Greta Thunberg: Deutsche AKW sollen statt Kohle weiterlaufen – merkwürdige Reaktionen

Abschalten wäre „Fehler“

Die Klima-Aktivistin Greta Thunberg hat bei Maischberger kritisiert, dass die Bundesregierung deutsche Kohlekraftwerke wieder hochfahrern und nicht die verbliebenen drei Atomkraftwerke weiter laufen lassen will – über die AKW sagt die 19-Jährige:  „Wenn sie schon laufen, glaube ich, dass es ein Fehler wäre, sie abzuschalten und sich der Kohle zuzuwenden“, so die Gründerin der Bewegung „Fridays for Future“ (FfF) am 12.10.2022 in einem bereits Anfang Oktober in Stockholm geführten Interview mit der ARD-Moderatorin. Die Reaktionen darauf sind vielfältig und kennzeichnend – vor allem die der Gegner von FfF.

Nicht mehr am Netz – AKW Philippsburg – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Laut Thunberg ist es eine schlechte Idee, auf Kohle zu setzen, solange „das andere“ noch existiere. Auf die Frage, ob die deutschen AKW nach der aktuellen Krisenphase überhaupt abgeschaltet werden sollten, hielt sich Thunberg bedeckt: „Kommt drauf an, was passiert.“ Entsprechend beantwortetete sie die Frage Maischbergers, ob Atomkraftwerke für den Klimaschutz aktuell die bessere Wahl wären, denn auch nicht klar.

Sie betonte vor allem, wie wichtig Erneuerbare Energien als Alternative zu Kohlekraftwerken seien. Und sie warnte davor, weiter in fossile Energieträger zu investieren – auch wenn sie die Notwendigkeit verstehe, die Bürger vor hohen Energiekosten zu schützen. Die Menschen hätten sich aber auch „selbst abhängig gemacht und eine Gesellschaft geschaffen, in der wir nicht in der Lage sind, mehr als ein Jahr in die Zukunft zu schauen“, sagt die 19-Jährige. „Das ist nicht nachhaltig.“ (Kompletter Text auf: br.de/greta-thunberg-abschalten-deutscher-akw-waere-fehler)

Von den bisherigen Kritikern sofort vereinnahmt: „Plötzlich die Jeanne d’Arc von FDP und CDU“

Viele derjenigen, die Thunberg bisher stets von oben herab belächelten, nahmen sie sofort bergeister in Anspruch. FAZ-Feuilleton-Redakteuerin Petra Ahne spießte das sarkastisch auf: „Er begrüße ihren Zuspruch für die FDP-Position, twitterte Christian Lindner. Friedrich Merz antwortete im Fernsehen auf die Frage, wie lange deutsche Atomkraftwerke seiner Meinung nach noch laufen sollten: ‚So wie Greta Thunberg das auch sieht, mindestens bis Ende 2024‘. Das hatte sie allerdings gar nicht gesagt, und auch in keiner Weise den Eindruck erweckt, dass sie für Atomkraft generell für eine gute Idee halte. Sie hält sie nur für die weniger schlechte Idee, wenn die Alternative ist, länger Kohle zu verfeuern.“ (faz.net/greta-thunberg-und-die-atomkraft-tv-kritik-zu-sandra-maischberger)

„Greta Thunberg hält den vorläufigen Weiterbetrieb deutscher Kernkraftwerke für richtig. Und auf einmal erklären FDP und CDU die schwedische Klimaaktivistin zu ihrer Botschafterin. Die Verlegerin Elisabeth Ruge meint: ‚Das ist unfreiwillig komisch’“. (Deutschlandfunk Kultur)

„Schwerer Schlag gegen die Grünen“

Bei einer Civey-Umfrage im Internet stimmten 58 Prozent der Antworten Thunberg zu. Im Focus feierte Ex-FAZ- und Focus-Online-Autor Hugo Müller-Vogg (von der er bisher eher wenig gehalten  hatte) die Thunberg-Äußerung als „schweren Schlag. Zwar kann niemand ernsthaft bestreiten, dass die Verfeuerung von Stein- und Braunkohle das Klima ungleich stärker belastet als der Betrieb von Kernkraftwerken“, so HMV selbstgewiss, um dann polemisch zu werden: „Doch ist der Kampf gegen Atomkraft für die Öko-Partei Teil ihrer DNA. Gegen quasi-religiöse Überzeugungen helfen eben keine Argumente. Der Ausstieg aus der Kernenergie war aus Sicht der Grünen ihr wichtigster Erfolg in der rot-grünen Koalition. Sie haben das öffentliche Klima so deutlich mitgeprägt, dass die Deutschen – Klima hin, Klima her – das Weiterlaufen der Kohlekraftwerke gerne hinnahmen, wenn nur die Atommeiler endlich stillgelegt würden. Dass es unter ökologischen Gesichtspunkten viel vernünftiger gewesen wäre, zuerst mit der Energiegewinnung aus Kohle Schluss zu machen, hat kaum jemanden interessiert. Das Naheliegende wurde auf dem Altar der Anti-AKW-Ideologie geopfert.“ Die Grünen klammern sich, so versteht es HMV, daran, den Atomausstieg schnellstmöglich zu beenden. Wem nicht mehr viel einfällt, der ruft „religiöse Sekte!“ und „Fanatismus!“ -„Ungeachtet aller aktuellen Energieprobleme klammern sich die Grünen mit einem an religiöse Sekten erinnernden Fanatismus an das Ziel, den Atomausstieg schnell zu vollenden – koste es, was es wolle. Zu mehr als einem Reservebetrieb von zwei Meilern konnten sie sich bisher nicht durchringen – und das auch nur bis April 2023. Ihre Position, das Kraftwerk Emsland auf alle Fälle zum Jahreswechsel stillzulegen, wurde zudem von einer hinreichend großen Minderheit unter den niedersächsischen Wählern bei der Stimmabgabe gutgeheißen.“

Die von HMV immer verächtlich belächelte 19-jährige Greta Thunberg hat – jetzt auf einmal – „mit ihrem Einsatz zur Klimarettung manches erreicht, Menschen in vielen Ländern mobilisiert, Politiker nachdenklich gemacht“. Aber jetzt: „Ausgerechnet Greta Thunberg gibt nun der FDP Rückenwind. Thunberg & Lindner Arm in Arm gegen die Grünen – selbst phantasiebegabte Grüne hätten sich niemals vorstellen können, dass es einmal so weit kommt.“ Da könne man („man“ ist HMV…) nur sagen: „It’s the reality, stupid!“

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