„Noch ein wenig Zeit“
Die Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Dr. Barbara Hendricks, hielt in der Aktuellen Stunde zur Haltung der Bundesregierung zu den alarmierenden Ergebnissen des Weltklimaberichts und dem Handlungsbedarf für mehr Klimaschutz vor dem Deutschen Bundestag in Berlin am 06.11.2014 eine Rede – Solarify dokumentiert.
Erschreckend und ermutigend
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Bekämpfung des Klimawandels – wir wissen es alle – ist die zentrale Herausforderung unserer Zeit. Die Generationen, die nach uns kommen, werden uns dafür danken, dass wir sie bewältigt haben, oder sie werden uns fragen, warum wir nicht den Mut gefunden haben, uns der Zerstörung unseres Planeten in den Weg zu stellen.
Der IPCC-Bericht, der am Wochenende vorgelegt worden ist, ist aus meiner Sicht erschreckend und ermutigend zugleich. Er ist erschreckend, weil der Klimawandel keine ferne Bedrohung ist, sondern bereits stattfindet. Das wird auch von niemandem mehr ernsthaft bestritten. Das war vor einigen Jahren – auch in manchen Wissenschafts-kreisen – noch anders. Dies hat sich jetzt auch in Wissenschaftskreisen erledigt. Es gibt allerdings noch einzelne Regierungen, wie zum Beispiel die neue Regierung in Australien, die anderer Auffassung sind. Im Prinzip wird das aber nicht mehr bestritten.
Der nun vorliegende IPCC-Bericht ist aber zugleich ermutigend, weil wir noch ein wenig Zeit haben, den Klimawandel in den Grenzen zu halten, in denen er noch beherrschbar ist. Der Bericht macht ganz klar: Die Begrenzung der Erwärmung auf zwei Grad im Verhältnis zur vorindustriellen Zeit ist noch möglich; aber dafür ist entschlossenes und schnelles Handeln natürlich die Voraussetzung. – Ja, wir haben nicht mehr viel Zeit; das ist gar nicht zu bestreiten.
Bis 2100 müssen wir CO2-frei sein
Es muss gelingen, den Ausstoß der Treibhausgase bis 2050 gegenüber 2010 global um 40 bis 70 Prozent zu senken; bis 2100 müssen es 100 Prozent sein. Deutschland muss Europa mitreißen und wird dies auch weiter tun, und Europa muss die Welt mitreißen.
Wahr ist: In Deutschland hat sich schon viel bewegt. Wir verfügen über die notwendigen technischen Mittel, um den Energiesektor schrittweise zu dekarbonisieren, die Energieeffizienz deutlich zu steigern und ehrgeizige Einsparungen in privaten Haushalten, in der Industrie, im Gebäude- und Transportbereich und bei der Landnutzung zu erzielen; auch das ist uns möglich. Jetzt, in diesem Jahr, haben die erneuerbaren Energien bei uns einen Anteil an der Stromerzeugung von fast 30 Prozent: Aktuell sind es etwa 28,5 Prozent, und wir sind noch nicht am Ende dieses Jahres. Damit liegt der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung erstmals vor dem Anteil von Kohle. Das war bisher noch nie der Fall. Das ist ein Erfolg.
Wahr ist aber auch: Die Anstrengungen sind seit einer Reihe von Jahren – unabhängig davon, wer die politische Verantwortung getragen hat – zu keinem Zeitpunkt ausreichend gewesen. Deswegen gibt es eine prognostizierte Lücke bei der Erreichung unseres Minderungsziels von 40 Prozent bis 2020 von fünf bis acht Prozent. Die Zielerreichung ist keineswegs trivial, sondern durchaus schwierig. Das heißt aber nicht, dass ich mich etwa davon verabschieden wollte, Herr Krischer. Wir werden vor dieser Aufgabe nicht davonlaufen, und wir werden unsere Ansprüche nicht relativieren.