EU-Kommission genehmigt GB-Kapazitätsmarkt
Kohleverstromung befeuert

EU-Kommission lässt britische Beihilferegelung zur Stromerzeugung passieren

Die Europäische Kommission hat am 23.07.2014 die von Großbritannien geplante Einführung eines Kapazitätsmarktes für Stromerzeuger genehmigt. Das Vorhaben entspreche „voll und ganz den EU-Beihilfevorschriften“, erklärte Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia in einer Mitteilung der Kommission. „Die Europäische Kommission ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der geplante Stromkapazitätsmarkt im Vereinigten Königreich mit dem EU-Beihilferecht vereinbar ist“, heißt es lapidar in der Pressemitteilung.

Mit der Kapazitätsmarkt-Regelung solle gewährleistet werden, so die EU weiter, dass auch in Zeiten besonders hoher Stromnachfrage der Bedarf gedeckt werden könne. Wie die Kommission festgestellt habe, wird die Regelung in Übereinstimmung mit den EU-Zielen dazu beitragen, die Versorgungssicherheit im Vereinigten Königreich zu gewährleisten, ohne dass es zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt kommt. In diesem Verfahren hat die Kommission erstmalig ein Beihilfevorhaben anhand der neuen Bestimmungen zu Kapazitätsmärkten in den neuen Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen (siehe IP/14/400) geprüft.

[note „Der Kapazitätsmarkt ist technologieneutral und funktioniert auf der Grundlage von Preiswettbewerb, so dass eine angemessene Stromerzeugung die Verbraucher so wenig wie möglich kostet. Damit entspricht die Regelung voll und ganz den EU-Beihilfevorschriften.“ (Joaquín Almunia, für Wettbewerbspolitik zuständiger Vizepräsident der EU-Kommission)]

Der Kapazitätsmarkt treibt die Verbraucherpreise, während die Betreiber konventioneller Kraftwerke sogenannte Windfall Profits – Zufallsgewinne – in beträchtlicher Höhe einstreichen könnten. „Die Kosten für die Schaffung eines Kapazitätsmarkts könnten bis zu drei Milliarden Euro im Jahr 2020 betragen“, so Claudia Kemfert.

Landesweite Auktionen

Der weitere Text der EU-Mitteilung im Original: „Vorgesehen ist, dass der britische Netzbetreiber jährlich landesweite Auktionen durchführt, um die zur Bedarfsdeckung erforderlichen Kapazitäten zu beschaffen. Auf diesen Auktionen dürfen sowohl existierende als auch neue Stromerzeuger, Laststeuerungs-Betreiber und Stromspeicher-Betreiber teilnehmen. Zudem hat sich das Vereinigte Königreich verpflichtet, ab 2015 auch Betreiber von Verbindungsleitungen zuzulassen.

Wie das Vereinigte Königreich ankündigte, sollen für das erste Lieferjahr (2018/19) Kapazitäten von insgesamt 53,3 GW ersteigert werden, davon 50,8 GW in einer Auktion im Dezember 2014. Der Restbedarf soll in einer Auktion ein Jahr vor Lieferfrist, d. h. 2017, beschafft werden. Künftige Auktionsmengen werden von der Regierung nach Rücksprache mit dem Netzbetreiber beschlossen. Die Kapazitätsmarkt-Regelung hat eine Laufzeit von 10 Jahren.

Im Gegenzug für eine regelmäßige Vergütung über die gesamte Laufzeit des Kapazitätsvertrags hinweg müssen die in den Auktionen erfolgreichen Bieter bei hohem Nachfragedruck Kapazitäten zur Verfügung stellen; andernfalls drohen Vertragsstrafen. Neue Erzeuger können einen Kapazitätsvertrag mit einer Laufzeit von 15 Jahren schließen. Bei anderen Kapazitätsanbietern beträgt die Regellaufzeit ein Jahr (mit Ausnahme etablierter Stromerzeuger, die erhebliche Umrüstungen vornehmen müssen). Die Höhe der Beihilfen richtet sich nach der vertraglich vereinbarten Kapazitätsmenge.

Finanzierung durch Abgabe der Stromversorger

Finanziert wird die Regelung durch eine Abgabe der Stromversorger.  Die Kommission hat die Maßnahme anhand ihrer neuen Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen (siehe IP/14/400) geprüft.Wie in den Leitlinien gefordert, hat das Vereinigte Königreich den Kapazitätsmarkt erst eingeführt, nachdem sich die Maßnahme in einer gründlichen Prüfung als notwendig und gegenüber alternativen Maßnahmen zur Gewährleistung des Versorgungssicherheits-Ziels besser geeignet erwiesen hatte. Darüber hinaus wird die Regelung vielfältige technische Lösungen ermöglichen, darunter auch nachfrageseitige Maßnahmen und Verbundlösungen. Mit dem Auktionsverfahren ist gewährleistet, dass die gewährten Beihilfen auf das erforderliche Minimum beschränkt bleiben.

Solarify dazu: Es geht um die Frage, ob ein sogenannter Kapazitätsmarkt geschaffen werden soll, bei dem Kraftwerke nicht wie derzeit Erlöse nur für den erzeugten Strom, sondern schon für bereitgestellte Kraftwerkskapazitäten Subventionen bekommen. Laut DIW-Expertin Claudia Kemfert würde dies „einen erheblichen und irreversiblen Eingriff in den Markt bedeuten und dessen Funktionsweise mittelfristig grundlegend ändern.“ So würde die Lenkung von Erzeugungskapazitäten nicht mehr durch den Markt erfolgen.  Und die Expertenkommission warnte schon 2012: „Allein schon die Ankündigung einer zukünftigen Subvention hat bereits das Potential, die heute ohnehin erkennbare Investitionszurückhaltung zu verstärken. Die Warnung vor Kapazitätsengpässen aus der Politik kann somit zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden.“ (Nach DIW und Expertenkommission im Energiewendebericht 2012)

Hintergrund: gilt nur für Großbritannien

Die Kapazitätsmarkt-Regelung gilt nur für Großbritannien, da der nordirische Strommarkt anderen Regeln unterliegt. Sie soll die Sicherheit der Stromversorgung angesichts des projizierten Nachfragewachstums und der zu erwartenden Schließung eines erheblichen Teils der gegenwärtigen Erzeugungskapazitäten gewährleistet werden. Das Vereinigte Königreich schätzt, dass die Lücke zwischen Erzeugungskapazitäten und Bedarf in Großbritannien 2017/18 ein kritisches Niveau erreichen könnte. Der Kapazitätsmarkt ist Bestandteil einer umfassenden Reform des britischen Strommarkts, zu dem weitere Fördermaßnahmen zählen wie der Ausgleich für indirekte Kosten der [[CO2]]-Preisuntergrenze  (siehe IP/14/577), die Differenzkontrakt-Regelung („Contract for Difference“, siehe IP/14/866) und die geplante Unterstützung für den Bau und Betrieb eines neuen Kernkraftwerks in Hinkley Point in Somerset (siehe IP/13/1277).

Kernkraftwerk Hinkley Point

Die eingehende Prüfung der letztgenannten Maßnahme wird fortgesetzt. Sobald alle Fragen im Zusammenhang mit dem Schutz vertraulicher Daten geklärt sind,
wird der Beschluss über das Beihilfenregister auf der Website der GD Wettbewerb unter der Nummer SA.35980 zugänglich gemacht.

Studie: Britischer Kapazitätsmarkt befeuert die Kohleverstromung

Vom britischen Kapazitätsmarkt profitieren vor allem schmutzige Kohlemeiler, so eine Studie des Beratungsunternehmens Bloomberg New Energy Finance. Dieser Studie folgend dürfte das Ganze aber zu einem Beispiel werden, wie es die deutsche Regierung lieber nicht machen sollte. Denn das System werde vor allem alte Kohlekraftwerke begünstigen, die schon lange am Netz sind und günstiger Strom produzieren als moderne Gasturbinen. Eine Subvention alter Kohlemeiler im Dienste der Versorgungssicherheit: Genau davor warnen die Kritiker eines solchen Kapazitätsmarktes auch in Deutschland (siehe: Green Wiwo).
->Quelle(n): europa.eu/866; europa.eu/865; bnef.com