Windräder in Wäldern beeinträchtigen bedrohte Fledermausarten

Kollisionsrisiko und Lebensraumverlust

Um Klimaschutzziele zu erreichen, boomt in Deutschland der Ausbau Erneuerbarer Energien – vor allem der Windkraft. Mehr als 30.000 Anlagen wurden bislang auf dem Festland installiert, soeben wurden neue Meeresgebiete ausgewiesen (s.u.), jetzt beginnt ein Ringen um weitere, rarer werdende, geeignete Standorte: Auch Wälder als Standorte werden interessant. Ein Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) wies allerdings am in einem Aufsatz in der Fachzeitschrift Current Biology nach, dass die Windenergieerzeugung an diesen Standorten mit erheblichen Nachteilen für bedrohte Fledermausarten verbunden sein könnte.

Windgenerator im Wald – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Große Abendsegler (Nyctalus noctula) sind vermehrt an Windkraftanlagen in Wäldern anzutreffen, wenn diese in der Nähe von ihren Quartieren stehen und laufen ein hohes Kollisionsrisiko. Fern der Quartiere meiden Große Abendsegler jedoch die Anlagen – ein Lebensraumverlust für diese Art. Sie leiden den Ergebnissen der Untersuchung nach doppelt unter dem Windenergieausbau in Wäldern: Sie sind der wachsenden Gefahr ausgesetzt, mit den Anlagen zu kollidieren und dadurch getötet zu werden, wenn diese in der Nähe von Fledermausquartieren gebaut werden, und sie verlieren einen Teil ihres Jagdlebensraumes, da sie die Anlagen fern ihrer Quartiere meiden. In seinem Aufsatz folgert das Team aus den Resultaten, dass der Windkraftausbau in Wäldern mit großer Sorgfalt und Umsicht erfolgen sollte. Zu Quartierstandorten von Fledermäusen sollte ein Mindestabstand von 500 m eingehalten und der verursachte Lebensraumverlust kompensiert werden, indem an anderer Stelle Wälder aus der Nutzung genommen werden.

Die Windenergieproduktion ist ein wichtiges Standbein für die Energiewende in Deutschland und leistet einen erheblichen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Mehr als acht Prozent der Windkraftanlagen in Deutschland befinden sich bereits in Wäldern. Ihr Anteil soll in den nächsten Jahren deutlich zunehmen, weil geeignete Standorte in der offenen Fläche rar werden. „In Wäldern kommt eine Vielzahl von Fledermausarten vor, da es hier viele Baumquartiere und zudem viele geeignete Jagdlebensräume mit hohen Insektenvorkommen gibt“, sagt Christian Voigt, Leiter der Abteilung für Evolutionäre Ökologie am Leibniz-IZW. „Darunter sind auch Arten wie der Große Abendsegler, der in Deutschland am häufigsten an Windkraftanlagen zu Tode kommt. Laut dem Bundesamt für Naturschutz nehmen die Bestände dieser Art deutschlandweit ab. Es ist deshalb dringend geboten, die Interaktion der Fledermäuse mit den Windkraftanlagen im Wald genauer unter die Lupe zu nehmen.“

Die Bundesregierung ebnet den Weg für den flächendeckenden Ausbau der Windenergie in Nord- und Ostsee. Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) veröffentlichte neue Gebiete für Windparks. Damit soll das Ziel erreicht werden, bis 2030 mindestens 30 Gigawatt Leistung auf den Meeren zu installieren. Dies würde bedeuten, dass dann fast 15 Prozent des deutschen Stromverbrauchs allein von den Offshore-Kraftwerken geliefert würden. Der Plan legt zudem die Basis dafür, dass das Ziel von 40 GW Leistung bis 2035 um 10 GW übertroffen werden kann. (tagesschau.de/windenergie-bundesamt)

Voigt und seine Kolleg:innen untersuchten das Raumnutzungsverhalten von Großen Abendseglern mit Hilfe miniaturisierter GPS-Logger. Diese dokumentierten die Flugpfade von 60 Großen Abendseglern mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung über 1-2 Nächte, bevor sie selbständig wieder vom Tier abfielen. „Wir stellten fest, dass Große Abendsegler besonders dann mit hoher Wahrscheinlichkeit Windkraftanlagen anflogen, wenn diese in der Nähe von Fledermausquartieren standen“, sagt Voigt. Fledermäuse nutzen exponierte Strukturen oftmals als sozialen Treffpunkt. Vermutlich fliegen sie deshalb vermehrt Windkraftanlagen über den Baumkronen an, wenn die Anlagen in der Nähe von Quartieren stehen. Dies birgt ein hohes Risiko für die Tiere, mit den Rotorblättern zu kollidieren. „Windkraftanlagen müssten demnach in ausreichender Entfernung zu bestehenden Baumquartieren aufgestellt werden“, fordert Christine Reusch, Erstautorin des Aufsatzes. „Da Quartiere jedoch auch neu entstehen können, besteht die Gefahr, dass vermeintlich sichere Windkraftanlagen, die während der Genehmigungsphase in ausreichend großem Abstand zu Fledermausquartieren aufgestellt wurden, später zur Todesfalle werden“, schließt Reusch.

Die Autor:innen stellten auch fest, dass die Großen Abendsegler jenseits von Baumquartieren die Windkraftanlagen mieden. Hierzu führten sie eine Datenanalyse durch, in der alle Ortungen in der Nähe von Quartieren unberücksichtigt blieben. Diese Analyse ergab, dass Fledermäuse jenseits von Quartieren Windkraftanlagen meiden. „Was sich nach einer guten Nachricht anhört, birgt auch ein Problem“, sagt Voigt. „Durch das Meidungsverhalten verlieren Große Abendsegler wichtige Jagdlebensräume.“ Die Forschenden empfehlen daher, Windkraftanlagen erstens nicht in Wäldern aufzustellen und zweitens besonders achtsam zu sein, falls es keine Alternativen gibt. Es sollte ein Mindestabstand von 500 m zwischen Windkraftanlagen und bekannten Fledermausquartieren in den Genehmigungsverfahren berücksichtigt werden und der Lebensraumverlust in der Nähe der Windkraftanlagen an anderer Stelle kompensiert werden. Ein naturverträglicher Ausbau ist angesichts der komplexen Interaktion der Fledermäuse an Windkraftanlagen in Wäldern eine große Herausforderung, so Voigt und Reusch.

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