Solarify-Selbst-Gespräch: Dii-Chef Paul van Son erklärt, warum Wüstenstrom-Idee nicht gescheitert ist
Im Gegensatz zu manchem in den Medien vorschnell geläuteten Totenglöcklein ist die Desertec-Vision vom (sauberen) Strom aus den Wüsten der Welt für die Ballungsgebiete keineswegs gescheitert. „Die Dii hat viel erreicht, und sie macht weiter“ – so das Kurzfazit des „fliegenden Wüstenstrom-Holländers“ Paul van Son. Van Son startet nach fünf Jahren durch: aus Dubai – mit drei Gesellschaftern, einer verkleinerten, aber schlagkräftigen Dii GmbH und einem Netzwerk unter dem Titel „Supporters of Desert Energy“.
…also wenn Sie mich fragen…:
Ist Energie aus den Wüsten in Wirklichkeit eine „Fata Morgana“ oder wird aus der Vision das „iPad der Energieversorgung“?
Es wird wohl kaum noch Energieexperten geben, die nicht einsehen, dass die weltweite Energieversorgung total im Umbruch ist. Nach mehr als zweihundert Jahren (Braun-)Kohle, sukzessive auch Öl, Kernenergie und Erdgas, erkennen inzwischen wohl alle, dass fossile Brennstoffe inklusive Kernenergie zwar eine langjährige, weltweite Wachstumswelle ermöglicht haben, aber aus mehreren Gründen keine tragfähigen Zukunftsoptionen mehr sind. Die gute Nachricht ist aber, dass es mehr als ausreichend wirtschaftlich attraktive Auswege gibt: An erster Stelle die Effizienz, also kluge Nutzung von Energie und keine Verschwendung mehr, dann die lokalen erneuerbaren Energiequellen und schließlich die Nutzung der riesigen, oft weiter entfernten Energieträger, wie Wasserkraft in den Bergen, Sonne und Wind in bisher ungenutzten Gebieten, besonders Wüsten und Meere. Die Desertec-Idee richtet den Fokus auf fast unbegrenzte saubere Energie aus den Wüsten unserer Erde. 2009 haben wir mit einer Gruppe internationaler Unternehmen angefangen, die praktische Seite des Wüstenstroms zu untersuchen und dafür die notwendigen Voraussetzungen im Energiemarkt anzustoßen. Vor allem mithilfe von Fraunhofer- und Max-Planck-Gesellschaft, mit CESI in Italien und vielen anderen Instituten und Instanzen haben wir überzeugend festgestellt, dass Wüstenstrom einerseits die beste Option ist, um langfristig den Energiebedarf der Wüstenländer und -anrainer zu decken und andererseits ein interessantes Exportprodukt wird. Wir wissen nun, dass Wüstenstrom das Potenzial hat, in freiem Wettbewerb den weltweiten Energiebedarf zu großen Teilen zufrieden zu stellen.
Das klingt alles schön, aber in Deutschland, wo die Desertec-Idee entstanden ist, ist man nicht so zuversichtlich. Die Desertec Industrie Initiative ist doch gescheitert…?
Johannes Rau hat einmal gesagt, dass die Deutschen, wenn sie Licht am Ende des Tunnels sehen, lieber noch ein bisschen Tunnel anbauen. Ich habe oft das Gefühl, dass man in Deutschland ein gewisses Vergnügen daran empfindet, Ideen und Prozesse als „gescheitert“ zu qualifizieren. Jedenfalls wird das „Scheitern“ beim Thema Wüstenstrom gerne voreilig diagnostiziert. Obwohl die Dii GmbH den internationalen öffentlichen und privaten Sektor für diese Bewegung gewinnen konnte, wurde das Ausscheiden einiger Unternehmen sofort als Beleg für den Zusammenbruch unserer Initiative gewertet. Das wundert mich sehr, denn die Laufzeit der Dii GmbH wurde zwischenzeitlich wegen ihres erfolgreichen Arbeitens von ursprünglich geplanten drei auf fünf Jahre verlängert. Die Dii hat in dieser Zeit überzeugend die sehr großen langfristigen Synergievorteile der Integration von Wüstenstrom in die lokalen Märkte im Nahen Osten und Nordafrika (MENA) nachgewiesen. Während vor fünf Jahren viele Länder noch abgeneigt waren, wollen nun praktisch alle MENA-Länder (vorläufig mit Ausnahme von Krisengebieten wie Libyen und Syrien) die Erzeugung von Wind- und Sonnenenergie ermöglichen. Nichts spricht dagegen, dass Wüstenstrom in mittlerer Zukunft auch günstig nach Europa verkauft werden kann. Umsomehr, wenn endlich die überhöhten Subventionen für Fossile und Atomenergie (laut IEA weltweit viermal so viel wie für Erneuerbare) abgebaut werden. Sorgfältige Szenarien zeigen nach wie vor die reelle langfristige Perspektive, 100% des lokalen und 10-15% des europäischen Marktes mit Wüstenstrom zu versorgen. Wie kann man das heute „gescheitert“ nennen?
Folgt: Desertec war aber doch ursprünglich ein „400 Milliarden-Euro-Projekt“…