Grüne: „Energiewende sichern – Solarwirtschaft stärken!“

Ein Antrag der Fraktion Bündnis90/Die Grünen
Energiewende sichern – Solarwirtschaft stärken

I. Der Bundestag wolle beschließen:

Die von rot-grün mit dem EEG im Jahre 2000 eingeführte erfolgreiche Förderung der  Solarstromerzeugung hat sich als wirksame Investition in den Ausbau erneuerbarer Energien  und in den Klimaschutz erwiesen. Binnen eines guten Jahrzehnts hat sich der  Solarstromanteil in Deutschland von rund 0,01 auf heute über 4 % erhöht – Tendenz stark  steigend. Zugleich sind die Preise für die Erzeugung von Solarstrom durch technologischen  Fortschritt und einen zunehmenden internationalenWettbewerbsdruck alleine seit 2008 um  etwa 60 % gesunken. Damit liegen die Kosten der Solarstromerzeugung heute in Deutschland  unter dem Preis, den Privatkunden für ihren Strom bezahlen, was noch vor einem Jahrzehnt  für viele für nicht möglich gehalten wurde. Damit hat sich die rot-grüne EEGInnovationspolitik  als überaus erfolgreich bewährt.  Der Ausbau der Solarstromerzeugung wurde in den letzten Jahren ohne nennenswerte  zusätzliche Belastung der Verbraucherinnen und Verbraucher erreicht. So bewirkte der Zubau  neuer Anlagen zur erneuerbaren Stromerzeugung im Jahr 2011 eine Erhöhung der EEGUmlage  um lediglich 0,02 ct/kWh, während die Strompreise im Mittel um fast 1 ct/kWh  angehoben wurden. Selbst eine radikale Beschränkung des Zubaus von Solarstromanlagen auf  1000 MW pro Jahr würde bis 2016 den Haushaltsstrompreis nur um 0,3 ct/kWh verringern.  Die Solarstromförderung hat zudem auch wirtschafts- und technologiepolitisch einen hohen  Stellenwert. Im letzten Jahrzehnt ist in Deutschland eine neue innovative Branche entstanden,  in der heute rund 130.000 Menschen arbeiten und in der jährlich rund 10 Mrd. Euro investiert  werden. Deutschland hat zudem auf der Grundlage der rot-grünen EEG-Förderung eine  Technologieführerschaft im Solarmarkt erreicht.

Dieser Erfolg ist aber akut bedroht. Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass die Solarbranche  in einer manifesten Krise steckt. Fast alle Unternehmen weisen ungünstige Jahresergebnisse  auf, viele machen hohe Verluste – nicht nur in Deutschland, sondern auch in China. Die  weltweite Produktionskapazität von Solarmodulen liegt aktuell mit 60 Gigawatt deutlich über  der Nachfrage von rund 27 GW. Die Lager sind gefüllt, die Preise sinken. Die Produktion wird vielerorts gedrosselt, die Forschung in vielen Unternehmen zurückgefahren oder gar gestoppt.

Diese Entwicklung wird jedoch nur vorübergehend sein, da gerade auf Grund des starken  Preisverfalles nun die internationalen Märkte stark expandieren.  Gerade deshalb ist es eine Frage der wirtschafts- und technologiepolitischen Vernunft, die  deutsche Solarindustrie in der jetzigen Krise zu unterstützen, um ihre starke  Wettbewerbsposition auf den weltweiten Exportmärkte zu erhalten und das Feld nicht allein  den chinesischen Herstellern zu überlassen.

Vor allem der Wettbewerbsdruck aus China nimmt stark zu. Die chinesische Solarindustrie  wird in besonderem Maße von der chinesischen Regierung gestützt, da die chinesische  Regierung die strategische Bedeutung der Solarwirtschaft sowohl für die kommenden  Exportmärkte als auch für die zukünftige chinesische Energieversorgung erkannt hat. So  werden Kreditlinien von staatlichen Banken bereit gestellt, die es den Unternehmen trotz  einbrechender Margen erlauben, weiter in Produktion und Forschung zu investieren.  Die Finanzierungssituation für die deutschen Solarunternehmen hat sich dagegen erheblich  verschlechtert. Davon betroffen ist die gesamteWertschöpfungskette, von den  Modulherstellern bis zu den Projektierern. Angesichts der weltweiten Überkapazitäten stand  die Branche bei den Banken ohnehin unter verstärkter Beobachtung. Aufgrund des politischen  Drucks in Deutschland als größter Binnenmarkt ziehen sich die Banken nun flächendeckend  aus der Finanzierung zurück. Dadurch wird die gerade in Deutschland erforderliche  Erneuerung von Produktionsanlagen behindert und die Mittel für die Realisierung größerer  Solarprojekt im In- und Ausland und für Innovationen fehlen. Dieser massive  Wettbewerbsnachteil bei den Finanzierungsbedingungen wird zum Schlüsselfaktor für die  zukünftige Existenz der deutschen Solarindustrie.
Statt zu helfen hat die Bundesregierung in dieser schwierigen Ausgangslage eine drastische  Kürzung der Vergütung für Solarstrom und teilweise sogar eine Beendigung von  Vergütungszahlungen für künftig erzeugten Solarstrom beschlossen. Zudem soll der Ausbau  der Fotovoltaik gegenüber dem Zubau der letzten Jahre mehr als halbiert werden. Der  Bundestag hat diese Pläne mit wenigen Änderungen mit den Stimmen der Koalition Ende  März beschlossen. Inzwischen hat eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat die Anrufung des  Vermittlungsausschusses beschlossen, um den Gesetzentwurf grundlegend zu überarbeiten.  Mit dem von der Bundesregierung beabsichtigten drastischen Kürzung der EEG-Vergütung  wird die deutsche Solarwirtschaft zusätzlich und entscheidend geschwächt. Ab dem Sommer  2012 ist mit dem von Schwarz-Gelb beabsichtigten Einbrechen des Solarzubaus in  Deutschland zu rechnen. Die inzwischen 4. EEG-Novelle binnen zweier Jahre hat jegliche  Planungssicherheit unterminiert und der aufstrebenden, gerade für Ostdeutschland so  wichtigen, Solarwirtschaft die wirtschaftliche Basis entzogen.
Aufgrund der falschenWeichenstellung der Bundesregierung drohen weitere Einnahmeverluste, die die wirtschaftliche Situation in den Solarunternehmen weiter verschärfen. Unternehmensschließungen, sowie der Ausverkauf deutscher Unternehmen an chinesische Konkurrenten finden jetzt bereits statt. Und es drohen künftig mehr zu werden.
Um die Solarwirtschaft zu stärken, gilt es die Forschungsanstrengungen zu erhöhen. Es besteht ein hohes Innovationspotenzial in den Bereichen Zelldesign, den elektrischen Komponenten, Netz- und Gebäudeintegration und den Produktionsverfahren. Deutsche Unternehmen könnten durch Fortschritte auf diesen Gebieten neue Märkte erschließen und die Technologieführerschaft sichern.
Der Deutsche Bundestag stellt fest, dass es zur Sicherung der Zukunft der Solarwirtschaft in  Deutschland dringend und schnell wirksame Stützungsmaßnahmen geben muss. Die  Schlüsseltechnologie Solarenergie muss in Deutschland weiterhin eine Zukunft haben.  Dazu muss das Erneuerbare Energien Gesetz entsprechend behutsam weiterentwickelt  werden. Überzogene Kürzungen der Vergütung und die schrittweise Beendigung der  Vergütungszahlungen über das so genannte „Marktintegrationsmodell“ dürfen nicht realisiert  werden. Eine Anhebung des Ausbaukorridors zusammen mit unterstützenden Maßnahmen für  die Netzintegration sind unverzichtbar. Über das EEG hinaus sind Maßnahmen zur Stärkung derWettbewerbsfähigkeit und zur  Verbesserung der Finanzierungsbedingungen erforderlich. Denn allein über das EEG wird die  schwierige Situation der deutschen Solarunternehmen nicht zu lösen sein.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. denWiderstand der Bundesländer gegen den Gesetzentwurf zur EEG-Novelle ernst zu  nehmen und die Kürzung der Solarstromvergütung im Rahmen der Verhandlungen im  Vermittlungsausschusses so abzumildern, dass die deutsche Solarwirtschaft in Deutschland  gestärkt und der Vergütungsanspruch für allen in Deutschland erzeugten Solarstrom zu  100 Prozent erhalten bleibt.. Zudem soll der Ausbaukorridor gegenüber dem Beschluss des  Bundestages deutlich erhöht werden.
2. Anreize für die stärkere Netzintegration erneuerbarer Energien zu schaffen und im EEG  einen Speicherbonus einzuführen;
3. umgehend ein Krisentreffen mit Vertretern der Solarbranche und der Finanzbrancheeinzuberufen, um die Finanzierungskrise zu überwinden;
4. darauf hinzuwirken, dass Bankkredite für die Solarindustrie, mit denen Investitionen in Innovationen und die Erneuerung von Produktionsanlagen sowie von Maschinenparks finanziert werden, über staatliche Bürgschaften, z. B. durch die KfW oder die Bürgschaftsbanken, abgesichert werden;
5. darauf hinzuwirken, dass die KfW ein Kreditprogramm für Solarprojekte, an denen deutsche Unternehmen beteiligt sind, auflegt;
6. eine Forschungsoffensive zu starten und das Forschungsprogramm „Innovationsallianz Photovoltaik“ deutlich aufzustocken und so z. B. die technologischen und wirtschaftlichen Potenziale im Bereich System- und Gebäudeintegration, Produkt- und Prozessinnovationen sowie Speichertechnologien zu erschließen; eine Gegenfinanzierung könnte aus Mitteln der wirtschaftlich wie energiepolitisch völlig erfolglosen Forschungsunterstützung für die Kernfusion erfolgen;
7. insbesondere mit der chinesischen Regierung, aber auch Indien, USA u.a. unverzüglich und auf höchster Ebene Gespräche über die Schaffung fairerWettbewerbsbedingungen, und gegenseitig freier Marktzugänge in der weltweiten Solarbranche und die Einhaltung derWTO-Regeln aufzunehmen. 22.05.2012

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