Greenpeace-Untersuchung zeigt Dringlichkeit von Klimageld gegen soziale Kälte

„S“ aus Eis vor Berliner SPD-Zentrale

Mit einem gefrorenen “S” in einem knapp zwei Meter hohen SPD-Schriftzug demonstrierten Greenpeace-AktivistInnen am 03.06.2024 vor dem Willy-Brandt-Haus in Berlin für die Einführung des Klimagelds. Auf Transparenten stand: „Gegen soziale Kälte – Klimageld jetzt!“. Wie ein Klimageld bis in die Mitte der Gesellschaft deutliche Entlastung beim Klimaschutz schafft, belegt die gleichzeitig veröffentlichte Untersuchung des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS)  im Auftrag von Greenpeace. Bislang weigert sich die SPD-geführte Bundesregierung, das im Koalitionsvertrag vereinbarte Klimageld zügig  einzuführen.

Greenpeace-Demo mit gefrorenem ‚S‘ für Klimageld – Foto © Chris Grodotzki – Greenpeace

„Indem sich die Partei nicht mit Nachdruck hinter das Klimageld stellt, droht die SPD, dieses soziale Versprechen kalt zu stellen. Gerade die Sozialdemokraten stehen in der Verantwortung, Klimaschutz sozial gerecht zu gestalten. Sie sollten das Klimageld durchsetzen“, sagt Greenpeace-Wirtschaftsexperte Bastian Neuwirth.

Erstmals analysiert die Studie die Gesamtbelastung, die Haushalten durch CO2-Preise im nationalen und europäischen Emissionshandel entsteht: Sowohl direkte CO2-Kosten beim Heizen oder Tanken, als auch indirekte CO2-Kosten, die sich in Konsumgütern verbergen. Ohne finanziellen Ausgleich fallen die Belastungen deutlich höher aus als bisher angenommen: Haushalten der untersten Einkommensgruppen drohen durchschnittlich Mehrkosten bis 650 Euro pro Jahr, bei mittleren Einkommensgruppen bis zu 1200 Euro. Haushalte mit besonders hohen Belastungen könnte das in Existenznöte bringen. Den Berechnungen zufolge senkt ein umfassendes Klimageld die Belastungen erheblich: Das unterste Einkommensdrittel wird sogar vollständig entlastet.

Klimageld sozial staffeln durch Versteuerung

Die Untersuchung geht von der Auszahlung der gesamten Einnahmen aus der CO2-Bepreisung aus. Das Klimageld soll als Pro-Kopf-Pauschale ausgezahlt werden, die sich leicht umsetzen lässt. 2025 würde das Klimageld pro Kopf 317 Euro betragen – entsprechend mehr als 1.200 Euro für eine vierköpfige Familie. Die Versteuerung des Klimagelds ermöglicht eine soziale Staffelung. Die einkommensstärksten  zehn Prozent versteuern das Klimageld vollständig. Damit flössen jährlich zwischen 9 bis 18 Milliarden Euro in die Staatskasse zurück. Sie ließen sich als Klimaschutz-Fördermittel gezielt für ärmere Haushalte einsetzen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unterstützt die von Finanzminister Christian Lindner (FDP) verfolgte Sparpolitik im Rahmen der Haushaltsverhandlungen. In diesem Zuge steht auch das im Koalitionsvertrag verankerte Klimageld auf der Kippe, das die ökologisch notwendige Verteuerung von fossiler Energie durch den CO2-Preis sozial abfedern soll.

Neuwirth: „Die SPD darf sich nicht dem Spardiktat des Finanzministers unterwerfen auf Kosten von Klimaschutz und sozialem Zusammenhalt. Die Regierung mit Kanzler Scholz muss Wort halten und das dringend benötigte Klimageld jetzt auszahlen.

Die Analyse der Kurz-Expertise zeigt: Die Kosten durch steigende CO2-Preise führen ohne Verhaltensan-passungen zu einer deutlichen Belastung für die Menschen. Dies zeigt sich insbesondere, wenn neben den direkten auch die indirekten Kosten miteingerechnet werden. Das von Greenpeace vorgeschlagene und hier analysierte pauschale Klimageld führt zu einer stark progressiven Entlastung. Durch die Besteuerung im Rahmen der Einkommensteuer ist das Klimageld sozial gestaffelt, was die Progressivität unterstützt. Gleichzeitig entstehen Steuereinnahmen, mit denen in Form von Förderprogrammen zusätzlich gezielt und langfristig der CO2-Ausstoß einkommensschwächerer Gruppen gesenkt und damit auch entlastet werden kann.

Im Wortlaut: Fazit der Untersuchung

Das breit angelegte, pauschale Klimageld muss finanziell gut unterfüttert sein, um die zusätzlichen Belastungen durch CO2-Preise bei Haushalten mit geringen bis mittleren Einkommen weitgehend abzufedern. Der Finanzbe-darf steigt, wenn neben den direkten auch die indirekten CO2-Kosten einbezogen werden. Während ein Klimageld vor allem kurzfristig hohe Belastungen durch CO2-Preise bei Haushalten mit geringen bis mittleren Einkommen abfedern kann, können zielgerichtete Förderprogramme diesen Haushalten aus dem fossilen Lock-in helfen und damit deren CO2-Ausstoß und entsprechenden CO2-Kostenbelastungen nachhaltig senken. In den analysierten Szenarien stehen dafür allein aus den Einnahmen aus der Besteuerung des Klimagelds jährlich zwischen 9 und 18 Mrd. Euro zur Verfügung.

Angesichts der bestehenden Herausforderungen zur klimaneutralen Transformation insbesondere in den Bereichen Wärme und Verkehr könnten allerdings weitere Haushaltsmittel nötig sein. Konkrete Maßnahmenpakete mit Zeitplan und Schätzungen der öffentlichen Finanzbedarfe liegen bisher nicht vor – auch wenn bereits im Sommer 2025 sogenannte Klimas-Sozialpläne mit gezielten Maßnahmen für vulnerable Gruppen im Rahmen des KSF im ETS 2 bei der EU-Kommission angemeldet werden müssen.

Bei der Bewertung von potenziellen Entlastungsmaßnahmen sollte auch berücksichtigen werden, dass es innerhalb der Dezile mitunter starke Unterschiede bei den Belastungen gibt. Ein Beispiel dafür: Im ersten Dezil besitzen nur knapp über die Hälfte der Haushalte ein Auto. Wird die Analyse der Belastung durch das nEHS bzw. den zukünftigen ETS 2 auf diese Haushalte beschränkt, ergeben sich in vielen Fällen höhere Belastungen als im Durchschnitt über das gesamte Dezil. Dies zeigt, dass die vorliegenden Ergebnisse zu den Einkommensgruppen Durchschnittswerte sind und im Einzelfall stark variieren können. Das Klimageld ist daher keine Garantie für eine ausreichende Entlastung von allen Haushalten mit geringen Einkommen. Die Analyse zeigt aber auch, dass finanzielle Kompensationen angesichts steigender CO2-Preise notwendig werden, die eine finanzielle Herausforderung für viele Haushalte darstellen.

Schließlich haben wir an verschiedenen Stellen betont, dass die gemeinsame Betrachtung von direkten und indirekten Kosten und insbesondere der potenziellen Entlastung durch die Verwendung der Steuereinnahmen für gezielte Förderprogramme nur eine ungefähre Größenordnung darstellt und aufgrund der unterschiedlichen Methodik mit Einschränkungen verbunden ist. Die im Haupttext ausgeführten methodischen Annahmen unserer Kurz-Expertise sollten bei der Einordnung unserer Ergebnisse berücksichtig werden.

->Quellen: