Klimaphänomen „El Niño“ ein Jahr im Voraus angekündigt
Das aktuelle Wetterphänomen „El Niño“ ist einer gemeinsamen Pressemitteilung der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) zufolge von einem Team aus deutschen und israelischen Wissenschaftlern über ein Jahr im Voraus angekündigt worden – so früh wie nie zuvor – und zeitlich korrekt. Dieser Durchbruch in der Vorhersage des wichtigsten natürlichen Klimaphänomens gelang mit Hilfe eines neuen Algorithmus, der auf einer Netzwerk-Analyse der Lufttemperaturen im Pazifikraum beruht. Solche langfristigen Vorhersagen können Bauern in Brasilien, Australien oder Indien helfen, sich vorzubereiten und die Aussaat entsprechend anzupassen.
Die Wissenschaftler vom Institut für Theoretische Physik der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU), dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und der Bar-Ilan-Universität in Tel Aviv hatten sich dazu entschieden, die Frühwarnung vor über einem Jahr in dem renommierten Wissenschaftsmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) zu publizieren – dabei waren sie sich des Risikos eines Fehlalarms und des damit verknüpften Reputationsrisikos bewusst.
„Mehr als fünfzig Klimamodelle sind benutzt worden um El-Niño-Ereignisse vorherzusagen, sie warnen aber mit relativ geringer Präzision und das nur etwa sechs Monate im Voraus“, sagt Prof. Shlomo Havlin, von der Bar Ilan Universität. „In unserem neuen Ansatz, einer Klima-Netzwerk-Analyse, welche die Entwicklung von Netzwerk-Links im Pazifischen Ozean untersucht, waren wir in der Lage, die Vorwarnzeit auf ein Jahr zu verdoppeln, mit einer bisher unerreichten Vorhersagegenauigkeit von 75 Prozent.“
„Während konventionelle Methoden offenbar nicht zu einer verlässlichen ‚El Niño‘-Prognose mehr als sechs Monate im Voraus in der Lage sind, können wir mit unserer Methode die Vorwarnzeit mindestens verdoppeln“, betonte JLU-Physiker Prof. Dr. Armin Bunde, der mit seinem Kollegen Dr. Josef Ludescher die Studie leitete. „Auch bei einem Prognosezeitraum von sechs Monaten schneidet sie deutlich besser ab.“
Während die anderen Vorhersagen immer wieder um Wahrscheinlichkeiten von rund 60 Prozent schwankten – noch im November lagen sie bei nur 58 Prozent – , blieb die neue Methode über den gesamten Prognosezeitraum stabil bei rund 75 Prozent. Der US-amerikanische Wetterdienst NOAA hat erst vor wenigen Tagen die Ankunft von „El Niño“ bestätigt. Japanische Vorhersagen sahen die Bedingungen im letzten Dezember erfüllt. Die korrekte Vorhersage war dieses Mal offenbar noch schwieriger, da die Auswirkungen des Wetterphänomens in diesem Winter ungewöhnlich schwach ausgeprägt sind. Umso bemerkenswerter ist es, dass die Prognose der Physiker trotzdem korrekt war. Eine Aussage über die Stärke von „El Niño“ ist mit dem Algorithmus derzeit noch nicht möglich.
Mit einer Vorwarnzeit von bislang höchstens einem halben Jahr haben die Menschen vor allem in den Tropen und Subtropen in unregelmäßigen Abständen um die Weihnachtszeit herum mit den oft katastrophalen Folgen von „El Niño“ (spanisch für das „Christkind“) zu kämpfen – leere Fischernetze und sturzbachartige Regenfälle in Peru sowie ausgedehnte Dürreperioden in Teilen Südamerikas, Indonesiens, Australiens und Afrikas. Darüber hinaus kann es über dem indischen Subkontinent zu einer Änderung des Monsuns und in Kalifornien zu mehr Niederschlag kommen.
Auswirkungen wegen Schwäche dieses Jahr weitgehend ausgeblieben
Diese Auswirkungen sind wegen der Schwäche des Phänomens in diesem Jahr weitgehend ausgeblieben. Allerdings ist es möglich, dass der Zyklon, der in den vergangenen Tagen Vanuatu verwüstete, die westlichen Winde in der Pazifikregion verstärken wird. So könnten auch die „El Niño“-Folgen in den kommenden Woche noch deutlicher zu spüren sein.
Die Forscher nutzten für ihre Untersuchungen ein Netzwerk aus atmosphärischen Temperaturdaten im tropischen Pazifik, das aus 14 Gitterpunkten im „El Niño“- Kerngebiet am Äquator und 193 Punkten außerhalb dieses Kerngebietes im Pazifikraum besteht. Die Physiker hatten herausgefunden, dass schon im Jahr vor dem Ausbruch eines „El Niño“ die Fernwirkung zwischen den Lufttemperaturen inner- und außerhalb des Kerngebiets deutlich stärker wird. Diesen Effekt nutzten sie für die Festlegung ihres Prognose-Algorithmus.
Folgt: Einblick in die Mechanismen des rätselhaften Klimaphänomens