Projekt OceanNETs: Alkalinisierung des Ozeans

Hilft chemische CO2-Bindung gegen Ozeanversauerung?

Wenn man Mineralien wie Silikat oder auch Kalk zerkleinert und verteilt, binden sie im Verwitterungsprozess CO2. Für die chemische Bindung von Kohlendioxid werden alkalische Substanzen, zum Beispiel Silikat oder Kalk direkt ins Oberflächenwasser des Ozeans eingeleitet. Die Mineralien können an Land in Minen abgebaut, per Schiff aufs Meer transportiert und dort im Wasser verteilt werden. Bei Anwendung dieser Methode etwa im Projekt Projekt OceanNETs könnte der Ozean nicht nur mehr CO2 aufnehmen, als positiver Nebeneffekt würde dies zugleich der Ozeanversauerung entgegenwirken – so das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Grundsätzlich gibt es weltweit ausreichend Mineralien, um damit alle CO2-Emissionen zu binden. Diese müssten abgebaut und zu einem feinen Pulver zermahlen oder chemisch aufbereitet werden, damit sie sich schnell im Wasser auflösen und mit dem CO2 reagieren.

2010, Kongsfjord, Spitzbergen: Erster Mesokosmen-Einsatz in der Arktis, die am stärksten von Ozeanversauerung bedroht ist – Foto © Signe Klavsen, GEOMAR

Mehr als 1 t Gestein für 1 t CO2

Für diese chemische Neutralisation wird pro Tonne CO2 mehr als eine Tonne Gestein benötigt. Damit die beschleunigte Verwitterung einen globalen Effekt erreicht, müsste für die benötigte Menge an Mineralien ein ganz neuer Bergbau und eine indu­strielle Fertigung in großer Dimension aufgebaut werden. Bisher ist unklar, wie das Gesteinsmehl auf marine Ökosysteme wirken würde. Neben Risiken durch möglicherweise toxische Verunreinigungen müssen auch ökologische Effekte von Gesteinsstaub, zum Beispiel der Effekt von erhöhtem pH und vermindertem CO2-Partialdruck untersucht werden.

Mit Gesteinsmehl gegen den Klimawandel

Das Projekt OceanNETs erforscht im norwegischen Raunefjord die Chancen und Risiken der Ozeanalkalisierung. Für das Langzeit-Experiment setzen die Forschenden die am GEOMAR entwickelten KOSMOS Mesokosmen ein, eine Art übergroßer Reagenzgläser mit 20 Metern Länge und einem Durchmesser von zwei Metern. In den abgeschlossenen Behältern wird der pH-Wert des Meerwassers durch die gezielte Zugabe von Mineralien erhöht. Diese so genannte Alkalinisierung wirkt nicht nur der Ozeanversauerung entgegen, sondern erhöht auch das Potential des Ozeans, CO2 zu binden. Regelmäßige Probennahmen und Messungen dokumentieren die chemischen und biologischen Veränderungen in den Mesokosmen über einen Zeitraum von etwa acht Wochen.

Das untersuchte Verfahren ist einem natürlichen Prozess nachempfunden: In der freien Natur sind Mineralien aus Gesteinen und Böden für die Alkalinität von Gewässern verantwortlich. Im Experiment werden gelöschter Kalk – stellvertretend für kalziumbasierte Mineralien – und Magnesium-Silikat – als Vertreter für siliziumhaltige Mineralien – zur Alkalinisierung genutzt, da sie frei von Unreinheiten regulärer Mineralien sind und sich zudem leichter im Wasser lösen. Das Experiment soll klären, wie effektiv hierdurch zusätzliches CO2 gebunden wird, welche der beiden Substanzen bessere Ergebnisse erzielt und vor allem, wie sich die Ozean-Alkalinisierung auf marine Lebensgemeinschaften auswirkt.

RETAKE – CO2-Entnahme durch Alkalinitätserhöhung

Der Verbund RETAKE im Rahmen der Forschungsmission CDRmare untersucht die Potenziale, Machbarkeit und Nebenwirkungen verschiedener Möglichkeiten der atmosphärischen CO2-Entnahme durch marine Alkalinitätserhöhung (AE). In Labor- und Mesokosmenexperimenten wird AE unter realistischen Bedingungen für benthische und pelagische Systeme mit Fokus auf Nord- und Ostsee untersucht. Mit numerischen Modellen werden der Einsatz von AE in deutschen Hoheitsgewässern und anderen Meeresgebieten simuliert und lokale experimentelle Ergebnisse auf regionale bis globale Skalen extrapoliert. Aspekte der Permanenz, der Bilanzierung sowie der Überwachung, des Nachweises und der Attribution der CO2-Entnahme werden vor dem Hintergrund natürlicher Variabilität untersucht. Eine Analyse ökonomischer Aspekte sowie der Relation zu den UN Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) komplettiert die umfassende Bewertung von AE. Mit dem so generierten Handlungswissen sollen Entscheidungsträger über Machbarkeit, Potenzial und Umweltrisiken mariner Alkalinitätserhöhung informiert werden.

->Quellen und weitere Informationen: