Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit – Energiewende geht nur europäisch
Verbraucher, Politik und Unternehmen haben die Zeichen der Zeit beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland erkannt. Darin waren sich die rund 250 Teilnehmer und Referenten der 5. Handelsblatt Jahrestagung Erneuerbare Energien 2014 einig. Vom 25.-27.08.2014 hatten sie in Berlin über die europäische Dimension der Energiewende und die Folgen der jüngsten EEG-Novelle diskutiert.
„Ich sehe die Zukunft der erneuerbaren Energien mit einem lachenden und einem weinenden Auge“ – mit diesem Bekenntnis in seiner Keynote zur europäischen Energiewende eröffnete Mike Winkel, Mitglied des Vorstands von der E.ON SE die Tagung. „Auf der einen Seite boomen die Erneuerbaren – nicht nur in Europa sondern weltweit. Auf der anderen Seite laufen sie Gefahr, Opfer ihres eigenen Erfolgs zu werden.“ Während zuletzt allein in Europa ein Zubau von rund 60 Prozent zu verzeichnen sei, gefährde der Energy-Only-Markt die Wirtschaftlichkeit. Denn an sonnen- und windstarken Tagen tendieren die Marktpreise aufgrund der wachsenden Menge an eingespeistem regenerativem Strom immer häufiger gen Null. Angesichts der Marktintegration der regenerativen Energien und des schrittweisen Abbaus der Einspeisevergütungen müsse das System des Energy-only-Marktes überdacht werden, um Investitionen in erneuerbare Energien weiterhin attraktiv zu halten.
Joachim Balke, Policy-Officer Renewable Energies der EU Kommission, betonte in seinem Vortrag die Rolle eines integrierten Ansatzes der europäischen Energiewende. Mit den Zielen für 2020 – 20 Prozent weniger CO?, 20 Prozent mehr erneuerbare Energien und 20 Prozent weniger Energieverbrauch im Vergleich zu 1990 – verfolge die Kommission ein ganzheitliches Energiekonzept, das Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Wirtschaftlichkeit in Einklang bringen wolle. Insgesamt sieht Balke die Erreichung der 2020-Zieltrias auf einem guten Weg, was z.T. aber auf die Wirtschaftskrise und den damit verbundenen niedrigeren Energieverbrauch zurückzuführen sei. Gerade im Bereich Energieeffizienz gebe es noch Handlungsbedarf. Zudem seien nach Berechnungen der Kommission im Zeitraum bis 2030 Investitionen in Höhe von 38 Mrd. Euro pro Jahr in das europäische Energiesystem nötig. Hier käme es aber nur zu einer Verschiebung der Kosten. Denn während auf der einen Seite zusätzliche Kosten durch den Ausbau der regenerativen Energien entstünden, komme es auf der anderen Seite zu Einsparungen bei fossilen Brennstoffen.
Zwischen regionaler Akzeptanz und grenzüberschreitendem Netzausbau
Christian Pegel, Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, sieht das Thema Energiewende aus der regionalen Perspektive. Ohne die Akzeptanz der Bürger vor Ort sei die Energiewende nicht zu schaffen. Daher wolle er ein Bürger- und Kommunalbeteiligungsgesetz vorlegen. Das sehe eine 20-prozentige Beteiligung für Bürger und Kommunen im Umkreis von fünf Kilometern jeder geplanten Windenergieanlage vor. „Indem betroffene Bürger auch wirtschaftlich profitieren, erhöht sich die Akzeptanz“, so Pegel. Neben der Akzeptanzförderung vor Ort sah der Minister aber auch im Netzausbau eine große Herausforderung für die Energiewende. Durch den Ausbau der dezentral erzeugten erneuerbaren Energien steige der Bedarf an zusätzlichen Netzen vor allem in Westdeutschland. Nur so könne der Strom vom Produktionsort im ländlichen Raum an die Verbrauchsorte in den Ballungsräumen transportiert werden.
„Elektronen interessieren sich nicht für nationale Grenzen“
Um den Netzausbau ging es auch bei der anschließenden Diskussionsrunde zum Thema „Energie Schengen“. Konstantin Staschus vom Verband Europäischer Übertragungsnetzbetreiber ENTSO-E betonte die Bedeutung eines grenzüberschreitenden intelligenten Netzes und eines bewussten Umgangs mit Strom auf Seiten der Verbraucher. Das Ziel: Verbrauch und Produktion besser in Einklang bringen. Patrick Graichen vom Think Tank Agora Energiewende ergänzte, dass der Netzausbau mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien einhergehen müsse. Denn bei 50 Prozent Strom aus volatilen Quellen entstünden starke Schwankungen im Netz, die nur durch grenzüberschreitenden Im- und Export aufgefangen werden könnten. Speicher seien aus Kostengründen keine praktikable Alternative. Während Europa von einer gemeinsamen Lösung in punkto Versorgungssicherheit noch weit entfernt sei, finde der grenzüberschreitende Austausch von Leistung bereits erfolgreich statt, war sich die Runde einig. „Elektronen interessieren sich nicht für nationale Grenzen“ brachte es Wolfram Vogel von EPEX Spot European Power Exchange auf den Punkt.