„Nicht konsequent zu Ende gedacht“

Anhörung zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende

Mit dem Gesetzentwurf zum „Neustart der Digitalisierung der Energiewende“ (GNDEW – 20/5549) will die Bundesregierung den Einbau intelligenter Strommessgeräte schneller voranbringen. Diese sollen dabei helfen, Energie effizient und kostengünstig zu nutzen und das Stromnetz zu entlasten. Am 15.03.2023 befasste sich der Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie – so der parlamentseigene Pressedienst heute im bundestag – in einer öffentlichen Anhörung mit dem Gesetzentwurf von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP.

Bundestagsausschuss – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Strom werde der zentrale Energieträger der Zukunft sein, der Strombedarf sich bis 2045 verdoppeln. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf trage die Regierung der Dringlichkeit des Vorhabens Rechnung und schaffe die Grundlage für den massentauglichen Rollout intelligenter Messsysteme, stellte Mark Becker-von Bredow, Bereichsleiter Elektrifizierung und Klima bei ZVEI e.V. eingangs fest. Die Kosten für die moderne Messeinrichtung beim Endkunden auf 20 Euro zu begrenzen, stärke die Akzeptanz. Handlungsbedarf sehe er aber unter anderem beim Eichrecht. Da brauche es Änderungen, die einen agilen Rollout und die schnelle Umsetzung von Software-Updates unterstützen. Derzeit würden für Software-Updates der Smart Meter Gateways (SMGW) zusätzliche Freigaben durch die jeweils verantwortlichen Landeseichbehörden erforderlich.

„Gute Ansätze“ bescheinigte Tobias Boegelein, Softwareentwickler bei Bits & Bäume dem Gesetzentwurf. Diese würden jedoch nicht konsequent zu Ende gedacht. So entstünden unnötige Kosten bei der Installation der Gateways. Die SMGW sollen Konsumenten dazu bewegen, Strom aus den Netzen abzunehmen, wenn dieser aus erneuerbarer Energie und damit günstig verfügbar sei. Die dafür vorgesehenen dynamischen Tarife aber sollen sich nach dem bundesweit gehandelten Börsenstrompreis richten – das sei sozial ungerecht, denn schon jetzt verbrauchten finanziell starke Haushalte sehr viel mehr Strom und würden somit auch am meisten profitieren. Kritisch sieht Boegelein auch den Umstand, dass die geplante Nutzungsaufzeichnung von Privathaushalten in Viertelstundenabschnitten detaillierte Schlüsse zu Personen und Lebensstilen zulasse. Das sei unnötig und unverhältnismäßig.

Für Alwin Burgholte, Professor em. an der Jade Hochschule Wilhelmshaven geht es bei dem Gesetz offensichtlich darum, „politische Interessen zur Umsetzung der Energiewende zu befriedigen und dieses in einer nicht zu realisierenden kurzen Übergangsfrist“. Technische Fakten wie fehlende Speicherkapazitäten für Zeiten mit wenig Wind und Sonne würden zum Beispiel nicht berücksichtigt.

Der vorliegende Gesetzentwurf räume nach Jahren des Stillstands in Sachen Digitalisierung endlich eine Reihe von Stolpersteinen aus dem Weg, sagte Felix Dembski; Vice President Regulatory der sonnen GmbH. Allein die drohende Pflicht, nahezu die gesamte digitale Kommunikation über das SMGW abwickeln zu müssen, bereite ihm Sorgen. Denn das Gateway sei technisch nicht darauf vorbereitet, eine kaum abzuschätzende Menge an Daten zu übermitteln.

Thomas Seltmann, Referent Solartechnik & Speicher beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) äußerte sich diesbezüglich ähnlich skeptisch: Er sprach von einem „Sonderweg“, den Deutschland mit dem Ansatz einschlage, die Übertragung von Messdaten mit der Steuerung eines dezentralen Stromsystems verpflichtend über ein Messsystem zu koppeln. Diesen Weg halte er für nicht sinnvoll. Ihm scheinen die 900 grundzuständigen Messstellenbetreiber „weder organisatorisch noch fachlich dafür aufgestellt, einen Großteil der digitalen Kommunikation aller Erneuerbare-Energie-Anlagen im Land abzuwickeln“.

Die Digitalisierung stelle neben der Energieeffizienz und dem Ausbau der erneuerbaren Energien einen Eckpfeiler der Energiewende dar, sagte Thomas Engelke, Leiter des Teams Energie und Bauen der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Die Nutzung von SMGW biete die Möglichkeit, den Energieverbrauch sowie die Kosten für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu senken. Bisher allerdings lohne sich das nicht für die privaten Haushalte, weil die Kosten für Einbau und Betrieb der Smart Meter die möglichen Einsparungen überstiegen. Engelke begrüßte deshalb, dass die Kosten bei 20 Euro gedeckelt seien, und fordert, die Preisobergrenzen frühestens im Jahr 2027 zu erhöhen und dies um maximal zwei Prozent pro Jahr. Zudem sollten die bei den Netzbetreibern anfallenden Kosten aus Steuergeldern finanziert und nicht auf die Netzentgelte umgelegt werden.

Diese Kosten sind es vor allem, die auf Seiten der Messstellenbetreiber für Kritik sorgen. Für Oliver Pfeifer von der Netze BW GmbH macht das Thema zentrale Anpassungen am Gesetzentwurf notwendig. Pfeifer nennt das Eichrecht, die Aufnahme einer Verordnungsermächtigung für die Bundesnetzagentur zur unmittelbaren Berücksichtigung der zusätzlichen neuen Kosten in den Erlösobergrenzen der Netzbetreiber – und die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit bei den Messstellenbetreibern.

Auf diese Probleme weisen auch andere Experten hin. Die von Friedrich Rojahn, Geschäftsführer der Solandeo GmbH an vorgebrachten Verbesserungsvorschläge gehen in die gleiche Richtung: Preisobergrenzen (POG) müssten realitätsnah sein, erstellt auf Basis von aktuellen, realistischen Kostenanalysen. Momentan würden POG angewendet, die auf einer Studie aus 2013 (aktualisiert 2014) basierten. Im Gesetzentwurf würden zudem die verpflichtenden Zusatzleistungen des Messstellenbetreibers erheblich ausgeweitet, ohne dass die Kosten fair verteilt würden. Und drittens: Es wäre dafür zu sorgen, dass Messstellenbetreiber auf eine breite Auswahl von Technologielieferanten zurückgreifen können. Angesichts von nur vier zertifizierten Herstellern von Smart Meter Gateways und einer vergleichbar kleinen Anzahl von Softwareanbietern für die Gateway Administration (GWA) sei das seit Jahren nicht der Fall.

Ähnlich ließen sich dann auch noch Marco Sauer, Head of Regulatory Affairs & Business Development der Theben AG und Rainer Stock, Bereichsleiter Netzwirtschaft beim Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) ein. Sauer nannte als wichtigste Anpassungen am GNDEW „die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit für den Messstellenbetreiber“und „die Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit für den Verteilnetzbetreiber“.

Rainer Stock vom VKU nannte diese Punkte, „die aus dem eigentlichen Gesetzgebungsverfahren ausgeklammert wurden“, die problematischsten. Zwar ermögliche das GNDEW zum Beispiel alle vier Jahre eine Anpassung der Preisobergrenzen durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, doch nehme dieses selbst keine Anpassung an ihnen vor. Genauso werde auch eine Anerkennung der durch die Aufteilung der POG für die Netzbetreiber entstehenden Kosten nicht geregelt.

Ernesto Garnier, CEO und Gründer der EINHUNDERT Energie GmbH, hob hervor, dass die Versorgung von Wohn- und Gewerbequartieren mit Photovoltaikanlagen (PV) weit hinter den Erwartungen zurückliege. Um das zu ändern, schlage er zwei Ergänzungen des GNDEW vor, „die eine erhebliche Beschleunigung des PV- und Wärmepumpen-Rollouts in Quartieren mittels Digitalisierung ermöglichen würden“ – und das ohne systemische Mehrkosten oder Subventionen„: So lasse sich mit einem virtuellen Summenzähler überflüssige Messtechnik – und mit der Eingrenzung der Anlagenzusammenfassung Steuertechnik einsparen. (hib/MIS)

->Quellen: