Neues Modell könnte langfristig Hochtemperatur-Supraleitung erklären
Die Vision vieler Physiker ist ein Material, das Strom bei Raumtemperatur ohne Verluste leitet. Um sie zu verwirklichen, müssen Forscher jedoch erst verstehen, warum Hochtemperatur-Supraleiter ihren Widerstand verlieren. Verglichen mit herkömmlichen Supraleitern leiten diese Materialien bei deutlich höheren Temperaturen verlustfrei Strom, bisher allerdings immer noch weit unter Null Grad Celsius. Physiker des Max-Planck-Instituts für chemische Physik fester Stoffe in Dresden weisen nun die Richtung zu einer neuen Erklärung für dieses elektronische Verhalten.
Wie viele Physiker setzen sie bei den magnetischen Eigenschaften von Hochtemperatur-Supraleitern an, weil deren magnetischen Anregungs-Spektren alle das gleiche, auffällige Erscheinungsbild zeigen. Die Dresdner Forscher liefern nun Belege gegen zwei bisher favorisierte Erklärungsansätze für das universelle Spektrum, das vermutlich mit der Hochtemperatur-Supraleitung zu sammenhängt. Zudem präsentieren sie einen alternativen Mechanismus, der auf Frustrationen in der Spin-Ordnung beruht.
Seit ihrer Entdeckung in den 80er-Jahren geben Hochtemperatur-Supraleiter der Wissenschaft Rätsel auf. Die Materialien heißen so, weil sie bei weitem nicht so stark abgekühlt werden müssen wie herkömmliche Supraleiter, bis sie ihren elektrischen Widerstand verlieren, und daher mit flüssigem Stickstoff statt sehr teurem flüssigem Helium gekühlt werden können. So wird etwa eine so genannte Kuprat-Keramik bei einer relativ hohen Temperatur von rund minus 135 Grad Celsius supraleitend. Die Gründe dafür zu verstehen, würde die Aussicht enorm erhöhen, gezielt einen Raumtemperatur-Supraleiter zu entwickeln.
Für die Suche nach dem zugrunde liegenden Mechanismus ist die Neutronenspektroskopie wichtig, bei der man Materialproben mit Neutronen aus einem Reaktor beschießt und die Wechselwirkung von Neutronen und Elektronen analysiert. Die Neutronenspektroskopie gibt Aufschluss über die magnetischen Eigenschaften eines Materials, die von der Ordnung der Elektronenspins bestimmt werden. Der Spin ist eine quantenmechanische Eigenschaft der Elektronen, die man sich in diesem Zusammenhang wie winzige Kompassnadeln vorstellen kann. Je nachdem, wie benachbarte Spins relativ zueinander ausgerichtet sind – parallel oder antiparallel – besitzt das System einen unterschiedlichen Energieinhalt. Mit der Neutronenspektroskopie lässt sich ein Spektrum der magnetischen Anregungen solcher Spin-Strukturen aufzeichnen.
Folgt: Warum ähnelt das Spektrum magnetischer Anregungen einem Stundenglas?