Windenergie aus der Tiefsee

Balanceakt auf hoher See: Schwimmende Windräder
von Christine Rüth

Die Europäische Union investiert 19 Millionen Euro in die Weiterentwicklung von schwimmenden Windrädern: Das im Januar 2013 gestartete Forschungsprojekt FLOATGEN soll sowohl die technische als auch die finanzielle Machbarkeit von schwimmenden Windenergieanlagen in Wassertiefen von mehr als 40 Metern zeigen. Dazu werden vor der Mittelmeerküste zwei Demonstrations-Anlagen mit je zwei Megawatt Leistung installiert. An dem Projekt sind elf Partner aus Spanien, Frankreich, Deutschland, Norwegen, Großbritannien und Belgien beteiligt. Das Antragsvolumen beträgt knapp 36 Millionen Euro.

Bis 700 m Wassertiefe, 200 km vor der Küste = 2,5faches Potenzial

Schwimmende Anlagen können Windenergie auch an Orten hoher Wassertiefe ernten, die für konventionelle Offshore-Windparks mit festem Fundament nicht zugänglich sind. Das Potenzial ist groß, erklärt Jochen Bard, Abteilungsleiter Meeresenergie am Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES: „Außerhalb beispielsweise der südlichen Nordsee gibt es nur wenige Flachwasserregionen, sondern die Küsten fallen steil ab. Viele dieser Standorte weisen auch höhere Windgeschwindigkeiten auf.“ Erste grobe Schätzungen, so Bard, ergäben für schwimmende Windräder in bis zu 700 Metern Wassertiefe und einer maximalen Entfernung von 200 Kilometern vor der Küste ein etwa 2,5 Mal höheres technisches Potential als für konventionelle Offshore Windparks. Das IWES ist mit FLOATGEN an insgesamt drei Forschungsprojekten zu schwimmenden Windenergieanlagen beteiligt.

Knackpunkt Wirtschaftlichkeit

Knackpunkt der neuen Technik ist die Wirtschaftlichkeit. Das Windrad steht auf einer schwimmenden Plattform, die mit Ketten am Meeresboden verankert ist. An seinen Rotoren zerrt der Wind, auf die Plattform prallen Wellen, doch die Anlage muss stabil aufrecht stehen. „Plattform, Windrad und Vertäuung müssen zusammenspielen,“ so Friedemann Beyer vom Stiftungslehrstuhl für Windenergie der Universität Stuttgart, einem der Projektpartner von FLOATGEN. Schwimmende Plattformen zu konstruieren, sei im Prinzip nicht das Problem, so Beyer, da gebe es genügend Erfahrung aus der Öl- und Gasindustrie. Aber die Kosten für an das Windrad angepasste Plattformen seien noch sehr hoch. Die Stuttgarter sind spezialisiert auf die Simulation von Windenergieanlagen. Im Rahmen von FLOATGEN werden sie das Verhalten von schwimmenden Windrädern  simulieren – in Abhängigkeit von Parametern wie Windgeschwindigkeit und Wellenhöhe. Anhand der Messdaten, die an den zwei Demonstratoren gewonnen werden, wollen sie ihr Modell verifizieren und verfeinern. Am Ende soll es dazu dienen, kostengünstige, optimierte Designs für schwimmende Windenergieanlagen zu erarbeiten.

3-4 verschiedene Ansätze

„Die Kunst ist, die Schwimmstrukturen so zu verbessern, dass das ganze wirtschaftlich wird,“ betont auch Jochen Bard. Derzeit gibt es verschiedene Ansätze, die man grob in drei Klassen fassen kann:

  1. Hywind, das weltweit erste schwimmende Windrad vor der norwegischen Küste, ist auf einem langen Stahlzylinder montiert, der 100 Meter tief in das Wasser ragt und für die nötige Stabilität mit Wasser und Steinen gefüllt ist (siehe Energie-Perspektiven 3/2009).
  2. So genannte Halbtaucher – also Plattformen, die zum Teil aus dem Wasser ragen – werden im Rahmen von FLOATGEN verwendet. Wie bei einem Eisberg liegt der größte Teil der Plattform unter Wasser. Ihr Auftrieb hält das Windrad stabil.
  3. Ein dritter Ansatz, genannt Tension-Leg-Prinzip, verspannt die Plattform sehr straff über mehrere Seile mit dem Meeresboden und sorgt so für die nötige Stabilität.

Einen etwas anderen (4.) Ansatz verfolgt das Projekt Inflow, an dem das IWES ebenfalls beteiligt ist: Es erprobt so genannte Vertikalachsenturbinen, deren Rotoren sich um die Längsachse des Turms drehen und nicht, wie üblich senkrecht dazu. Der Schwerpunkt der gesamten Anlage liegt tiefer, sie kann größere Neigungswinkel aufweisen und die Schwimmkörper können einfacher ausgelegt werden. Allerdings steht dem ein schlechterer Wirkungsgrad des Rotors gegenüber. Nach den derzeit laufenden Tests an verschiedenen Einzelanlagen werden in ein paar Jahren die ersten kleinen schwimmenden Windparks entstehen.

Die weltweit erste schwimmende Windenergieanlage in der Megawatt-Leistungsklasse liefert seit nunmehr drei Jahren Strom: Hywind wurde 2009 vom norwegischen Ölkonzern Statoil in Betrieb genommen. Das Unternehmen prüft derzeit verschiedene Standorte für Pilot-Windparks. In der Überlegung sei Maine an der Ostküste der USA, aber auch Großbritannien und Japan, so ein Statoil-Sprecher.
->Quelle(n): ipp.mpg.de; www.floatgen.euiwes.fraunhofer.de