Am 28.02.2015 angefahren – Profite umstritten
Mit jahrelanger Verspätung hat Vattenfall das Steinkohle-Kraftwerk Hamburg-Moorburg offiziell ans Netz angeschlossen. Nach mehr als einem Jahr Probe- und Testbetrieb erfülle der erste Block des Kraftwerks mit 827 MW jetzt die Anforderungen des Netzbetreibers, teilte Vattenfall mit. Während des Probelaufs seien schon mehr als 1,6 GWh Strom ins Netz eingespeist worden. Der zweite Block soll im Sommer folgen. Für Umweltschützer ist der kommerzielle Start des Kohlemeilers ein „schwarzer Tag für den Klimaschutz“.
Bei Vattenfall hatten sie ursprünglich auf den großen Wurf gehofft, doch das Mega-Projekt wurde eher zu einem weiteren Beispiel in der Reihe deutscher Großbaustellen-Desaster. Die Kosten des Baus, der bereits 2012 hätte fertig sein sollen, stiegen von 1,7 geplanten auf knapp 3 Mrd. Euro, auch weil die Grünen unbeeindruckt von der angeblichen wirtschaftlichen Notwendigkeit Umweltauflagen für das ungeliebte Kohlekraftwerk durchsetzten.
„Kohle-von-Beust“
Als 2008 Deutschlands erste schwarz-grüne Landes-Koalition ins Amt kam, musste ausgerechnet die Grünen-Umweltsenatorin Anja Hajduk das „[[CO2]]-Monster“ genehmigen – und stürzte ihre Partei und die Koalition in eine ernste Krise. Waren doch die Grünen mit „Kohle von Beust“-Plakaten in den Wahlkampf gezogen, und dem Versprechen, mit ihnen gebe es kein Kohlekraftwerk Moorburg. Hajduk, inzwischen wieder MdB, ärgert der damals erzwungene Bruch des Wahlversprechens heute noch: „Ich halte das Kraftwerk immer noch aus politischen, ökologischen und im übrigen auch wirtschaftlichen Gründen für nicht überzeugend und schon gar nicht nachhaltig.“ Selbst wenn der Wirkungsgrad des Kraftwerks mit 46,5 Prozent über dem deutschen Durchschnitt von 38 Prozent liege, produziere Moorburg bei voller Auslastung 8,5 Mio. t [[CO2]] pro Jahr. Hajduk entsprechend: „Mit der Inbetriebnahme eines Kohlekraftwerks hinkt Vattenfall den Zeichen der Zeit hinterher.“
Fernwärmeleitung gekippt
Die Gerichtsstreitigkeiten sind noch nicht beendet: Möglicherweise kommt Moorburg noch vor den Europäischen Gerichtshof. Die Streitthemen waren vielfältig – sie reichten von einer Fischtreppe bis zu den Kühltürmen. Auch in der Öffentlichkeit war Moorburg umstritten – immerhin hatte sich Vattenfall durch seine miserable Öffentlichkeitsarbeit bei den Pannen in den nahe gelegenen AKW Krümmel und Brunsbüttel kräftig blamiert. Ausgesprochen negativ kam denn auch bei der Öffentlichkeit die Auseinandersetzung um eine Fernwärmeleitung durch Altona an, denn Vattenfall wollte seine Heizrohre mitten durch einen Park führen und dafür 400 Bäume fällen. Die Proteste fielen lautstark aus, obwohl der Konzern versprach, 1200 neue Bäume zu pflanzen. Letztlich stoppten Gerichte das Projekt – das Planfeststellungsverfahren ist bis heute nicht geklärt. „Kein Hamburger Senat wird sich für eine solche Anbindung heute noch politisch einsetzen“, ist BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch dem NDR gegenüber überzeugt.
BUND glaubt nicht an profitablen Betrieb
Weil die Fernwärme wegfiel, muss Vattenfall mit deutlich weniger Einnahmen rechnen. Dennoch versichert Hamburg-Chef Pieter Wasmuth: „Die Erlöse aus dem Stromverkauf sind höher als die Kosten der Stromerzeugung“. Das bezweifelt BUND-Chef Braasch: „Alle wichtigen Parameter – von der fehlenden, ursprünglich geplanten Auskopplung von Fernwärme bis hin zu den heutigen Umbrüchen am Strommarkt – sprechen gegen einen profitablen Betrieb der Anlage.“ Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ließ dem NDR ausrichten, dass er dazu nichts sagen wolle.
[note Vattenfalls Standpunkt: „Beeindruckend hoher Wirkungsgrad – deutlich weniger Emissionen“
Auf seiner Internetseite veröffentlicht Vattenfall seine Sicht der Dinge: Das Kraftwerk Moorburg werde jährlich rund 11 GWh Strom erzeugen und decke damit fast den kompletten Bedarf Hamburgs. „Mit einem sehr hohen Wirkungsgrad von 46,5 Prozent wird die Anlage eine der modernsten und umweltverträglichsten Steinkohlekraftwerke in Europa sein. Sie wird zum nachhaltigen Umgang natürlicher Ressourcen beitragen. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Wirkungsgrad deutscher Steinkohlekraftwerke liegt bei 38 Prozent. Moderne Kohlekraftwerke benötigen für jede erzeugte Kilowattstunde weniger Steinkohle. Für das Kraftwerk Moorburg rechnet Vattenfall mit rund 750 Gramm pro ins Netz abgegebener Kilowattstunde. Zum Vergleich: Ältere Steinkohlekraftwerke liegen bei 950 g/kWh. Moorburg wird daher Jahr für Jahr rund 2,3 Mio. t CO2 weniger in die Atmosphäre ausstoßen als ein bestehendes Steinkohlekraftwerk mit vergleichbarer Leistung, aber niedrigerem Wirkungsgrad. Das entspricht dem jährlichen CO2-Ausstoß von 1,2 Millionen Autos. Tatsächlich spart das neue Kraftwerk mit eine Anlage zur CO2-Abscheidung Jahr für Jahr circa 2,3 Mio t CO2 bei voller Leistung ein.“]
->Quellen: