MENA-Fuels: Studie veröffentlicht wegweisende Ergebnisse für Nahen Osten und Nordafrika
Wo werden zukünftig grüner Strom und synthetische Kraftstoffe (Synfuels) produziert? Zu welchen Kosten können diese erzeugt werden? Und welcher Teil der Nachfrage kann heimisch erzeugt und wie viel muss importiert werden? Dies haben das Wuppertal Institut, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und das Institut für ZukunftsEnergie und Stoffstromsysteme (IZESgGmbH) innerhalb einer umfangreichen Studie am Beispiel des Nahen Ostens und Nordafrika untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass in dieser Region langfristig sehr große kostengünstige (Export-)Potenziale für grünen Strom, Wasserstoff und Synfuels bestehen. Die Berücksichtigung von Investitionsrisiken habe jedoch einen signifikanten Einfluss auf deren Kosten und damit auf die Wahl der potenziellen Exportländer, heißt es in der gemeinsamen Presseerklärung vom 07.12.2022.
Die vergangene UN-Klimakonferenz in Ägypten habe noch einmal sehr deutlich gemacht, wie zentral es sei, die Umsetzungsgeschwindigkeit von Klimaschutzmaßnahmen deutlich zu erhöhen, um den globalen Temperaturanstieg noch auf deutlich unter 2 Grad Celsius begrenzen zu können. Insbesondere im Verkehrssektor seien dafür deutlich stärkere Anstrengungen notwendig als bisher. Neben verhaltensbedingten Maßnahmen, die die Verkehrsleistungen reduzierten, stünden zwei technische Strategien im Vordergrund: einerseits die direkte Elektrifizierung des Verkehrs auf Basis erneuerbarer Energien (Elektromobilität), andererseits die indirekte Elektrifizierung über die Nutzung synthetischer, gasförmiger und flüssiger Kraftstoffe, die aus grünem Wasserstoff hergestellt werden (Synfuels), so die Institute.
Doch woher kommt zukünftig der Strom aus erneuerbaren Energien, um die Nachfrage nach Wasserstoff und Synfuels zu decken? Zu welchen Kosten könnten diese erzeugt werden? Und welchen Anteil müsste Deutschland und die Europäische Union (EU) importieren? Wieviel könnte heimisch erzeugt werden? Diesen und ähnlichen Fragen gingen die Wissenschaftler*innen des Wuppertal Instituts, des DLR und des IZES in ihrem dreieinhalbjährigen Projekt nach, welches vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert wurde. Sie fragten insbesondere, welche Rolle zukünftig der MENA-Region (Middle East and North Africa) bei der Versorgung Deutschlands und der EU zukommen würde.
Kernergebnisse der MENA-Fuels-Studie
Ein zentrales Ergebnis ist, dass in der MENA-Region sehr hohe technische Potenziale für Wasserstoff und Synfuels vorhanden sind. Im Mittel sind diese um den Faktor 60 bis 1.200 höher als der potenzielle Bedarf in Deutschland. Dabei wurde der mögliche Eigenbedarf der MENA-Länder schon eingerechnet. In den günstigsten Standorten liegen die Kraftstoff-Gestehungskosten im Jahr 2030 unter positiven Bedingungen bei 1,92 bis 2,65 Euro pro Liter und im Jahr 2050 bei 1,22 bis 1,65 Euro pro Liter.
Eine zentrale Voraussetzung für Importe aus der MENA-Region sei jedoch, dass die Erneuerbaren dort zunächst primär für die Abdeckung der weiter ansteigenden lokalen Stromnachfrage stark ausgebaut werden müssten. Erfahrungen aus der Vergangenheit hätten gezeigt, dass allein auf den Export ausgerichtete Ausbaustrategien erneuerbarer Energien nicht zuletzt aus Mangel an Akzeptanz vor Ort zum Scheitern verurteilt seien. Der Blick auf die Potenziale müsse also immer vorrangig die inländische Versorgung berücksichtigen, so die Autoren der Studie.
Die Analyse zeigt weiterhin, dass in der Bewertung möglicher Export-Potenziale nicht nur die Herstellungskosten, sondern auch das Investitionsumfeld entscheidend ist. Indem im Gegensatz zu anderen Untersuchungen erstmals individuelle Länderrisiken für die betrachteten Länder berücksichtigt und in Kosten-Potenzial-Analysen einbezogen wurden, konnten die Forschenden zeigen, dass diese einen signifikanten Einfluss auf die resultierenden Gesamtkosten des Wasserstoffs und seiner Folgeprodukte und damit auf die Auswahl potenzieller Exportländer haben.
PD Dr. Peter Viebahn, Co-Leiter des Forschungsbereichs Sektoren und Technologien am Wuppertal Institut und Leiter der MENA-Fuels-Studie, sagt: „Unabhängig von den reinen Kostengrößen spielt die Planungssicherheit für Investoren eine zentrale Rolle. Es kommt daher darauf an, dass langfristige stabile politische Rahmenbedingungen für einen Markt von grünem Wasserstoff sowie synthetischen Folgeprodukten geschaffen werden. Gleichzeitig spielen politische Stabilität und Investitionsrahmenbedingungen in den potenziellen Produzentenländern der MENA-Region eine entscheidende Rolle.“
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die auf einem weltweiten Handelsmodell basierende komplementäre Analyse des IZES, die auch eine Vielzahl weiterer Länder außerhalb der MENA-Region berücksichtigt. Juri Horst, Projektleiter am IZES, betont: „Unser Handelsmodell zeigt, dass MENA-Länder trotz geringer Erzeugungskosten und sehr großer Exportpotenziale nur dann interessante Partner für Deutschland oder die EU wären, wenn die Kapitalkosten, die sehr stark durch den anzulegenden Zinssatz bestimmt werden, in die auch Risikofaktoren eingehen, für Investoren ein Niveau erreichen, das zu einem wirklichen Wettbewerbsvorteil führt. Andernfalls könnte es für die EU aus Kostengesichtspunkten sinnvoller sein, sich weitgehend selbst zu versorgen oder bei globaler Öffnung und Verfügbarkeit Länder in Amerika und Ozeanien als Handelspartner für die EU eine zunehmend wichtige Rolle spielen.“
->Quelle: Wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/7952