoff-Mangel

Das Material könnte sogar zu höherwertigen Produkten weiterverarbeitet werden. Durch den Aufschluss des thermoplastischen Harzes in einer alkalischen Lösung wurde Poly(methylmethacrylat) (PMMA) freigesetzt, ein gängiges Acrylmaterial für Fenster, Auto-Rückleuchten und viele andere Gegenstände. Durch Erhöhen der Temperatur des Aufschlusses wurde PMMA in Poly(methacrylsäure) umgewandelt, ein superabsorbierendes Polymer, das in Windeln verwendet wird. Durch den alkalischen Aufschluss entstand auch Kaliumlactat, das gereinigt und zu Süßigkeiten und Sportgetränken verarbeitet werden kann. „Wir haben Kaliumlactat in Lebensmittelqualität zurückgewonnen und daraus Gummibärchen hergestellt, die ich gegessen habe“, sagt Dorgan.

Nachdem die Forscher nun nachgewiesen haben, dass das Harz geeignete physikalische Eigenschaften für Windräder hat, hoffen sie, einige mittelgroße Flügel für Feldversuche herstellen zu können. „Die derzeitige Einschränkung besteht darin, dass es nicht genügend Biokunststoff gibt, um diesen Markt zu bedienen. Es muss also ein beträchtliches Produktionsvolumen in Betrieb genommen werden, wenn wir tatsächlich anfangen wollen, Windturbinen aus diesen Materialien herzustellen“, bemerkt Dorgan.

Dass es einen „Ekelfaktor“ geben könnte, wenn man Süßigkeiten isst, die einmal Teil einer Windturbine waren, glaubt Dorgan nicht. „Ein Kohlenstoffatom, das aus einer Pflanze wie Mais oder Gras stammt, unterscheidet sich nicht von einem Kohlenstoffatom, das aus einem fossilen Brennstoff stammt“, sagt er. „Alles ist Teil des globalen Kohlenstoffkreislaufs, und wir haben gezeigt, dass wir von Biomasse auf dem Feld zu haltbaren Kunststoffen und wieder zurück zu Lebensmitteln übergehen können.“

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