Erarbeitung einer nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie
Bereits am 04.05.2023 hat Deutschland alle natürlichen und regenerierbaren Ressourcen für dieses Jahr aufgebraucht (siehe solarify.eu/deutschland-erreicht-am-4-mai-overshoot-day). Anlässlich des diesjährigen Erdüberlastungstags veröffentlicht die Deutsche Umwelthilfe (DUH) einen Zehn-Punkte-Plan zur Lösung des Ressourcenproblems und für die Erarbeitung einer nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie. Analog zu den Klimaschutzzielen fordert der Umwelt- und Verbraucherschutzverband darin verbindliche Ziele, um den Ressourcenverbrauch und das Abfallaufkommen nachhaltig zu reduzieren.
Verbindliche Reduktionsziele für Primärressourcen und Abfallmengen gefordert
Neben übergeordneten Reduktionszielen braucht es zusätzlich spezifische Vorgaben für Primärrohstoffe wie Öl, Gas, Metalle oder Mineralien wie Sand und Kies sowie für Holz. Nur so kann die Klimakrise gebremst werden und sich nachwachsende Ressourcen regenerieren. Um den deutschen Ressourceneinsatz bis 2030 um 50 Prozent zu senken, fordert die DUH von Umweltministerin Steffi Lemke verbindliche Reduktionsziele für Primärressourcen und Abfallmengen.
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der DUH: „Der heutige Erdüberlastungstag zeigt, wir können nicht weitermachen wie bisher. Würden alle so verschwenderisch leben wie die Deutschen, dann bräuchte es drei Erden. Und jeden Tag gehen weiter wertvolle Ressourcen verloren, weil die Politik nicht handelt und wirksame Maßnahmen fehlen oder vorhandene Regelungen nicht eingehalten werden. Aktuell gibt es weder auf nationaler noch internationaler Ebene einen übergeordneten rechtlichen Rahmen, um den Ressourcenverbrauch zu verringern. Das muss Umweltministerin Steffi Lemke dringend ändern. Neben einem übergeordneten Reduktionsziel für Primärressourcen bedarf es zudem separater Ziele und Maßnahmen für einzelne Sektoren wie Gebäude, Batterien, Elektrogeräte, Verpackungen oder Kleidung. Das Credo muss dabei lauten: Vermeiden, wiederverwenden, reparieren oder recyceln. Nur so können wir unseren Ressourcenverbrauch bis 2030 ausreichend reduzieren und der Erde die Möglichkeit geben, sich zu erholen.“
In ihrem Zehn-Punkte-Papier stellt die DUH außerdem konkrete Sofortmaßnahmen vor. Dazu zählen unter anderem eine Abgabe auf Einwegverpackungen, die Durchsetzung der Mehrwegquote für Getränkeverpackungen, ein bundesweiter Reparaturbonus, eine grüne öffentliche Beschaffung oder strengere Anforderungen beim Gebäudeabriss. Zusätzlich müssen die bereits bestehenden gesetzlichen Regelungen wie zur Sammlung von Elektroaltgeräten, Batterien, dem Plastiktütenverbot oder der Getrenntsammlung von Gewerbe- oder Bioabfällen konsequent umgesetzt werden.
„Deutschland steht beim Thema Abfallvermeidung derzeit sehr schlecht dar. Eine Trendumkehr ist nicht in Sicht, denn seit Jahren wächst der Berg aus Haushaltsabfällen. Die Politik hat bisher versäumt, Mehrwegstrukturen für Verpackungen sowie Reparatur- und Wiederverwendungssysteme für Produkte konsequent und nachhaltig zu fördern. Stattdessen hat sie sich auf Maßnahmen am Lebensende der Produkte konzentriert. Nun muss es endlich darum gehen, die vorhandenen Ressourcen auch verantwortungsvoll einzusetzen. Verschwenderische Produkte wie Einweg-Verpackungen, Kaffeekapseln oder Einweg-E-Zigaretten müssen endlich vom Markt verschwinden. Hierzu braucht es politische Instrumente, die den Einsatz wertvoller Ressourcen verteuern und umweltfreundliche Mehrwegsysteme sowie langlebige Produkte fördern“, ergänzt Thomas Fischer, DUH-Leiter Kreislaufwirtschaft.
Sofortmaßnahmen für mehr Kreislaufwirtschaft in dieser Legislaturperiode:
- Abgabe in Höhe von mindestens 20 Cent auf vermeidbare Einwegverpackungen, wie zum Beispiel Einwegflaschen oder To-go-Einwegbecher
- Durchsetzung der Mehrweg-Quote für Getränkeverpackungen von 70 Prozent
- Bundesweiten Reparaturbonus einführen
- Recyclinglabel und Mindestquoten für den Rezyklateinsatz festlegen
- Elektroschrott-Sammelquote für Akteure (z.B. Hersteller oder Rücknahmesysteme) verbindlich machen und – auch bei Batterien – finanzielle Anreize für hohe Sammelmengen schaffen
- Anforderungen ans Recycling von Elektrogeräten entsprechend den CENELEC Standards (Normen-Reihe EN 50625) sollten verpflichtend über das ElektroG vorgeschrieben werden
- Abrissgenehmigung für Gebäude, die eine Sichtung der Bauteile und Zuordnung zum hochwer-tigsten Nutzungspfad (z.B. Wiederverwendung und hochwertiges Recycling) vorschreibt
- Konsequenter Vollzug der Gewerbeabfall- sowie der Bioabfallverordnung
- Mit Best-Practice-Pool und Negativlisten die Auswahl umweltfreundlicher Produkte bei der öffentlichen Beschaffung sicherstellen
10 Punkte für eine erfolgreiche nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (unten im Einzelnen):
- Verbindliche Grenzwerte für Ressourcenverbrauch und Abfallaufkommen festlegen
- Wiederverwendung zum Standard machen
- Produkte umweltgerecht gestalten
- Getrennte Sammlung sicherstellen
- Rezyklateinsatz und hochwertiges mechanisches Recycling stärken
- Transparente und umfassende Informationen und Kennzeichnungen für Verbraucher*innen
- Verbindlichkeit und Vollzug schaffen
- Öffentliche Hand zum Vorreiter der Kreislaufwirtschaft machen
- Finanzielle Anreize schaffen und besonders umweltschädliche Produkte verbieten
- Umweltstandards auch beim Import und Export gewährleisten
1. Verbindliche Grenzwerte für Ressourcenverbrauch und Abfallaufkommen festlegen
Klimaschutz kann ohne Ressourcenschutz nicht funktionieren. Deshalb braucht es nicht nur für Treibhausgasemissionen, sondern auch für den Verbrauch von Primärressourcen verbindliche Grenzwerte. Die DUH schlägt ein Reduktionsziel für den Primärressourcenverbrauch vor, das bis 2030 eine Halbierung gegenüber 2019 vorschreibt. Notwendig sind neben einem allgemeinen Reduktionsziel für den Verbrauch aller Primärressourcen auch stoffstromspezifische Reduktionsziele, die sicher-stellen, dass planetare Grenzen gewahrt werden, sich nachwachsende Rohstoffe regenerieren können und Kipppunkte für das Artensterben nicht erreicht werden. Die Ziele sollten materialspezifisch etwa für abiotische Primärrohstoffe (z.B. für fossile Rohstoffe, Mineralien wie Sand und Kies, Metalle) sowie für biotische Primärrohstoffe (z.B. für Holz) gelten. Zusätzlich sollten politische Ziele für einen nachhaltigen Verbrauch (z.B. der rechnerische Pro-Kopf-Verbrauch in den Handlungsfeldern von Kunststoffen, Elektrogeräte, Fahrzeuge etc.) festgelegt werden. Auch der Ressourcenverbrauch bei importierten Produkten muss berücksichtigt werden, damit sich dieser nicht ins Ausland verlagert. Die Reduktionsziele müssen sukzessiv verschärft werden. Weiterhin sind mehr Ressourceneffizienz und höchste Umweltstandards bei der verbleibenden Rohstoffgewinnung notwendig, um negative Umweltauswirkungen zu reduzieren.
Nicht nur bei der Ressourcenentnahme, auch beim Abfallaufkommen müssen verbindliche Grenzwerte festgelegt werden, um entsprechend der Abfallhierarchie wirksame Maßnahmen zur Abfall-vermeidung und Wiederverwendung zu befördern. So sollten Verpackungsabfälle von aktuell 226 kg bis 2030 auf 150 kg pro Kopf gesenkt werden. Restabfall und Sperrmüll sollten von aktuell 194 kg auf 90 kg bis 2030 pro Kopf reduziert werden.
2. Wiederverwendung zum Standard machen
Die Wiederverwendung von Produkten muss zur Normalität werden, da sie ein enormes Umweltentlastungspotenzial hat, das durch reine Recyclingprozesse nicht erreicht werden kann. Beispiele für erfolgreiche Wiederverwendung sind Mehrweg-Systeme bei Verpackungen, Second-Hand-Kleidung, Internetbörsen für gebrauchte Smartphones/ Elektrogeräte, Wiederverwendung von Bauteilen oder Möbeln sowie die Wiederverwendung von ausgedienten Antriebsbatterien als stationäre Stromspeicher. Bisher bleibt dieses Potenzial weitgehend ungenutzt. Die Mehrwegquote für Getränkeverpackungen liegt trotz gesetzlicher Vorgabe von 70 Prozent derzeit nur bei 43 Prozent. Im Takeaway-Bereich liegt der Mehrweganteil für das Jahr 2022 bei gerade einmal 1,5 Prozent, trotz bereits vorhandener skalierbarer Mehrweglösungen. Außerdem werden derzeit nur 1,6 Prozent der gesammelten Elektroaltgeräte für eine Wiederverwendung vorbereitet obwohl das Potential bei bis zu 15 Prozent liegt. Um die Wiederverwendung massiv auszuweiten, sollten für verschiedene Stoffströme konkrete und verbindliche Wiederverwendungsziele festgelegt werden, z.B. über Mehrwegquoten für verschiedene Verpackungsströme oder Wiederverwendungsquoten für Elektroaltgeräte. Zusätzlich braucht es auch verstärkte Wiederverwendungsinitiativen der öffentlichen Hand, beispielsweise durch die flächendeckende professionelle Separierung von wiederverwendbaren Produkten auf Wertstoffhöfen8. Auch die Reparatur muss neben dem „Recht auf Reparatur“ durch eine Nachwuchsoffensive für ReparateurInnen und einen bundesweiten Reparaturbonus massiv gefördert werden.
3. Produkte umweltgerecht gestalten
Um Produkte langlebig, schadstofffrei, reparaturfähig und recyclingfähig zu machen, braucht es für Hersteller verbindliche Ökodesignanforderungen. Diese Anforderungen müssen schnellstmöglich alle Produktgruppen abdecken, um negative Umweltauswirkungen durch minderwertige Produkte umfassend zu reduzieren. Die DUH spricht sich in diesem Zusammenhang für horizontale Produktanforderungen sowie ein allgemeines „Recht auf Reparatur“ aus. Dazu gehört etwa, dass Ersatzteile und Software-Updates für mindestens 10 Jahre kostengünstig verfügbar sind. Entsprechend des Vorsorgeprinzips sollte der Einsatz gesundheits- und umweltschädlicher Stoffe in Produkten bestmöglich vermieden werden und vorhandene schadstoffhaltige Produkte verbraucherfreundlich erfasst und entsorgt werden. Bei der öffentlichen Beschaffung müssen bereits jetzt hohe Ökodesignanforderungen zum Standard werden. Gleichzeitig sollte die Entwicklung von Kriterien im Rahmen von transparenten und ambitionierten Umweltzeichen wie dem „Blauen Engel“ gefördert werden, welche häufig eine gute Grundlage für verbindliche gesetzliche Vorgaben darstellen. Mit zusätzlichen Sorgfaltspflichten für Online-Plattformen sollen die Ökodesign-Anforderungen auch für aus dem Ausland importierte Produkte sichergestellt werden.
4. Getrennte Sammlung sicherstellen
Eine vollständige und getrennte Sammlung der Abfälle ist notwendige Voraussetzung, um die gesammelten Produkte wiederzuverwenden, Wertstoffe zu recyceln und Schadstoffe einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen. Geringe Sammelmengen, z.B. bei Elektroaltgeräten sowie hohe Organikanteile im Restabfall zeigen jedoch, dass die getrennte Sammlung aktuell noch deutliche Defizite aufweist. Es könnten bis zu 2,9 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, wenn Behörden die Regeln der Gewerbeabfallverordnung konsequent durchsetzen würden. Daher muss die sortenreine Erfassung von Abfällen mit wirksamen Maßnahmen gefördert werden. Hierfür muss zunächst der Vollzug bestehender Regelungen sichergestellt werden, etwa bei der Sammlung von Gewerbeabfällen, Bioabfällen und Elektrogeräten. Vorhandene Sammelquoten müssen erhöht werden, etwa bei Verpackungen und Batterien. Entscheidend bei der Festlegung von Sammelzielen ist zudem, dass diese auch für konkrete Akteure rechtlich bindend sind (wie z.B. die Sammelquote für Batterien für Rücknahmesysteme oder spezifische Sammelleistungen für Elektroaltgeräte für Hersteller). Um Anreize für die Übererfüllung von Sammelquoten zu setzen, sollte zwischen den für die Sammlung verantwortlichen Akteuren (Hersteller oder Sammelsysteme) ein ökologischer Wettbewerb geschaffen werden. Pfandsysteme müssen gestärkt und erweitert werden, etwa bei Verpackungen und Lithium-Ionen-Batterien.
Entscheidend für eine bessere Abfallerfassung sind einfache Rückgabemöglichkeiten. Diese sollten bei Wertstoffen und Bioabfällen über ein Holsystem ermöglicht werden. Für schadstoffhaltige Altprodukte wie Elektrogeräte, Batterien oder Pflanzenschutzmittel müssen durch die öffentliche Hand sowie Vertreiber und Hersteller verbraucherfreundliche Rückgabemöglichkeiten bereit-stehen, also ein dichtes Annahmenetz mit serviceorientierten Öffnungszeiten.
5. Rezyklateinsatz und hochwertiges mechanisches Recycling stärken
Ein wichtiger Baustein für die Schließung von Materialkreisläufen ist die Vorgabe von verbindlichen materialspezifischen Rezyklateinsatzquoten. Diese wirken auch „rückwärts“ indem sie Hersteller auch für die getrennte Sammlung und ein hochwertiges Recycling motivieren. So sollten Bauprodukte, Kunststoffbauteile in Elektrogeräten oder Haushaltswaren sowie Verpackungen einen Mindestanteil an Recyclingmaterial enthalten. Wichtig hierbei ist, dass nur Post-Consumer-Rezyklate (PCR) ein-bezogen werden und Rückverfolgbarkeit sichergestellt ist. Insbesondere für Kunststoffe und kritische Rohstoffe, die bisher kaum recycelt werden, sind materialspezifische Recyclingquoten notwendig. Darüber hinaus sollten an Recyclingverfahren Mindestanforderungen gestellt werden, z.B. in Bezug auf die Massenausbeute, Output-Qualität und Umweltauswirkungen. Für Elektrogeräte sollten die Anforderungen aus den CENELEC-Standards (Reihe EN 50625) gesetzlich vorgeschrieben werden.
Techniken des sogenannten „Chemischen Recyclings“ (Pyrolyse und Vergasung), bei denen Kunststoffe bis auf die molekulare Ebene aufgespalten werden, sollten nicht als Recycling, sondern als Verwertungsverfahren eingestuft werden und somit auch nicht zur Berechnung von Recycling- oder Rezyklateinsatzquoten herangezogen werden dürfen. Die DUH kritisiert die hohen Umweltrisiken dieser Technologien, z.B. einen hohen Energiebedarf und geringe Massenausbeuten, und warnt vor einer politischen und finanziellen Förderung. Mit mechanischen Recyclingverfahren stehen effiziente Verfahren bereit, deren Potential durch mehr getrennte Sammlung, Ökodesign und politische Förderung verstärkt ausgeschöpft werden sollte.
6. Transparente und umfassende Informationen und Kennzeichnungen für VerbraucherInnen
Damit VerbraucherInnen Kaufentscheidungen und den Umgang mit Produkten umweltgerecht gestalten können, müssen ihnen relevante Informationen über das Produkt sowie die richtige Entsorgung, getrennte Sammlung, Wiederverwendbarkeit, Recyclingfähigkeit- sowie Rezyklateinsatz von Produkten und Verpackungen zur Verfügung gestellt werden. Dies kann über konkrete Informations-pflichten für Vertreiber gewährleistet werden: KundInnen müssen bereits beim Einkauf informiert werden, warum und wie entsprechende Altprodukte gesammelt werden können und müssen. Ins-besondere müssen aber Hersteller zur Finanzierung umfassender Informationskampagnen verpflichtet werden.
Mit einem digitalen Produktpass – etwa ein mit einer Datenbank verlinkter QR-Code auf dem Produkt – sollten zudem wichtige Informationen für VerbraucherInnen (z.B. zur Reparatur oder zu enthaltenen Schadstoffen) und für Recycler (etwa zur Materialzusammensetzung) zur Verfügung gestellt werden. Mit einer farblichen „Ampel“-Kennzeichnung auf dem Produkt sollte die Recyclingfähigkeit und der Anteil an Recyclingmaterialien gekennzeichnet werden, damit VerbraucherInnen Recycling-produkte bevorzugen können – so wie etwa der Nutri-Score gesündere Lebensmittel hervorhebt oder die Energieeffizienzkennzeichnung. Für die Bemessung der Recyclingfähigkeit sind nicht theoretisch erreichbare Recyclingwerte, sondern nur der von der aktuell vorhandenen Recyclinginfrastruktur rückgewinnbare Materialanteil heranzuziehen.
VerbraucherInnen können nur informierte Kaufentscheidungen treffen, wenn sie effektiv vor Täuschung durch falsche oder missverständliche Werbeaussagen geschützt werden. Daher sollten Begriffe wie „klimaneutral“ und „kompostierbar“/„biologisch abbaubar“/„plastikfrei“ auf Verpackungen, Produkten und für Wirtschaftsaktivitäten verboten werden. Die Fehlinformation von VerbraucherInnen über die tatsächlichen Umweltauswirkungen von Produkten, etwa im Fall vom so-genannten Bioplastik, behindert den Wandel zu einer nachhaltigeren Wirtschaft und erzeugt einen Wettbewerbsnachteil für diejenigen WirtschaftsteilnehmerInnen, die sich tatsächlich um die nachhaltige Gestaltung ihrer Produkte bemühen.
7. Verbindlichkeit und Vollzug schaffen
Ohne Verbindlichkeit wäre die nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie zahnlos und würde der enormen Umweltproblematik der aktuellen Wirtschaftsweise nicht gerecht. Daher müssen Ziele und Maßnahmen immer auch für bestimmte Akteure (z.B. Hersteller, Vertreiber oder Kommunen) verbindlich gemacht werden. Nur so erhalten die verantwortlichen Akteure klare Vorgaben und ein Vollzug wird möglich. Beispielsweise sollten die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger Mindestquoten für die Getrenntsammlung von etwa Bioabfall und Wertstoffen und die Hersteller verbindliche Sammelleistungen für Elektroschrott erfüllen müssen. Das Konzept der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) bietet sich an, um Kosten und Pflichten verursachergerecht zu verteilen. So sollte die EPR auf weitere Stoffströme ausgeweitet werden, wie etwa Baustoffe, Textilien und Möbel, wie es bereits in anderen EU-Ländern wie Frankreich umgesetzt wird.
Zur Verbindlichkeit gehört auch, dass Vorgaben durch wirksame Vollzugsmechanismen realisiert werden. Bisher werden viele Umwelt- und Verbraucherschutzvorgaben in der Praxis kaum umgesetzt, etwa bei der Getrennterfassung von Bau-, Abbruch-, Gewerbe- und Bioabfällen, der Sammlung von Elektroaltgeräten oder der Einhaltung von Einwegkunststoffverboten. Für einen wirksamen Vollzug sind Transparenz, genaues Monitoring und verbindliche Zwischenziele essenziell, damit bei Abweichungen frühzeitig gegengesteuert werden kann. Die Vollzugsbehörden sind mit ausreichenden Mitteln auszustatten, um z.B. auch unangekündigte stichprobenartige Kontrollen umzusetzen. Gleichzeitig sind bei Nichterfüllung auch eine konsequente Verfolgung und effektive Strafmechanismen notwendig. Zudem können Mechanismen zur Selbstregulierung eingeführt werden, etwa Sorgfaltspflichten für kollektive Rücknahmesysteme als ‚Erfüllungsgehilfen‘ der Hersteller. Darüber hinaus sollten Online-Marktplätze stärker in die Pflicht genommen werden, nach dem erfolgreichen Beispiel im ElektroG zur Überprüfung der Herstellerregistrierung durch den Online-Marktplatz vor dem Verkauf.
8. Öffentliche Hand zum Vorreiter der Kreislaufwirtschaft machen
Mit einem Einkaufsvolumen von 500 Milliarden Euro jährlich muss die öffentliche Hand bei der umweltfreundlichen und kreislaufgerechten Beschaffung zum Vorreiter werden: von plastikfreien Städten über hochwertige Akku-Gartengeräte bis zu nachhaltigen Gebäuden und einer energetischen Sanierungsoffensive für öffentliche Bauten. Durch Negativlisten müssen umweltschädliche Produkte ausgeschlossen werden, wie etwa Einwegflaschen, Kaffeekapseln, Einwegbatterien oder Primärfaserpapier. Auch sollte die Nutzung von Second-Hand Produkten sowie Leih- und Leasingsystemen innerhalb der öffentlichen Hand stark gefördert und etabliert werden. Mit einem Best-Practice-Pool müssen die beschaffenden Personen dabei unterstützt werden, einfach und rechtssicher die ökologischsten Produkte auszuwählen. Die Pflicht zur Bevorzugung umweltfreundlicher Produkte bei der öffentlichen Beschaffung in § 45 KrWG sollte konsequent in allen Bundesländern umgesetzt werden.
9. Finanzielle Anreize schaffen und besonders umweltschädliche Produkte verbieten
Besonders unökologische Produkte, für die es bereits umweltfreundliche Alternativen gibt, müssen durch finanzielle Anreize unattraktiv gemacht werden oder durch Verbote gänzlich vom Markt verschwinden. Hierzu gehört etwa eine Abgabe von mindestens 20 Cent auf Einwegflaschen, Getränkedosen, Getränkekartons, Coffee-to-go-Becher und -Boxen sowie Einwegbatterien. Verbote für Einweg-E-Zigaretten, festverbaute Batterien, Kleinstverpackungen wie Kaffeekapseln oder unnötige Umverpackungen können zusätzlich schnelle Effekte zu mehr Ressourceneinsparungen erzielen. Gleichzeitig sollten Förderprogramme nachhaltiges Handeln unterstützen, beispielsweise indem Bauförderprogramme neben der Energieeffizienz auch ökologische Bauweisen berücksichtigen. Die Mehrwertsteuer auf umweltfreundliche Dienstleistungen und Produkte, Mehrwegflaschen, Gebrauchtwaren, Reparaturdienstleistungen oder Sekundärrohstoffe sollte reduziert werden. Primärrohstoffe sollten höher besteuert werden.
10. Umweltstandards auch beim Import und Export gewährleisten
Beim Import von Produkten und Rohstoffen muss sichergestellt sein, dass vergleichbare Umweltstandards bei der Herstellung eingehalten werden. Andernfalls haben gerade umweltintensive Industrien wie der Bergbau einen Anreiz in Staaten mit geringen Umweltstandards abzuwandern. Gleiches muss auch für den Export von Abfällen gelten. Hierzu müssen importierende oder exportierende Akteure in der EU im Sinne einer Lieferkettenverantwortung die gesamte Wertschöpfungskette transparent machen und Sorgfaltspflichten für eine Kreislaufführung einhalten, wie die Nachweisführung über umweltgerechte Herkunft, bzw. Verbleib der Abfälle. Insbesondere muss sichergestellt sein, dass es einen in der EU befindlichen verantwortlichen Akteur gibt, der für Umweltschäden innerhalb und außerhalb der EU haftbar gemacht werden kann und – etwa durch Versicherungen – in der Lage ist, die Behebung von Umweltschäden zu finanzieren. Sitzen die importierenden oder exportierenden Akteure nicht in der EU, müssen diese Sorgfaltspflichten den nächsten in der EU sitzenden Akteur treffen, insbesondere Online-Marktplätze und Fulfillment-Dienstleister.
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