Umweltschutz: Junge Generation zeigt weniger Bereitschaft zu Verzicht

TechnikRadar 2024 von acatech

Zwei Tage nach der Europawahl zeigt das TechnikRadar 2024 von acatech am 11.06.2024, wie sich die Technikeinstellungen in der Bevölkerung in den letzten Jahren verändert haben und dass die Deutschen im Vergleich mit ihren europäischen Nachbarn Technik differenzierter bewerten. Die Daten aus den seit 2017 regelmäßig durchgeführten Repräsentativumfragen lassen einen Längsschnittvergleich zu – und dieser macht deutlich: In einigen zentralen Fragen haben sich ältere und jüngere Menschen in Deutschland stetig voneinander entfernt.

acatech-Türschild – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Umweltschutz hängt vom Alter ab. Das ist ein Ergebnis des TechnikRadar 2024, für das die bisherigen Repräsentativumfragen von 2017, 2019, 2021 und 2022 vergleichend ausgewertet wurden. So trifft die Aussage, dass der Erhalt einer intakten Umwelt erfordert, dass alle ihren Konsum reduzieren, bei den 16 bis 34jährigen zuletzt auf vergleichsweise wenig Einverständnis – mit einem Durchschnittswert von 6,8 auf einer Skala von 0 (volle Ablehnung) bis 10 (volle Zustimmung). Die Altersgruppe der über 65jährigen stimmt mit einem Wert von 7,9 deutlich stärker zu. Die Ergebnisse im Überblick auf TechnikRadar 2024

Ältere sind technikskeptischer – und brauchen eine andere Ansprache

Auch bei anderen Fragestellungen haben sich die Ansichten von jüngeren und älteren Deutschen voneinander entfernt. Die Generation 65plus teilt laut der jüngsten Befragung eher die Befürchtung, dass Technik ihre Freiheit einschränken könnte. Bei der Aussage „Je weiter sich die Technik entwickelt, desto mehr Zwänge wirken auf den Menschen“ erreicht die Zustimmung der älteren Altersgruppe auf einer Skala von 0 (volle Ablehnung) bis 10 (volle Zustimmung) einen Wert von 7,0. Die 16 bis 34jährigen weisen mit 5,7 im Vergleich mit allen anderen untersuchten Gruppen den niedrigsten Wert auf.

„Technik sowie die damit verbundenen Diskurse und Nutzenerwartungen werden von unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen ganz unterschiedlich wahrgenommen. Das zeigt das TechnikRadar 2024 wieder sehr deutlich. Entsprechend müssen wir bei der Kommunikation zu Risiken und Chancen neuer Technologien anwendungsspezifisch und zielgruppengerecht vorgehen. Nur wenn sich alle Gruppen gleichermaßen adressiert fühlen, wird sich ein breites Bedürfnis nach Mitbestimmung entwickeln – was am Ende die Voraussetzung ist, damit Technik im Sinne der Gesellschaft gestaltet werden kann“, so acatech Präsidiumsmitglied und Co-Projektleiter Ortwin Renn.

Deutsche bewerten Technik differenziert

Die Erhebungen des TechnikRadar zeigen, dass die Deutschen Technik sehr differenziert und stark anwendungsbezogen bewerten. Der Einsatz von Robotern in der Pflege wird beispielsweise auf einer Skala von 0 (gar nicht nützlich) bis 10 (sehr nützlich) mit einem Wert von 3,9 im Jahr 2022 eher kritisch gesehen, auch wenn die Nutzenbewertung seit 2017 stetig gestiegen ist (vgl. 2017: 3,4). Ein stärkerer Einsatz von Robotern im Bausektor wird hingegen mit einem Wert von 5,1 als deutlich nützlicher eingeschätzt.

„Während die Deutschen im Pflegebereich durch den vermehrten Einsatz von Robotern eine Entmenschlichung fürchten, sehen sie im Bausektor Potenziale für eine Entlastung des Menschen. Diese differenzierte Betrachtungsweise und kritische Offenheit sind auch Resultat der Auseinandersetzung mit Technik, die in unserer Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten verstärkt stattgefunden hat“, erklärt acatech Mitglied und Co-Projektleiterin Cordula Kropp vom ZIRIUS – Zentrum für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart.

Die Frage nach kontrolliertem Fortschritt – die Deutschen im europäischen Vergleich

Die Aussage „Dem technischen Fortschritt dürfen keine Grenzen gesetzt werden“ trifft bei 30,1 Prozent der Befragten auf Zustimmung, während sie von 36 Prozent abgelehnt wird. Ein Drittel (33,9 Prozent) ist unentschlossen. Eine ähnliche Verteilung konnte auch bereits bei früheren Erhebungen beobachtet werden.

Im europäischen Vergleich – das zeigt eine Analyse der Eurobarometer-Umfragen, die für das TechnikRadar 2024 durchgeführt wurde – wünschen sich die Deutschen jedoch vergleichsweise mehr Kontrolle über den technischen Fortschritt als ihre Nachbarn. Bei der jüngsten Eurobarometer-Erhebung aus dem Jahr 2021 stimmten unter den deutschen Befragten rund 25 Prozent der Aussage „Es sollte keine Grenze geben, was Wissenschaft untersuchen darf“ zu. Der durchschnittliche Zustimmungswert über alle europäischen Länder hinweg lag dagegen bei rund 41 Prozent.

„Die Deutschen sind entgegen dem Klischee nicht technikfeindlich, sondern schauen genauer hin. Sie wollen erst Erfahrungen mit technologischen Innovationen sammeln und ihre Anwendungen erproben, bevor sie urteilen. Sie stehen Innovationen im Kern offen gegenüber, beobachten aber zugleich deren Wirkungen kritisch. Im europäischen Vergleich sind die Deutschen sogar optimistischer, was die langfristigen Folgen des technischen Fortschritts angeht“, sagt Thomas Paulsen, Vorstand der Körber-Stiftung.

Über das TechnikRadar

Das TechnikRadar – eine Kooperation von acatech, der Körber-Stiftung und ZIRIUS und des Zentrums für interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart – ist eine regelmäßige, bundesweit repräsentative Befragung, die nach sozialwissenschaftlichen Standards entwickelt und mit Methoden der empirischen Sozialforschung ausgewertet wird. Als langfristig angelegtes Frühwarnsystem macht es Fehlentwicklungen des technologischen Wandels rechtzeitig erkennbar oder weist auf einen besonderen Kommunikationsbedarf hin. Gleichzeitig möchte das TechnikRadar Innovationsprozesse unterstützen, damit Produkte und Technologien im Einklang mit den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger stehen. Die Ergebnisse bieten eine fundierte Grundlage für die Diskussion um den Stellenwert, die Gestaltungsmöglichkeiten und die Regulierungserfordernisse technischer Innovationen.

->Quelle: acatech.de/umweltschutz-junge-generation-zeigt-weniger-bereitschaft-zu-verzicht