Gastkommentar von Ernest Lang, Bayerischer Rundfunk
Es hatte sich so gut angehört: Als Ministerpräsident Seehofer nach dem Reaktorunfall von Fukushima im Jahr 2011 im Landtag den Ausstieg aus der Atomenergie verkündete, wollte er Bayern zum Musterland der erneuerbaren Energien machen. Tatsächlich glänzen auf vielen Dächern Photovoltaik-Anlagen in der Sonne, haben Regionale Planungsverbände und Landkreise ihre Hausaufgaben gemacht und Vorrangflächen für die Windkraft ausgewiesen – und dennoch mehren sich in jüngster Zeit die Zweifel, ob der Atomausstieg wie geplant bis zum Jahr 2022 zu schaffen ist. Vor allem verstärkt sich der Eindruck, dass in den Amtsstuben der zuständigen Ministerien der Wille zur Energiewende eher ein bloßes Lippenbekenntnis ist. So kann der ehemalige CSU-Minister Ramsauer jetzt auch ungeniert ein weiteres Festhalten am Atomstrom fordern. Auch Ministerpräsident Seehofer selbst scheint massive Zweifel zu haben, ob seine 2011 euphorisch verkündete Vision vom energiepolitischen Musterland Bayern noch mit der Realität in Einklang zu bringen ist.
Es war zu erwarten, dass die großen Energie-Versorgungsunternehmen hinhaltenden Widerstand leisten. Der vermeintlich billige Atomstrom hat ihnen satte Gewinne beschert. Die starke Position der vier Energie-Multis in Deutschland ist auch eine Folge verfehlter Politik, gerade auch in Bayern. Der Privatisierungsfetischist Stoiber hat vor zwanzig Jahren das Bayernwerk verkauft, aber zu welchem Preis! Die Staatsregierung hat jeglichen Einfluss auf die Energiepolitik des Großkonzerns verloren! Dabei wäre staatliche Mitsprache gerade jetzt dringend geboten. Moderne Gaskraftwerke sollen die Stromlücken schließen, die dann entstehen, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht genügend Strom liefert. Aber es findet sich kein Investor für diese Gaskraftwerke. Sie rechnen sich nicht, wenn sie nur Stromlücken schließen sollen – also lassen die Energie-Multis die Staatsregierung am ausgestreckten Arm zappeln und pokern um Subventionen und Steuer-Erleichterungen.
Wie sehr die großen Energieversorger die Politiker am Nasenring vorführen, zeigt sich dieser Tage besonders drastisch. Wirtschaftsministerin Ilse Aigner hatte 20.03.2014 beim Gespräch mit Journalisten versichert, die geplante Abschaltung des Kernkraftwerks Grafenrheinfeld zum Jahresende 2015 sei problemlos möglich. Eine Lücke bei der Stromversorgung gebe es frühestens im Jahr 2017, wenn auch das AKW Gundremmingen abgeschaltet wird. Tags darauf konnte man lesen, dass E.on das Kraftwerk Grafenrheinfeld schon im Frühjahr 2015 vom Netz nehmen will. Deswegen sei mit Engpässen bei der Stromversorgung in Bayern zu rechnen. Auf Nachfrage dementierte E.on frühere Ausstiegspläne, aber Ministerpräsident Seehofer hatte sich mit dem Satz zitieren lassen, man brauche Grafenrheinfeld 2015 noch für die Versorgungssicherheit. Ja, was nun? Brauchen wir es oder brauchen wir es nicht? Wird hier nur die Wirtschaftsministerin düpiert? Oder geht es vielmehr darum, dass die Stromriesen möglichst viel Geld – Steuergeld – herausholen wollen, wenn sie zur Energiewende gezwungen werden?
Ministerpräsident Seehofer hatte in seiner Regierungserklärung verkündet, dass die Energieversorgung künftig dezentral und von vielen Bürgern getragen werden soll. Aber mit seinem faktischen Stopp der Windkraft sendet er andere Signale. Seehofer wehrt sich mit Recht gegen ein Stromnetz, das anstatt Atomstrom künftig Kohlestrom nach Bayern transportieren soll. Aber ein schlüssiges Gesamtkonzept, wie die Energiewende versorgungssicher und bezahlbar umgesetzt werden könnte, das gibt es drei Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima immer noch nicht. Viel Zeit wurde vertan. Eine überzeugende Energiepolitik sieht anders aus.
Ernest Lang ist Chefreporter Bayern beim Bayerischen Rundfunk, München
->Quelle: BR- Redaktion Landespolitik, Bayernchronik, Bayernkommentar auf Bayern 2 am 22.03.2014