Polemiken und problematische Weisheiten in Sachen Biosprit
von Bernd Ahlers
Die Veröffentlichung dieser kommentierten Recherche-Ergebnisse bedeutet nicht, dass sich Solarify sämtliche Schlussfolgerungen zu eigen macht.
- Als „Folge von Biosprit werden Lebensmittel werden deutlich teurer“ oder „Eine internationale Studie zeigt: Ethanol aus Mais oder Weizen sorgt für Hunger und schlechtere Lebensmittel“ so Susanne Amann vom Spiegel.
- „Jeder der für Agrosprit stimmt, stimmt für mehr Hunger in den ärmsten Ländern der Welt“, sagt Kathrin Birkel, „Biosprit-Expertin“ des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).
- „Es ist absurd, Getreide zu verbrennen, während manche Menschen auf der Welt nicht genug zu essen haben“ so die BILD.
Das sind nur wenige Beispiele, wie unsere Medien ein Thema ohne eigene Recherche publizieren. Dabei genügt schon eine Hinterfragung, wer die „Studien“ in Auftrag gegeben hat.
Hunger in der Welt ist ein Thema, das uns alle angeht. Äthiopien, Somalia und Uganda stehen vor der größten Hungersnot der Geschichte. Aber Biosprit dafür zur Verantwortung zu ziehen, ist – gelinde gesagt – Blödsinn.
Bis zu 2 Mrd. t Lebensmittel im Abfall
Die Welt verfügt über ausreichend Nahrungsmittel, soviel, das wir uns erlauben, jährlich zwischen 1,2 und 2 Mrd. Tonnen Lebensmittel in den Abfall zu werfen (sueddeutsche.de). Ausreichend genug, um 2,9 Mio. Menschen zu ernähren. Mehr als 20% der weltweiten Agrarflächen werden für den Anbau verschwendet, um die Lebensmittel dann im Müll zu entsorgen. Nur 19% der bei uns angebauten Getreidemengen landen direkt auf den Tellern – knapp 70% dagegen in den Trögen der Mastbetriebe, um unseren „Hunger nach Fleisch“ zu befriedigen.
Aber wenn Bürgerkriege, Terrorbanden, machtgierige Politiker die Bauern von ihren Ländern vertreiben, die dann keine Nahrungsmittel mehr anbauen können, weil sie auf der Flucht sind, wie kann da eine Verbindung zum Biosprit hergestellt werden? Nicht nur die äthiopische Regierung hat in den letzten Jahren systematisch Landwirte von Ihnen Agrarflächen vertrieben und dann die Ländereien an ausländische Investoren verkauft. Diese bauten dann aber keine Lebensmittel, sonder Blumen für unsere Supermärkte an. Gekauft auch von jenen, die lautstark Biosprit als Hungertreiber an den Pranger stellen.
Die Lebensmittelpreise könnten in diesem Jahr um bis zu 10 Prozent steigen, bei einigen Waren auch noch stärker, sagte eine Sprecherin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE). Auf welche Analysen sich die Sprecherin bezieht, bleibt mir verschlossen.
Agrarproduktpreise gesunken – Biosprit-Produktion mehr als verdoppelt
Fakt ist, dass sich die Preise für Zucker, Raps, Getreide, Palmöl und Körnermais, all jene Agrarprodukte die für die Konvertierung für Agrosprit geeignet sind, von 2011 bis heute um 50 bis 120 % gesunken sind. Im gleichen Zeitraum hat sich die Biosprit-Produktion mehr als verdoppelt. In Brasilien beträgt der Bioethanol-Anteil am Kraftstoffverbrauch fast 70%.
Die USA haben 2013 über 15 Mio. t Bioethanol aus Körnermais erzeugt (Weltmarktführer) und einen Anteil im Kraftstoff von 12,5% erreicht. Weltweit steigende Biospritproduktion – fallende Agrarpreise! Wenn wir nun die gleichen Argumente der Biosprit-Analysten aufgreifen, können wir jetzt die These aufstellen: „Biosprit reduziert Lebensmittelpreise“.
Im gleichen Zeitraum, in dem die Preise für Mais, Getreide, Raps, Zucker und Palmöl gefallen sind, haben sich die Preise für Strom und Öl fast verdoppelt. Darüber sollten die Medien berichten und auch darüber, wie wir uns von Ölimporten unabhängiger machen können.
Hier aktuelle Agrar-Marktpreise, sowie Tabellen der Entwicklung der letzten Jahre der Zucker- Palmöl- Raps-Preise