Aktuelle Kolumne aus dem Deutschen Institut für Entwicklungspolitik mit freundlicher Genehmigung von Okka Lou Mathis und Matthias Ruchser
Die Staats- und Regierungschefs stehen bei der Weltrettung in diesem Jahr im Rampenlicht. Nach dem G7-Gipfel in Elmau und der Konferenz der Vereinten Nationen (UN) zur Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba folgen am kommenden Wochenende in New York die Verabschiedung der „2030 Agenda for Sustainable Development“ und im Dezember 2015 in Paris ein neues Klimaabkommen. Und wir? Unsere Rolle als Bürgerinnen und Bürger ist längst nicht darauf beschränkt, von Politikern Taten statt leerer Worte zu fordern.
Angesichts des Zeitdrucks durch massive globale Herausforderungen wie der Flüchtlingskrise, dem Klimawandel oder der wachsenden Ungleichheit mag sich zunächst Ernüchterung über die internationalen Prozesse breit machen. Die Dokumente von New York und Paris werden schriftliche Beteuerungen enthalten, sich für ein menschenwürdiges Leben auf unserer Erde einzusetzen, doch ob ihnen umgehend Taten folgen, ist fraglich. Denn: Werden politische Vereinbarungen nicht eingehalten, gibt es im Rahmen der UN keine ernstzunehmenden Sanktionsmechanismen. Die Staaten erlassen ihre Regeln selbst und im Zweifel übertrumpfen wirtschaftliche oder geostrategische Partikularinteressen die gemeinsamen Vereinbarungen. Was bleibt, ist das Prinzip der Freiwilligkeit, wie bei den Millennium Development Goals und den Sustainable Development Goals (SDGs). Während es unter Bedingungen der Freiwilligkeit leichter ist, ambitionierte, wenn auch nur abstrakte, Zielsetzungen zu vereinbaren, bleiben diese für verbindliche Abkommen meist vage.
Die Freiheit zu zerstören
Doch die Verantwortung liegt nicht nur bei der internationalen Gemeinschaft. Auch jeder Einzelne muss selbst Verantwortung übernehmen. Wir haben in unseren liberalen Gesellschaften die Freiheit zu zerstören, und tun dies gegenwärtig auch. Aber: die Freiheit, zerstörerisch zu handeln, beinhaltet gleichzeitig auch die Freiheit, es nicht zu tun. Denn individuelle Freiheit geht mit sozialer Verantwortung jedes Einzelnen einher. Auch das ist eine Errungenschaft liberaler Demokratien: Wir können Verantwortung für unser Handeln nicht auf die Regierenden abschieben, denn wir genießen einen großen Entscheidungsspielraum. Und wir sollten die Kosten unserer individuellen Entscheidungen nicht auf die Gesellschaft abwälzen. Wir haben die Wahl zwischen Mallorca oder Nordsee, zwischen Auto oder Fahrrad, zwischen Fleisch oder vegetarischer Ernährung, zwischen kurzlebiger Discounter-Mode oder hochwertiger und langlebiger Kleidung. Durch Informationsfreiheit und Medienvielfalt kann hierzulande niemand glaubwürdig machen, nichts von all den ökologischen und sozialen Kosten unserer Konsumentscheidungen zu wissen.
Globale Veränderungen können wir unterstützen, indem wir die Verantwortung für jede unserer kleinen Alltagsentscheidungen erkennen und uns ihr stellen. Wir können sie weder abgeben, noch können wir Verantwortung für andere Menschen übernehmen. Darin liegt die größte Chance auf Veränderung: Wir haben die Freiheit, und damit schlussendlich auch die Macht, die Welt zu retten. Jeder einzelne Mensch, jedes Unternehmen, jede Gemeinde, jeden Tag aufs Neue.
Individuelle Verantwortung und internationale Agenden gehen Hand in Hand. Durch den universellen Charakter der neuen Nachhaltigkeitsziele werden nicht nur die Entwicklungs- und Schwellenländer zum Handeln aufgerufen, sondern alle Staaten sind gefordert, einen nachhaltigen Entwicklungspfad einzuschlagen. So kann jeder Mensch zum „Entwicklungshelfer“ werden – auch im eigenen Land. Auch das im Dezember zu verabschiedende UN-Klimaabkommen wird alle Staaten mit an Bord nehmen und gleichzeitig den Einfluss privater und lokaler Klimainitiativen anerkennen und fördern. Für die Weltpolitik ist allein schon die Einigung auf eine gemeinsame Richtung im Jahr 2015 ein wichtiger Schritt, auch wenn viele Details zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsagenden vorerst ungeklärt bleiben.
Kollektive Anstrengung der Weltgemeinschaft wahrscheinlicher
In New York und Paris werden Wege zu einer nachhaltigen globalen Entwicklung geebnet, die eine kollektive Anstrengung der Weltgemeinschaft wahrscheinlicher machen. Doch die Verantwortung des Einzelnen, die Ausgestaltung dieser Nachhaltigkeits- und Klimaschutz-Agenden zu beeinflussen, ist nicht neu: Wir Bürgerinnen und Bürger können uns bereits heute jeden Tag aufs Neue entscheiden, ein Teil des Problems oder ein Teil der Lösung zu sein. Wenn auch Sie die Welt retten wollen, schauen Sie also nicht nur auf die großen Bühnen der internationalen Politik: tun Sie es einfach!
Okka Lou Mathis und Matthias Ruchser beteiligten sich vom 19.-20.09.2015 an der 2. Auflage des Theaterfestivals „Save The World“ in Bonn. Gemeinsam mit James Yarker von Stan’s Cafe aus Birmingham, UK, stellten sie die Dimensionen der Menschen in Bezug zur Erde dar und machten Klimagerechtigkeit und individuelle Verantwortung für die Zuschauer erfahrbar. Im Rahmen des diesjährigen Theaterfestivals lud das Theater Bonn verschiedene Teams aus Künstlern und Experten ein, die aktuellen Herausforderungen zur „Rettung der Welt“ vor dem Klimawandel und seinen Auswirkungen zu thematisieren. Der Text erschien zuerst auf http://www.die-gdi.de/die-aktuelle-kolumne/article/rettet-die-welt-wann-es-euch-gefaellt/.