Wie wichtig ist Biodiversität für Einzelne und Gesellschaft?

Neues EU-Projekt

Die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) leitet seit 14.06.2023 ein neues europaweites Forschungsprojekt über soziale Aspekte der Artenvielfalt. Ziel ist ein besseres Verständnis dafür, wie Menschen Biodiversität wahrnehmen und welche Rolle dies bei der Entscheidungsfindung auf individueller und gesellschaftlicher Ebene spielt. Gemeinsam mit 16 internationalen Partnern aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft sollen in „PLANET4B“ neue Maßnahmen erprobt werden, die ein Umdenken ermöglichen. Das Projekt wird im Rahmen von „Horizon Europe“ mit rund fünf Millionen Euro gefördert.

Symbol Nachhaltigkeit und Biodiversität- Blumenwiese – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft, für Solarify

Rund eine Million Tier- und Pflanzenarten sind laut dem Weltbiodiversitätsrat IPBES vom Aussterben bedroht. „Es ist seit vielen Jahren bekannt, dass wir eine Biodiversitätskrise erleben und die Menschheit etwas unternehmen muss, um diese Entwicklung zu bremsen. Die bisherigen Maßnahmen, diesen Trend zu stoppen oder zumindest zu bremsen, sind aber unzureichend“, sagt der Projektleiter und Sozial-Umweltwissenschaftler Dr. Ilkhom Soliev von der MLU. Ein Grund dafür sei, dass Maßnahmen zum Erhalt der Artenvielfalt in der Vergangenheit häufig zugunsten anderer Ziele, etwa Wirtschaftswachstum, vernachlässigt wurden. Dem Forscher zufolge braucht es daher ein grundlegendes Umdenken in der Gesellschaft. Auch die Biodiversitätsforschung müsse neue Wege finden, über das Thema zu reden.

Hier setzt das Projekt „PLANET4B“ an. Beteiligt sind Partner aus Belgien, Deutschland, Großbritannien, Italien, der Niederlande, Norwegen, Österreich, der Schweiz, Tschechien und Ungarn. Das Team besteht aus Forschenden der Sozial- und Umweltwissenschaften, von denen einige direkt bei IPBES mitwirken. Beteiligt sind zudem AkteurInnen, die an der Gestaltung globaler, nationaler und regionaler Biodiversitätspolitiken mitarbeiten, sowie ExpertInnen, die in verschiedenen lokalen Initiativen tätig sind.

Ziel des Projekts ist zunächst ein besseres Verständnis dafür, wie und warum Menschen das Thema Artenvielfalt unterschiedlich wahrnehmen und inwieweit sie im Einklang mit ihren eigenen Überzeugungen oder auch im Widerspruch zu ihnen handeln. Dabei erforscht das Team auch die Rolle verschiedener gesellschaftlicher Facetten in Bezug auf Alter, Geschlecht, Behinderung, Ethnie und Kultur. „Die besonderen Herausforderungen, mit denen die Menschen konfrontiert sind, müssen in der Forschung und Politik besser berücksichtigt werden“, so Soliev weiter.

Neben dem Fokus auf Individuen beleuchtet das Projekt zudem, wie biodiversitätsrelevante Entscheidungen auf der breiteren gesellschaftlichen Ebene getroffen und institutionalisiert werden. Auf Basis dieser Erkenntnisse sollen verschiedene Experimente und Interventionsstudien im Rahmen von Fallstudien durchgeführt werden, die ein Umdenken bei der Wahrnehmung des Themas erreichen können. „Wir wollen gemeinsam mit lokalen AkteurInnen in unseren Partnerländern verstehen, welche Stellschrauben es gibt, um den Schutz der Artenvielfalt voranzutreiben – und auch, welche die bisher wichtigsten Hindernisse sind, dies ausreichend zu tun“, so Soliev. Anhand dieser konkreten Fallbeschreibungen sollen dann wissenschaftlich fundierte Maßnahmen entwickelt werden, um die Kluft zwischen Wissen und Handeln zu schließen. So will das Team von „PLANET4B“ besser nachvollziehen, was Menschen zur Priorisierung der Biodiversität befähigen kann.

Die Ergebnisse des Projekts werden auf EU- und globaler Ebene aufbereitet und können als Vorlage für politische Entscheidungen und Maßnahmen dienen, wie transformative Veränderungen ausgelöst werden können. Dabei geht es auch darum, lokale Unterschiede herauszuarbeiten und passgenaue Lösungen zu präsentieren. „Nur, weil eine Maßnahme in Deutschland funktioniert hat, muss das nicht für alle anderen Länder gelten. Wir wollen auch herausfinden, woran das liegt – welche Prinzipien es gibt und wie diese bei der besseren Priorisierung der Biodiversität helfen können“, so Soliev abschließend.

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