Klimawandel – Herausforderung für die humanitäre Hilfe

Klimawandel verändert Katastrophenhilfe

Dürren, Überflutungen und Wirbelstürme machen es immer mehr Menschen unmöglich, in ihrer angestammten Heimat zu bleiben. Meist trifft es die Ärmsten der Armen. Das hat Konsequenzen, auch für humanitäre Hilfsorganisationen – Anlass für das „34. Forum Globale Fragen – Der Klimawandel – eine Herausforderung für die humanitäre Hilfe“ im Berliner Auswärtigen Amt am 17.06.2014 gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz, das Klimaforscher und Hilfsorganisationen zusammen brachte, um gemeinsam Strategien für effektives Risikomanagement zu entwickeln.

Es ist kein Zufall, dass der weltweite humanitäre Bedarf in den letzten Jahren stark angestiegen ist: Mitverantwortlich dafür sind die Auswirkungen des Klimawandels. Extreme Wetterereignisse wie Dürren, starke Regenfälle und tropische Wirbelstürme führen zunehmend zu humanitären Notlagen. Der schleichende Verlust an Anbau- und Weideflächen wegen Veränderungen in der Regenzeit oder zunehmender Trockenheit schafft Engpässe bei der Nahrungsmittelversorgung, was die Gefahr von Konflikten erhöht und in zunehmenden Flüchtlingsbewegungen resultiert.

Paradigmenwechsel in der humanitären Hilfe

Die Leiterin der Abteilung Vereinte Nationen und Globale Fragen im Auswärtigen Amt, Patricia Flor, wies zu Beginn der Veranstaltung darauf hin, dass die humanitäre Hilfe derzeit einem Wandel unterliege: Vom reaktiven Krisenmanagement hin zum aktiven Risikomanagement. Die sogenannte „Preparedness“ sei langfristig nachhaltiger als die Hilfe im Katastrophenfall; möglich sei sie jedoch nur durch die Prognosen von Experten.

[note Das Konzept der „Preparedness“ – der Vorbereitung auf den Katastrophenfall – soll die Reaktionsfähigkeit der Gesellschaft gegenüber Naturkatastrophen stärken. Die Bewohner gefährdeter Regionen sollen bereits vor dem Eintreten der Katastrophe die notwendigen logistischen und organisatorischen Vorbereitungen treffen und wissen, was im Ernstfall zu tun ist. Dazu gehören etwa Aktivitäten wie Frühwarnung, das Erstellen von Notfallplänen sowie Schulungsmaßnahmen.]

Zeitalter der Konsequenzen

Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Christoph Strässer, zitierte die Weltorganisation für Meteorologie, die vor zwei Wochen gewarnt habe, die Konzentration des klimaschädlichen Kohlendioxids in der Atmosphäre der nördlichen Halbkugel habe einen neuen Höchststand erreicht: „Der Klimawandel ist nicht mehr ein Problem der Zukunft – er findet bereits statt. Wir sind folglich bereits in ein Zeitalter der Konsequenzen eingetreten. Es ist die Aufgabe der humanitären Hilfe, sich auf die veränderten Herausforderungen einzustellen, sich auf die Konsequenzen vorzubereiten sowie sinnvoll und effektiv darauf zu reagieren.“

Bei aller Kritik am Klimagipfel in Kopenhagen 2009 habe dieser ein konkretes Ergebnis gehabt: Die Industrieländer hätten sich darauf geeinigt, die Entwicklungsländer bei der Bekämpfung des Klimawandels zu unterstützen, so Strässer. Bis zum Jahr 2020 wollen die Industrieländer hierfür 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen. Der hohe Betrag sei notwendig, da sich der Bedarf an humanitärer Hilfe in den letzten 10 Jahren vervielfacht habe. Der Klimawandel spielt dabei eine wichtige Rolle: Extreme Wetterereignisse sind laut Strässer schon heute für über 75 Prozent der Naturkatastrophen verantwortlich – vor allem in ohnehin schwach entwickelten Ländern.

Netzwerk zwischen Wissenschaftlern und Hilfsorganisationen

Strässer schloss mit der Ankündigung, dass das Auswärtige Amt in Vorbereitung zum World Humanitarian Summit im Jahr 2016 nationale und internationale Partner darin unterstützen wolle, den Umgang mit den humanitären Herausforderungen des Klimawandels wieder stärker auf die politische Agenda zu setzen.

Weltweit sind Millionen Menschen auf der Flucht. Sie fliehen vor Kriegen und Gewalt, vor politischer Verfolgung, aber auch vor Hunger und Elend. Seit Jahren steigt aber auch die Zahl derer, die ihre Heimat nach Naturkatastrophen verlassen müssen. Der Schweizer Staatsrechtler Walter Kälin beziffert sie allein für die Jahre zwischen 2008 und 2011 auf rund 144 Millionen. Pro Jahr wären das 29 Millionen Menschen. „80 Prozent dieser Menschen fliehen im Kontext von Ereignissen, die mit einer Veränderung des Klimas zu tun haben“, betont Kälin, der sich mit der Nansen-Initiative für die Anerkennung von Klimaflüchtlingen im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention einsetzt. „Wir sprechen also über eine Realität und nicht über eine Zukunft“, ergänzt er.

Humanitäre Hilfsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, die Welthungerhilfe oder der Malteser Hilfsdienst können Kälins Aussage nur bestätigen. Der Bedarf an humanitärer Hilfe ist in den vergangenen Jahren extrem gestiegen. Der Klimawandel bedroht vor allem die Lebensgrundlagen von Menschen in Entwicklungsländern. „Das Thema Klimawandel in allen seinen Auswirkungen und Herausforderungen ist der überbordende globale Trend, mit dem wir es derzeit zu tun haben“, sagt Wolfgang Jamann, Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe.

Das Forum Globale Fragen wurde 1999 vom damaligen Außenminister Joschka Fischer ins Leben gerufen. Es dient als Instrument für den Austausch zwischen Regierung und Zivilgesellschaft über ein breites Spektrum globaler Fragestellungen. Die Themen der Forumsveranstaltungen werden von Organisationen der Zivilgesellschaft oder vom Auswärtigen Amt selbst vorgeschlagen und richten sich nach dem beiderseitigen Diskussionsbedarf.
->Quelle(n): dw.de; auswaertiges-amt.de