Bundesregierung: Transparente Atommüll-Entsorgung

Bürgerbeteiligung bei AKW-Stilllegungen

Die Bundesregierung begrüßt es, wenn die Öffentlichkeit besser – das heißt über den gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen hinaus – über die geplante Stilllegung von Atomanlagen informiert wird. Denn Transparenz und Dialogbereitschaft von Betreibern und Behörden gegenüber den Bürgern seien „ein wichtiger Beitrag für eine Vertrauensbildung und gesellschaftliche Akzeptanz“, schreibt sie in einer Antwort (18/5934) auf eine Kleine Anfrage (18/5811) der Fraktion Die Linke.

Die Bundesregierung setze gerade im Bereich der Zwischenlagerung und Entsorgung radioaktiver Abfälle auf Transparenz, heißt es darin weiter. Beispielhaft hierfür sei die Beteiligung der Öffentlichkeit im Rahmen des Programms für eine verantwortungsvolle und sichere Entsorgung bestrahlter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (Nationales Entsorgungsprogramm). Allerdings verweist die Bundesregierung darauf, dass die Genehmigungsverfahren zur Stilllegung kerntechnischer Anlagen wie auch die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der Verfahren in der Zuständigkeit der jeweiligen Genehmigungsbehörden der Länder lägen. Daher habe sie in der Regel keine detaillierten Kenntnisse zu solchen Prozessen. (hib/JOH)

Solarify dokumentiert den Text der Antwort:

Deutscher Bundestag Drucksache 18/5934
18. Wahlperiode
– 08.09.2015
Antwort
der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hubertus Zdebel, Eva Bulling-Schröter, Caren Lay, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.

Drucksache 18/5811 – Stilllegung von Atomanlagen: Bürgerbeteiligung und konsensorientierter Dialog beim Helmholtz-Zentrum Geesthacht, ehemals Atomforschungszentrum GKSS

Vorbemerkung der Fragesteller

Inzwischen wird von vielen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren anerkannt, dass es für den weiteren Umgang mit den radioaktiven Abfällen aus der Atomenergienutzung einen gesellschaftlichen Konsens braucht. Allerdings müssen dafür die Rahmenbedingungen vorhanden sein oder geschaffen werden, um einen tatsächlichen Neustart der bisher gescheiterten Endlagersuche zu ermöglichen.

Große Teile der Anti-Atom-Bewegung und der Bürgerinitiativen und diverse Umweltverbände haben massive Kritik am Standortauswahlgesetz und der Arbeit der in diesem Rahmen eingesetzten „Endlager“-Kommission geübt und entsprechend ihre Ablehnung einer Zusammenarbeit mit bzw. in der Kommission begründet. Sie haben gemeinsam mit dem Deutschen Naturschutzring (DNR) ihre Forderungen und Argumente für einen Neustart im Umgang mit den radioaktiven Abfällen und einen entsprechenden gesellschaftlichen Prozess im März 2014 umfangreich vorgetragen und dokumentiert.

Im Rahmen der derzeit anlaufenden Genehmigungsverfahren für die Stilllegung von Atomanlagen gibt es von Anti-Atom-Initiativen und Umweltverbänden vielfach die Klage, dass seitens Behörden und Betreibern unzureichende Informationen zur Verfügung gestellt werden, um Bürgerinnen und Bürger eine tatsächliche Bewertung der geplanten Rückbau- oder sonstiger Maßnahmen in diesem Zusammenhang zu ermöglichen. Dies ist Medienberichten im Zusammenhang mit Stilllegungsverfahren an den Standorten in Obrigheim, Biblis, Brunsbüttel, Neckarwestheim, Isar/Ohu und anderenorts zu entnehmen. Hinzukommen wachsende Konflikte um neue Zwischenlager für leicht- und mittelradioaktive Abfälle sowie um die weitere Zwischenlagerung hochradioaktiver Abfälle an den Standorten der Atomkraftwerke (AKW; siehe auch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein zur Aufhebung der Genehmigung für das Standortzwischenlager am AKW Brunsbüttel).

Offenkundig gibt es derzeit keine ausreichenden Verfahren, in denen zwischen Öffentlichkeit und (staatlichen oder privaten) Betreibern Dialog- und Beteiligungsprozesse stattfinden, die geeignet sind, einen vielfach beschworenen Neustart im Umgang mit (künftigen) radioaktiven Abfällen in den betroffenen Regionen bzw. Standorten von Atomanlagen mit Leben zu füllen. Ein gesellschaftlicher Konsens im Umgang mit radioaktiven Abfällen ist vor dieser Kulisse nicht erreichbar.

Das ehemalige Atomforschungszentrum GKSS – heute Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG) – hat zur Vorbereitung seiner Planungen für die Stilllegung der dortigen Atomanlagen im Oktober 2012 der Öffentlichkeit ein Angebot für einen „konsensorientierten Dialog“ gemacht. Von Bedeutung ist die Bereitschaft des Betreibers, nicht nur unmittelbar Stilllegungsfragen zu behandeln, sondern einen umfassenderen Dialog auch z. B. über die rund um Geesthacht hohen Leukämieerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen oder auch die Geschichte der ehemaligen Atomforschungsanlage GKSS in den Prozess einzubeziehen. Inzwischen läuft dieser konsensorientierte Dialog seit fast drei Jahren. Im Rahmen dieses Prozesses ist inzwischen ein Antrag auf Rückbau gestellt und ein Scoping-Termin durchgeführt worden.

[note Luftbild der seit 2010 abgeschalteten Forschungsreaktoranlage am Helmholtz-Zentrum Geesthacht. Seit dem 1. Juli 2010 befindet sich der Forschungsreaktor in der Nachbetriebsphase. Foto © HZG]

Auf der Homepage der Dialogseite des HZG wird berichtet: „Da es für den bundesweit einzigartigen konsensorientierten Dialogprozess bei der Stilllegung von Atomanlagen keine rechtlichen Rahmenbedingungen gibt, haben HZG und Begleitgruppe in gemeinsamen und getrennten Sitzungen ,Grundzüge für die Zusammenarbeit‘ erarbeitet. Darin definieren beide Seiten ihr jeweiliges Selbstverständnis im Dialogprozess und in welcher Weise sie auch in Zukunft zu gemeinsamen Lösungen kommen wollen.“ (Quelle: www.hzg.de/public_relations_ media/hzg_im_dialog/index.php.de#tab-62). Nach Einschätzung der Akteure HZG und Begleitgruppe gibt es „keine rechtlichen Regelungen in der Bundesrepublik für ein auf Konsens ausgerichtetes Dialogverfahren zwischen Betreibern einer kerntechnischen Einrichtung und der Bevölkerung. In diesem Rahmen führt das HZG einen freiwilligen Dialog“.

Bis heute hat es nach unserem Wissen bislang keine Unterstützungsangebote oder Gesprächskontakte mit der Begleitgruppe seitens politischer Entscheidungsträger des Bundes oder der Länder gegeben.

Folgt Frage 1 – Beschwerden über Infomangel