Roadmap für Kreislaufwirtschaft

Machbarkeitsstudie im Auftrag des WWF Deutschland

Die vom Öko-Institut im September 2022 vorgelegte Studie Modell Deutschland Circular Economy will die methodischen und fachlichen Grundlagen für die ökologische und ökonomische Folgeabschätzung von Circular Economy-Maßnahmen in relevanten Schlüsselsektoren zu prüfen. Darauf aufbauend sollen Empfehlungen für die Umsetzung eines Circular Economy-Bewertungsmodells für Deutschland abgeleitet werden. Das Bewertungsmodell soll zur Entwicklung einer Politik-Roadmap für eine Circular Economy in Deutschland beitragen und somit Einfluss auf die vorgesehene nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie nehmen. Solarify dokumentiert Ausschnitte.

Kreislaufwirtschaft – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Die Bundesregierung hat es sich in ihrer Koalitionsvereinbarung zum Ziel gesetzt, eine neue, integrierte Kreislaufwirtschaftsstrategie zu entwickeln. Eine ganzheitliche ökologische und ökonomische Folgeabschätzung einer Circular Economy existiert für Deutschland allerdings noch nicht. Es bedarf einer fundierten wissenschaftlichen Analyse, die Handlungsansätze in allen relevanten Schlüsselsektoren entwickelt und bewertet, dabei ein breites Spektrum von Zieldimensionen betrachtet und Zielkonflikte sowie Wechselwirkungen im Auge behält, um ganzheitlich sinnvolle Pfade zur Zielerreichung aufzuzeigen.

Das Ziel der vorliegenden Studie ist, die methodischen und fachlichen Grundlagen für die ökologische und ökonomische Folgeabschätzung von Circular Economy-Maßnahmen in relevanten Schlüsselsektoren zu prüfen. Darauf aufbauend sollen Empfehlungen für die Umsetzung eines Circular Economy-Bewertungsmodells für Deutschland abgeleitet werden. Das Bewertungsmodell soll zur Entwicklung einer Politik-Roadmap für eine Circular Economy in Deutschland beitragen und somit Einfluss auf die vorgesehene nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie nehmen.

Die hier vorliegende Studie schlägt ein sektorübergreifendes, hybrides Bewertungsmodell zur qualitativen und quantitativen Folgeabschätzung einer umfassenden Circular Economy in Deutschland vor. Im vorgeschlagenen Bewertungsmodell kommen eine Reihe der wichtigsten Methoden und Modelle zum Einsatz, die derzeit angewendet werden. Hierzu gehören:

  • Ökobilanzierung zur Abbildung der Produktperspektive,
  • Materialflussanalyse und Bottom-up-Simulation zur Abbildung der Material-/Grundstoffperspektive
  • sowie die makroökonomische Modellierung zur Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Perspektive (z. B. Environmentally Extended Multiregional Input-Output-Analyse, makroökonomische Modellierung).

Im Bewertungsmodell werden die einzelnen Modelle schwerpunktmäßig für die Fragestellungen eingesetzt, die ihren jeweiligen Stärken entsprechen. Durch die Implementierung von Schnittstellen wird ein hybrides Modellsystem geschaffen, das dazu beiträgt, die Stärken der Modelle zu fördern und deren Schwächen zu überwinden. Das bedeutet, dass es einerseits möglich ist, den systemisch gesamtwirtschaftlichen Kontext der Circular Economy zu verstehen, und andererseits Wirkungen einzelner/alternativer kreislaufwirtschafts- und Technologieoptionen mit hohem Detaillierungsgrad zu untersuchen. Zusätzlich dazu werden, basierend auf den Ergebnissen der vorliegenden Machbarkeitsstudie, entsprechende Modellerweiterungen vorgenommen bzw. ergänzende Analysen durchgeführt, um die Wirkung von Circular Economy-Maßnahmen entlang der definierten Zielkategorien Klimaschutzziele, Biodiversitäts- und Ressourcenschutz und sozioökonomische Wirkungen zu beleuchten.

Diskussion und Ausblick für die Modellierung von Circular Economy

Ein zentraler Vorteil des vorgeschlagenen Bewertungsmodells ist seine methodische Breite und Problemorientierung. Während ein möglichst umfassendes und zugleich konkretes Bild einer Circular Economy in Deutschland gezeichnet werden soll, liegt ein weiteres Ziel in der möglichst genauen Abschätzung der relevanten ökologischen und sozio-ökonomischen Folgen von politischen Instrumenten, die die Circular Economy in Deutschland fördern. Allerdings müssen diese beiden Ziele ausgewogen verfolgt werden, da eine umfassende Betrachtung nicht im gleichen Detailgrad wie eine Einzelbetrachtung stattfinden kann. Zu dieser ausgewogenen Herangehensweise gehört, dass die Maßnahmen zur Förderung der Circular Economy in Deutschland zuerst realistisch definiert und bestmöglich in ihren Folgen quantifiziert werden. Dies beinhaltet nicht nur technische, sondern auch sozio-ökonomische Aspekte.

Beispielsweise zeigen technische Verbesserungen von Produkten keine Wirkung auf ihre Nutzungsdauer, wenn die Nutzer nicht bereit sind, Geräte tatsächlich länger zu nutzen. In diesem Zusammenhang wurden im Rahmen der Machbarkeitsstudie über 100 Maßnahmen in elf Sektoren auch im Hinblick auf ihre Umsetzbarkeit ausgewertet. Die Bewertung, die teilweise nur mit qualitativen Einschätzungen möglich war, vermittelt dennoch ein gutes Bild über die potenziellen Herausforderungen wie Datenverfügbarkeit, Zielkonflikte, marktstrukturelle Voraussetzungen, Verbraucherakzeptanz usw. Die einzelnen Circular Economy-Maßnahmen müssen in einem weiteren Modellierungsschritt korrekt für die verwendeten Modelle parametrisiert werden, um ihre Folgen abschätzen zu können. Hierbei werden auch Umfeldentwicklungen (also die Bedingungen der jeweiligen Maßnahmen) und vielfältige Wechselwirkungen zwischen Circular Economy-Maßnahmen beachtet.

Konkret bedeutet das, dass über 100 Maßnahmen innerhalb der elf Sektoren in eigenen Wirkmodellen (die sich zwischen Sektoren ggfs. überschneiden) so definiert werden müssen, dass klar hervorgeht, welche Inputparameter für die Bestimmung ihrer ökologischen und sozio-ökonomischen Folgen notwendig sind und welche Wechselwirkungen mit anderen Maßnahmen bestehen, die diese Folgen beeinflussen können. Zudem ist die Frage zu beantworten, welche dieser Parameter stark von Umfeldentwicklungen beeinflusst werden und welche vorrangig von den Maßnahmen selbst betroffen sind. Entsprechend sind die prospektiven Szenarien in Abstimmung mit der Auswahl der Maßnahmen zu definieren.

Herausforderungen bestehen insbesondere bei den folgenden Aspekten:

  • Quantifizierung und Skalierung (auf deutschlandweite Ebene) einzelner Effekte:
  • z. B. welcher Anteil aller Haushaltsgeräte eignet sich beispielsweise für eine Lebensdauerverlängerung?
  • Wie groß ist die Verlängerung im Durchschnitt?

Welchen Nachfragerückgang für Neugeräte bedingt sie? Hier werden teilweise Datenlücken durch plausible Annahmen geschlossen werden müssen, die aber auch transparent ausgewiesen werden.

Bestimmung und Quantifizierung relevanter Wechselwirkungen innerhalb einer Maßnahme und Zieldimension:

  • z. B. welche Rohstoffimplikationen hat eine technisch bedingte Lebensdauerverlängerung, die der Nachfragereduktion nach Neugeräten entgegenwirkt?
  • Welchen Rohstoffbedarf haben etwaig notwendige Reparaturdienstleistungen im Vergleich zur Nachfragereduktion?

Bestimmung und Quantifizierung relevanter Wechselwirkungen zwischen Maßnahmen und Zieldimensionen:

  • z. B. führen Lebensdauerverlängerungen zu Verschiebungen der Wertschöpfung zwischen Sektoren, die Auswirkungen auf Rohstoff- und Energienachfrage haben?
  • Führen Einsparungen an einer Stelle zu Ausgaben an anderen Stellen?
  • In welchem Umfang können Induktions- und Reboundeffekte die erwünschten positiven Effekte schmälern?

Adäquate Abbildung relevanter Umfeldentwicklungen innerhalb der Szenarien:

  • Welche technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen sind wahrscheinlich und wie beeinflussen sie die Effekte der Maßnahmen?

Mithilfe des im Rahmen der Machbarkeitsstudie empfohlenen hybriden Ansatzes können die wichtigsten ökologischen und sozio-ökonomischen Einzeleffekte der jeweiligen Maßnahmen präzise abgebildet und Wechselwirkungen innerhalb einzelner Zieldimensionen zu einem großen Teil dargestellt werden. Wechselwirkungen zwischen Zieldimensionen sind hingegen schwerer abzubilden und müssen in iterativen Verfahren abgeschätzt werden. Es gibt beispielsweise kaum empirische Hinweise darauf, wie Unternehmen mit den Ersparnissen aus einer Reduktion der Materialintensität ihrer Produkte umgehen. In solchen Fällen müssen plausible Annahmen getroffen und zusätzliche qualitative Analysen durchgeführt werden, die die Modellrechnungen unterstützen.

Die Prüfung der Plausibilität der Annahmen ist nicht nur für in Betracht gezogene Wechselwirkungen innerhalb und zwischen Zieldimensionen notwendig, sondern für alle Bereiche der Modellierung. Beispielsweise bedarf es ebenfalls einer Validierung der Definition der Maßnahmen, der Methodenwahl, der Bestimmung der Inputparameter zu Referenzprodukten und Alternativen, sowie der Auswahl relevanter Umfeldentwicklungen. Während diese in unterschiedlicher Weise bedacht und mithilfe des vorgeschlagenen hybrides Bewertungsmodells auch quantitativ implementiert werden können, bieten die Modellierungsannahmen immer gewisse Diskussionsspielräume und Anlass zu Kritik.

Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass die Umsetzung der Modellierung nicht nur weitere Experten und Stakeholder bei der Festlegung von Annahmen und Modellierungsparametern einbezieht, sondern auch möglichst hohe Transparenz bei der Dokumentation der Annahmen und verwendeten Daten gewährleistet. Ferner kann mit Sensitivitätsanalysen untersucht werden, inwiefern Abschätzungen und Annahmen die Ergebnisse der ermittelten Folgen beeinflussen. Insgesamt besteht Konsens darüber, dass es unrealistisch ist, die Komplexität einer ganzheitlichen Circular Economy in Deutschland in einem Modell vollumfänglich abzubilden. Wichtig ist die Nachvollziehbarkeit der Modellierungsparameter und der unterstellten Wirkungszusammenhänge, vor allem wenn sie die Grundlage für die Entwicklung einer Politik-Roadmap liefern sollen.

Zusammenfassend kann auf der Grundlage der Ergebnisse der vorliegenden Machbarkeitsstudie der Schluss gezogen werden, dass das Modell Deutschland Circular Economy grundsätzlich im Sinne der vom WWF verfolgten Zielsetzung umsetzbar, wenngleich anspruchsvoll ist und einiger Voraussetzungen bedarf. Es konnte gezeigt werden, dass die Verbindung der Sektor-, der Produkt- und der Materialperspektive zwar komplex, aber anhand des hybriden Modellansatzes machbar ist. Daneben wurden aus elf Sektoren Maßnahmen zusammengetragen, die dazu geeignet sind, die Kreislaufwirtschaft in Deutschland effektiv zu fördern, und deren Auswirkungen durch Bündelung einzelner Maßnahmen zu konsistenten und kohärenten Szenarien in ihren ökologischen und ökonomischen Auswirkungen quantitativ abzubilden. Zu den hier relevanten Kenngrößen wurde in dieser Vorstudie ein Vorschlag erarbeitet.

->Quellen: