2,5 Prozent mehr Energiekonsum – fossile 87 % – erneuerbare 2 % – Wind +25,8 % – Solar + 86,3 %
Mit dem Statistical Review of World Energy 2012 (engl. Download) veröffentlicht BP den 61. Jahresbericht zu Energieproduktion und -verbrauch. Die wichtigsten Themen und Tendenzen 2011: Versorgungsunterbrechungen sowie ein kontinuierlich steigender Energiekonsum.
Auf den ersten Blick hatte der Arabische Frühling deutliche Auswirkungen auf die globale Öl- und Gasversorgung – vor allem aufgrund des kompletten, obgleich vorübergehenden Ausfalls libyscher Quellen – während das Reaktorunglück im japanischen Fukushima nicht nur im Atomsektor einen weltweiten Dominoeffekt auslöste. In vielen Regionen der Welt sorgten diese einschneidenden Marktschocks für einen starken Anstieg der Energiepreise, und auch der Ölpreis erreichte erstmals seit Beginn der BP-Aufzeichnungen einen Rekord-Durchschnittswert von mehr als 100 Dollar pro Barrel (bbl).
Gleichzeitig setzten sich mehrere fundamentale Langzeittrends fort: Beispielsweise erhöhte sich der weltweite Energiekonsum um 2,5 % – eine dem historischen Durchschnitt entsprechende Steigerungsrate – und die Schwellenländer konnten ihren Anteil an diesem Gesamtverbrauch weiter ausbauen. So ging die Nachfrage in den OECD-Ländern 2011 um etwa 0,8 % zurück; gleichzeitig zog sie in den Schwellenländern um 5,3 % an.
„Während wir uns darauf konzentrieren, kurzfristige Schwankungen auszugleichen und langfristige Versorgungssicherheit zu garantieren, dürfen wir dabei nicht vergessen, dass offene Märkte sehr starke Verbündete sein können“, so BP Group Chief Executive Bob Dudley anlässlich der Veröffentlichung des Reviews. Offene Märkte „haben für die notwendige Flexibilität gesorgt, um den Umbrüchen und Unruhen des letzten Jahres zu begegnen. Langfristig gesehen schaffen Märkte die Rahmenbedingungen für eine Kettenreaktion aus Wettbewerb, Innovation und Wachstum, die uns genau die sichere und erschwingliche Energieversorgung beschert, die sich Regierungen und Verbraucher wünschen.“
„Die gute Nachricht: Mittlerweile werden in vielen Bereichen die positiven Auswirkungen dieses Wettbewerbs-, Innovations- und Wachstumsprozesses sichtbar. Zum Beispiel bei Schiefergas, Öl und Gas aus Tiefseeförderung, Schweröl und – potenziell – einer neuen Generation von Biokraftstoffen“, ergänzt Dudley.
Er betonte am Beispiel der USA, wie die Schiefergasrevolution zu einer deutlichen Senkung der Erdgaspreise beitragen kann, die dort – im Vergleich zu Öl – aktuell einen einmalig niedrigen Stand erreicht haben. Als willkommener Nebeneffekt vermeldeten die USA, dank der Förderung von Schieferöl, zum dritten Mal in Folge den größten Ölproduktionsanstieg außerhalb der OPEC-Länder. Dieses US-Beispiel „verdeutlicht, wie ein offenes und wettbewerbsfreundliches Marktumfeld technische Innovationen und den Zugriff auf neue Ressourcen fördert. Entscheidungsträger sollten sich daran orientieren und dieses wettbewerbsfreundliche Modell – wo immer möglich – unterstützen.“ Außerdem sorgt dieser Prozess „für mehr Energiesicherheit, da er Länder darin bestärkt, ihre eigenen nationalen Ressourcen zu erschließen, während er gleichzeitig einen dynamischen globalen Markt unterstützt.“
Marktüberblick
Im Rahmen seiner Präsentation des Statistical Reviews ging Christof Rühl, Chefökonom der BP Gruppe, auch auf die allgemeinen Hintergründe des Jahres 2011 ein:
- „In Teilen der arabischen Welt behinderten politische Unruhen und Gewalt die Öl- und Gasproduktion oder brachten sie sogar zum Erliegen;
- in Japan dominierte die Fukushima-Katastrophe und eine erdbebenbedingte Einschränkung der Stromproduktion aus Kohlekraftwerken die Schlagzeilen, gefolgt von weiteren Reaktorschließungen;
- gleichzeitig lag der Ölpreis im Jahresdurchschnitt erstmals über 100 Dollar;
- die ersten strategischen Ölreserven seit 2005 wurden freigegeben; die OPEC vermeldete den größten Produktionssprung seit 2008;
- Europa verzeichnete einen ungewöhnlichen Wetterumschwung, und extreme Überschwemmungen in Australien behinderten die Kohleförderung
– langweilig war dieses Jahr also sicher nicht. Zugleich lassen die aggregierten Daten auf nichts Ungewöhnliches schließen – sowohl das Bruttoinlandsprodukt als auch der steigende Energiekonsum bewegten sich genau im langjährigen Mittel.“
Rühl erklärte, wie – und wieso – das System funktioniert: „Die Substitution bestimmter Energieträger durch andere, Reaktionen von Angebots- und Nachfrageseite sowie flexible Handelsstrukturen spielten hier eine wichtige Rolle – in diesen Bereichen kam es zu drei größeren Anpassungen. Dank einer Steigerung der Ölproduktion, vor allem in Saudi-Arabien, und erhöhter Flexibilität im Handel und im globalen Raffineriesystem konnte das schwerere saudische Rohöl in Europa leichteres Öl aus Libyen ersetzen. Gleichzeitig wurde Erdgas von Europa nach Asien umgeleitet, so dass fehlende Kernenergie in Japan durch diesen Energieträger ersetzt werden konnte, ohne die Energieversorgung der restlichen, wirtschaftlich aufstrebenden Region zu beeinträchtigen. Außerdem kam in Europa als Ersatz für fehlende Gaslieferungen Kohle aus Amerika zum Einsatz, die dank der dortigen Verfügbarkeit unkonventioneller Gasquellen frei geworden waren.““2011 war auch ein Jahr hoher Preisanstiege: Der Jahresdurchschnittspreis für Brent stieg um 40 %, ein einfacher Mittelwert der internationalen Kohlepreise um durchschnittlich 24 % – vor allem in Europa – und in den USA holte der Jahresdurchschnittspreis für Kohle fast den lokalen Gaspreis ein. Während Gas in den USA aufgrund der Schiefergasrevolution kontinuierlich günstiger wurde, zogen außerhalb Nordamerikas die Ölpreis-gebundenen Gaspreise aufgrund ebenfalls steigender Rohölpreise deutlich an.“Insgesamt steigerte sich der globale Energieverbrauch 2011 um 2,5 % und lag damit mehr oder weniger im historischen Schnitt, jedoch deutlich unter dem Vorjahreszuwachs von 5,1 %. Dieser Netto-Nachfragesprung war dabei allein den Schwellenländern zuzurechnen – in den OECD-Nationen sank der Verbrauch zum dritten Mal innerhalb der vergangenen vier Jahre, angeführt von einem starken Nachfragerückgang in Japan. Auf der Wachstumsseite zeichnete China für 71 % des Verbrauchsanstiegs verantwortlich.Doch hinter diesen Durchschnittswerten versteckt sich ein deutlich differenzierteres Bild, aufgesplittet nach Energieträgern. Während die Ölnachfrage um kaum 1 % stieg – und damit von allen fossilen Brennstoffen am langsamsten wuchs – verzeichnete Gas einen Anstieg von 2,2 % und Kohle, als einziger fossiler Energieträger, ein überdurchschnittliches Nachfragewachstum von 5,4 % (global) bzw. 8,4 % in den Schwellenländern.
Auch 2011 dominierten fossile Brennstoffe die globale Energienachfrage mit einem Marktanteil von 87 %, während erneuerbare Energien – trotz der höchsten Wachstumsrate – lediglich 2 % des globalen Konsums bedienten. Innerhalb der fossilen Energieträger verschob sich das Gleichgewicht kontinuierlich weiter: Zum zwölften Jahr in Folge verlor Öl – mit 33,1 % der weltweit führende Energieträger – Marktanteile. 2011 lag der globale Ölverbrauch nach einem unterdurchschnittlichen Zuwachs von 0,6 Millionen Barrel pro Tag (bpd) oder 0,7 % bei 88 bpd.
Große Produktionssprünge in den nahöstlichen OPEC-Ländern konnten Ausfälle in Libyen und anderen Ländern schließlich mehr als wettmachen, was u. a. Produktionsrekorde in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Katar mit sich brachte. Im Durchschnitt erzielte Brent 40 % höhere Preise als 2010 und wurde mit mehr als 100 Dollar pro Barrel so teuer gehandelt wie noch nie – selbst inflationsbereinigt lag der Preis mit 111,26 Dollar pro Barrel nur knapp unter dem damaligen Ausnahmeergebnis von 1864 (128,17 US-Dollar). Ihren Spitzenwert erreichten die Rohölpreise im April, als der libysche Nachschub versiegte, und auch die Differenz zwischen den Brent- und West Texas Intermediate (WTI)-Richtwerten erreichte 2011 aufgrund nordamerikanischer Infrastrukturengpässe einen neuen Höchststand.
Währenddessen stiegen die Gaspreise etwa im gleichen Rahmen wie die Ölpreise. Eine Ausnahme bildete hier Nordamerika, wo lokale Preise erstmals rekordverdächtig tief unter den Rohöl- und internationalen Gaspreisen notierten.
Laut Rühl „hat Erdgas in den vergangenen Jahren einige der größten Umwälzungen auf den globalen Energiemärkten eingeleitet: Erstens, durch die rapide Ausweitung des Handels (insbesondere von LNG), der bisher voneinander getrennte Regionen immer flexibler miteinander vernetzt. Zweitens hat die Erschließung und Förderung unkonventioneller Ressourcen in den USA zu dieser Entwicklung beigetragen – also zu einem Trend, der suggeriert, dass Gas bald eine reichlich verfügbare Ressource sein könnte. Beide Phänomene haben 2011 entscheidend geprägt. Und auch bei der Bewältigung der Ausfälle und Umwälzungen des vergangenen Jahres haben sie eine wichtige Rolle gespielt.“
Global gesehen stieg der Erdgasverbrauch um 2,2 %. Dieses Wachstum fiel in allen Regionen unterdurchschnittlich aus; eine Ausnahme bildete Nordamerika, wo die Schiefergasrevolution mit niedrigen Preisen ein robustes Wachstum förderte. In Europa sank die Gasnachfrage angesichts der geschwächten Wirtschaft, hoher Preise, warmen Wetters und dem kontinuierlichen Ausbau erneuerbarer Energien erstmalig um fast 10 % (- 9,9 %).
Insgesamt stieg die globale Gasproduktion 2011 um 3,1 %. Während die Förderung des weltgrößten Gasproduzenten, der USA, um 7,7 % anzog, stiegen die Fördermengen in Katar (+25,8 %), Russland (+3,1 %) und Turkmenistan (+40,6 %) besonders rapide an und konnten dadurch Fördereinbrüche in vor allem Libyen (-75,6 %) und Großbritannien (-20,8 %) klar abfedern. Gleichzeitig verzeichnete die EU den größten Gasförderrückgang ihrer Geschichte (-11,4 %).Auch der Handel mit Erdgas intensivierte sich, allerdings nur um 4 %. Dies war vor allem auf einen Zuwachs (10,1 %) bei Flüssiggas (LNG) zurückzuführen, zu dem Katar (+34,8 %) einen Löwenanteil von 87,7 % beitrug.
Die Kohleproduktion stieg erneut stärker als die aller anderen fossilen Brennstoffe, mit entsprechenden Konsequenzen für den weltweiten CO2-Ausstoß. Aktuell liegt der Anteil von Kohle am globalen Energiekonsum bei 30,3 % – und damit so hoch wie seit 1969 nicht mehr. Gleichzeitig sank die Kohlenachfrage in den OECD-Nationen um 1,1 %, obwohl in der EU – aufgrund der Umleitung von Erdgas nach Asien – 3,6 % mehr Kohle zum Einsatz kam. In allen Regionen wurden Preissteigerungen registriert.“ Auf dem Kohlemarkt passten sich Produktion und Handelsmuster an die geänderten Marktbedingungen an. So konnte Kohle die globale Versorgungssicherheit untermauern“, erklärt Rühl.
Währenddessen erlebte die Atomsparte einen Einbruch von 4,3 %, so viel wie noch nie, was vor allem auf Rückgänge der Kernenergieproduktion in Japan (-44,3 %) und Deutschland (-23,2 %) zurückzuführen war. Wasserkraft stieg 2011 um magere 1,6 % – die niedrigste Wachstumsrate seit 2003. „Wenn man von den Auszeiten und Stilllegungen japanischer und deutscher Kernkraftwerke absieht, fielen die globalen Auswirkungen von Fukushima auf die Energiemärkte eher mild aus“, so Rühl.
Bei den erneuerbaren Energiequellen waren unterschiedliche Trends zu verzeichnen: Global gesehen stagnierte die Produktion von Biokraftstoffen mit +0,7 % oder 10.000 bpd Öläquivalent (dem schwächsten Anstieg seit 2000). In den USA verlangsamte sich das Wachstum mit Annäherung an die sogenannte ‚Blend Wall‘, d. h. dem höchstmöglichen Beimischanteil von Ethanol im Benzin, während die brasilianische Produktion unter einer schlechten Zuckerernte zu leiden hatte (-15,3 %).
Andererseits stieg die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen mit 17,7 % überdurchschnittlich schnell – hierfür war vor allem Windkraft (+25,8 %) verantwortlich, die erstmals mehr als die Hälfte dieses Segments abdeckte und in den USA und China ihre größten Zuwächse vermeldete. Auch Solarenergie legte mit 86,3 % kräftig zu, allerdings von einem relativ geringen Basiswert ausgehend. Insgesamt deutet die Datenlage auf einen weiteren energiebedingten Anstieg der globalen CO2-Emissionen hin, allerdings etwas weniger ausgeprägt als noch im Vorjahr.
Rückblickend fasst Christof Rühl zusammen: „Ein paar Lehren lassen sich aus diesem unruhigen Jahr sicher ziehen – also aus einem Jahr, das trotz dieser Umbrüche scheinbar normale Wachstumsraten aufwies, die im Rahmen der langfristigen Strukturentwicklung lagen. Dabei spielte vor allem die Flexibilität der Märkte eine wichtige Rolle – d. h. ihre Fähigkeit, die Produktion anzukurbeln, bestimmte Energieträger durch andere zu ersetzen und Handelsmuster und –wege entsprechend umzuleiten – denn all dies hat entscheidend zu den relativ reibungslosen Systemanpassungen beigetragen. Dieses System funktioniert jedoch nur, wenn die Preise ihre Signalfunktion erfüllen dürfen, um so die Umverteilung der Energieflüsse zu steuern. In diesem Sinne ändern sich auch unsere Botschaften nur langsam – und eine von ihnen ist und bleibt, dass die Märkte einen wichtigen Beitrag zur Garantie der allgemeinen Energiesicherheit leisten.“
20. 06. 2012
->Pressemeldung auf bp.com – ->hier die Zahlen – …und eine Ausarbeitung dazu von Jenni(CH)