Oettinger vor Dahrendorf-Symposium über EU, Energie, Klima und sich selbst
Wird Europa seiner internationalen Vorreiterrolle gerecht? Wie erfolgreich ist Europa eigentlich wirklich bei der Bekämpfung des Klimawandels? Welche Aufgaben stellen sich der EU und ihren Mitgliedstaaten in der Zukunft? Am 14. und 15. November 2013 – zeitgleich mit der Weltklimakonferenz in Warschau – trafen sich in der Berliner Akademie der Künste am Pariser Platz internationale Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis zum Dahrendorf Symposium 2013, um der europäischen Klimaschutzdebatte neue Impulse zu geben. EU-Energie-Kommissar Günther Oettinger hielt die Festansprache.
Im „Großen und Ganzen“ liege man im Plan der europäischen 20-20-20-Ziele, der Einführung von 20 % erneuerbarer Energie, der Erreichung von 20 % Energie-Effizienz und 20 % Reduzierung der Treibhausgase. Aber wir sollten uns nichts vormachen: Die Begeisterung habe stark nachgelassen. Auch seien die Ursachen beispielsweise für die [[CO2]]-Reduzierung sehr unterschiedliche: In Deutschland sei es die Abwicklung der DDR-Industrie (wie in ganz Osteuropa) und die Lehman-Krise gewesen – jüngst habe der[[ CO2]]-Ausstoß bei uns gar wieder zugenommen.
„Aber“, so Oettinger vor ca. 200 Zuhörern: „2020 war gestern Abend – 2030 ist morgen früh. Wenn man in Warschau überzeugen will, muss man gute Argumente haben.“ Oettinger kündigte an, jenseits der 20-20-20-Ziele klar definierte Reduktions-Kriterien vorzuschlagen: „Für Lkw und Busse, Transport allgemein, für Luft- und Schifffahrt, aber auch jenseits der Energiewirtschaft.“ Ein Grünbuch sei auf dem Weg, das dann gut kommuniziert werden müsse, um eine europäische Gesetzgebung auf den Weg zu bringen – das solle 2015 so weit sein.
Drei skeptische Gruppierungen
Oettinger zeichnete ein eher düsteres Stimmungsbild der Beratungen: Er sehe drei Gruppen von skeptisch-kritischen Ländern und nationalen politischen Gruppierungen („die in Addition zum Worst Case führen können“):
- diejenigen, welche Europa nicht mehr wollen, wie in England, wie die wahren Finnen, wie die deutsche AfD und die Lega Norte in Italien, die erzeugten eine „klimatisch schwierige Situation“;
- die Südeuropäer, die ums Überleben kämpften, die darauf verwiesen, sie müssten zuerst ihre Haushalte konsolidieren, dann könne man – in fünf Jahren – wieder übers Klima sprechen („dass Spanien retrospektiv drei Mal die Förderung der Erneuerbaren gekürzt hat, strahlt aus“);
- die Gruppe osteuropäischer Staaten, die 2005 und 2007 zur EU gekommen seien, die zuerst Wohlstand zu erreichen suchten und dann über Klimaschutz nachdenken wollten.
Diese drei Gruppen zu integrieren, sei eine schwierige Aufgabe, aber „wir müssen alles tun, damit der Klimaschutz möglichst nicht zu steigenden Preisen führt. Klima ist unteilbar. Wir brauchen eine europäische Strategie, global vernetzt.“ Aber Oettinger warnte auch: „Wer zu ambitioniert vorschlägt, zerschellt.“ Man müsse Erreichbares vorschlagen, Rat und Parlament einbeziehen.
Effizienzziel abhängig vom Wachstum?
Er wolle ein „allgemeines Ziel und dazu ein sektorales Unterziel, wie viel Strom und Wärme jeweils aus erneuerbaren Energien umzuwandeln ist“. Bei der Effizienz müsse man überlegen, ob man sie als absolute Einheit vorschreibe, oder abhängig von der Steigerung des Bruttosozialprodukts, also abhängig vom Wachstum. Das habe aber im Augenblick im Rat „keine Chance“. Er könne den deutschen Verbänden für Erneuerbare nur raten: „Macht Mund-zu-Mund-Beatmung bei Euren dänischen, bulgarischen und rumänischen Kollegen!“
Auf dem Weg zu einem integrierten europäischen Energiemarkt sei sei noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten, auch, damit die EU bei der Pariser Klimakonferenz eien überzeugende Gesprächspartnerin werde. „Ich will zwar ein neues , höheres Erneuerbare-Energien-Ziel, aber die Stimmung hat sich geändert.“ Das gelte auch für seinen Vorschlag einer Haftpflicht für Kernkraftwerke – dennoch will Oettinger im Januar 2014 einen Vorschlag zur Vereinheitlichung vorlegen.
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