…fragt die neue Ausgabe der Helmholtz Perspektiven
Deutschland scheint bei der Energiewende auf einem guten Weg: Bereits 27 Prozent unseres Strombedarfs decken erneuerbare Energiequellen, die Freisetzung von CO2 ist im Vergleich zu 1990 um 27 Prozent zurückgegangen. Doch die bisherigen Erfolge waren vergleichsweise einfach zu erzielen, die nächsten Schritte werden schwieriger.
Chefredakteur Andreas Fischer weist im Vorwort darauf hin, dass der Energiebedarf weltweit ansteige – „etwa durch die zunehmende Digitalisierung“ (natürlich auch durch Bevölkerungszuwachs und Armutsbekämpfung). Die Energieforschung soll die Lösung bringen. „Sie ist in Deutschland vielfältig, teilweise gut finanziert und global anerkannt“, so Fischer. Das helfe uns allerdings nur, wenn die von ihr entwickelten neuen Technologien wie Energiespeicher, effiziente Solarzellen oder bessere Windkraftanlagen auch zum Einsatz käme.
Wie Forschung, Politik und Industrie die großen Ziele – 40 Prozent weniger CO2-Ausstoß bis 2020, 80 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren bis 2050 – erreichen können, wie unsere Energieforschung den Sprung in die industrielle Anwendung schaffen kann, untersucht die Titelgeschichte der am 11.05.2015 erschienenen Helmholtz Perspektiven.
Seit die Bundesregierung 2011 die Energiewende verkündet habe, sei die Zahl der Windkraft- und PV-Anlagen stark gestiegen – die Offshore-Windparks hätten „zum Jahreswechsel erstmals mehr als 1000 MW Strom produziert, das entspricht dem Energieverbrauch von 600.000 Haushalten“. Aber Autor Jan Oliver Löfken sieht die „Situation komplizierter“. Bis 2020 will die Bundesregierung den deutschen CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent senken. Ende 2014 waren davon erst 27 erreicht – „und das waren die einfacheren Prozentpunkte, wenn man sich das Vergleichsjahr genauer anschaut“: Damals hätten die Schornsteine der DDR-Industrieanlagen noch geraucht, Windräder und Solaranlagen galten als visionäre „Fantastereien von ein paar Umweltbewegten“. Also: „Wie schaffen wir die letzten 13 Prozent? Denn genau an diesen hängt die Glaubwürdigkeit der Energiewende.“
Politik redet zu viel drein und fragt zu wenig
Wie immer wissen die Politiker alles besser: Volker Handke, Energieexperte am IZT (Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung) in Berlin, befürchtet, die Energieforschung könnte durch die Politik in die falsche Richtung geschoben werden: „Die Forschungsförderung für Energiethemen ist eng an politische Vorgaben geknüpft.“ Auch Philipp Nießen vom BDI kritisiert: „Staatlich wird nur gefördert, was im Einklang mit der Energiepolitik steht.“ Es geht ihm darum, dass die Industrie sich am Weltmarkt orientiert und nicht an der deutschen Energiewende, im Gegensatz zur Politik. Beide Seiten haben einmal mal naturgemäß einen anderen Auftrag. Anders formuliert: Die Politik frage zu wenig bei der Forschung nach, wo sie tatsächlich das größte Potenzial für Innovationen sehe, sie schmücke sich lieber mit Prestigeprojekten, die eindrucksvoll auf geballte Hightech setzen, aber als Vorbild für eine alltägliche Umsetzung zu teuer seien.
Bernd Rech vom Helmholtz-Zentrum Berlin hält das für zu pauschal: „Was haben wir denn an Alternativen zu Wind und Sonne? Biomasse und Geothermie sind wichtige Ergänzungen, aber im Potenzial oder in der technischen und wirtschaftlichen Umsetzbarkeit deutlich beschränkter.“ Und bei der Akku-Forschung gelte: „Ein Energiesystem, das auf Erneuerbaren beruht, wird immer auf Energiespeicher angewiesen sein – nicht nur, aber eben auch auf Batterien.“ Fest steht für Löfken: Die deutsche Solarbranche stecket in der Krise. Die Konkurrenz aus Asien produziere günstiger – und das sogar auf technologisch vergleichbarem Niveau. Aber auch aufgrund von bequemer Einspeisevergütung und Einleitungszwang sind manche deutsche Hersteller schlicht zu bequem geworden.
Folgt: Investoren zu zögerlich