Endlagerkommission uneins über Anbindung der Bundes-Gesellschaft für kerntechnische Entsorgung (BGE) – NGO-Kritik
Die Kommission für die Lagerung hoch radioaktiver Abfallstoffe (Endlager-Kommission) stritt am 22.01.2016 über die Anbindung der geplanten Bundes-Gesellschaft für kerntechnische Entsorgung (BGE) an ein Ministerium – Zankapfel war die Frage, ob BMUB oder BMWi zuständig sein sollen. Acht Mitglieder des 32-köpfigen Gremiums votierten für die Angliederung ans BMUB, sechs waren dagegen, drei enthielten sich. Derweil widersprach die Bürgerinitaitve Lüchow-Dannenberg dem vom Ausschussvorsitzenden Michael Müller vorgelegten Leitbild der Endlagerkommission. Die Junge Welt fasst die NGO-Kritik zusammen.
Die BGE soll nach dem Willen der Kommission Vorhabenträger für Suche, Bau und Betrieb eines Endlagers sein. Sie soll dem bereits gegründeten Bundesamt für kerntechnische Entsorgung (BfE) in dessen Funktion als Aufsichtsbehörde nachgeordnet sein, dessen Fachaufsicht wiederum das BMUB innehaben soll. Soweit – so unstrittig. Strittig war, ob das Umweltministerium auch die Beteiligungsverwaltung der BGE übernehmen soll, die vollständig in öffentlicher Hand bleiben soll.
[note Neues Bundesamt für kerntechnische Entsorgung nimmt Arbeit auf – Nach der Bekanntmachung im Bundesanzeiger nahm das neu errichtete Bundesamt für kerntechnische Entsorgung (BfE) am 01.09.2014 seine Arbeit auf. Das neue Bundesamt, das zum Geschäftsbereich des BMUB gehört, hat seinen vorläufigen Sitz in Berlin. In der Aufbauphase wird das Amt kommissarisch vom Leiter der Zentralabteilung des BMUB, Dr. Ewold Seeba, geführt. Die Errichtung des BfE wurde im Standortauswahlgesetz für die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle festgelegt. Zu den Verwaltungsaufgaben des Amtes gehört zunächst, die Refinanzierung des Standortauswahlverfahrens einschließlich der Kosten für die gesetzlich vorgesehene Offenhaltung des Bergwerks Gorleben zu gewährleisten. Das BfE hat dafür im Umlageverfahren Kostenbescheide und Vorauszahlungsbescheide gegenüber den Abfallverursachern zu erlassen. Mit der Einrichtung des Amtes sind die Voraussetzungen geschaffen worden, die Finanzierungsverantwortung der Verursacher des Atommülls durchzusetzen. Die Organisationsstruktur und Personalausstattung des Amtes sind auf die jetzt anstehenden Aufgaben zugeschnitten. Künftige Entscheidungen über die Organisation der Endlagerung radioaktiver Abfälle und den endgültigen Standort der Behörde sind damit nicht vorweggenommen. (nach bfe.bund.de)]
Die Bundesregierung selbst hat über die Behördenstruktur noch nicht entschieden, wie die Vertreter der Ministerien deutlich machten. Hans-Christoph Pape (BMWi) reklamierte mit dem diskreten Hinweis auf die Unterstützung des Finanzministeriums die Beteiligungsverwaltung für sein Haus. Dafür spreche zudem, dass Interessen-Verquickungen vermieden würden, und schließlich habe das BMWi die erforderlichen Kompetenzen in Nuklearfragen sowie Erfahrungen mit Großprojekten, so Pape. Wolfgang Cloosters (BMUB) sah das anders: Die Neuorganisation solle doch durch „klare Strukturen“ Schnittstellen abbauen, die Effizienz steigern und Reibungsverluste vermeiden. Die notwendige Steuerung des Vorhabenträgers müsse derjenige übernehmen, der die originäre Sachverantwortung für die Endlagerung habe – und das sei nun mal das BMUB. Eine Streuung der Verantwortung könne nur zu Ineffizienzen, Streitereien und Reibungsverlusten führen, so Cloosters. Ebenso argumentierte Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz. Es brauche eine „Konsistenz in der Verantwortungsstruktur“. Die neuen Strukturen dienten auch dazu, Glaubwürdigkeit aufzubauen. Diese könne aber verloren gehen, wenn der Verdacht entstehe, dass die Strukturen zu Interessenkollisionen führten. Mögliche Konflikte zwischen BGE und BfE würden sich bei einer getrennten Struktur zudem auf die Ministerialebene verschieben, so König.
Dagegen hielten vor allem die Gewerkschafter Edeltraud Glänzer, Erhard Ott und Bruno Thomauske. Fie waren für die BMWi-Lösung aus. Dem von den dreien bemühten Trennungsgrundsatz widersprach MdB Sylvia Kotting-Uhl (Bündnis 90/Die Grünen). Diesem werde durch die Trennung von BGE und BfE Rechnung getragen. Es gebe kein Mehr an Erfüllung des Grundsatzes. „Entweder er wird erfüllt oder nicht“, sagte Kotting-Uhl. Anders Steffen Kanitz (CDU) und der Atomindustrie-Vertreter Gerd Jäger (RWE). Die Kernfrage sei, ob das BGE unter BMUB-Beteiligung seine treibende Rolle in der Endlager-Suche eigenständig wahrnehmen könne, sagte letzerer.
Deutlich gegen eine Beteiligung des BMWi sprachen sich die Ko-Vorsitzenden des Gremiums, Ursula Heinen-Esser und Michael Müller, aus (beide Ex-BMUB-Staatssekretäre). Es hat laut Heinen-Esser unter „Effizienzgesichtspunkten“ überhaupt keinen Sinn, verschiedene Ministerien einzubinden. Der Frage wurde wieder an die zuständige Arbeitsgruppe II zurück verwiesen.
Die Endlager-Kommission soll bis Ende Juni 2016 einen Abschlussbericht vorlegen – also in fünf Monaten (!). In ihm sollen gesellschaftliche und wissenschaftlich-technische Kriterien und Prozesse der Suche nach einem Endlager für insbesondere hoch radioaktive Abfallstoffe vorgeschlagen werden. Vorher soll ein Entwurf des Berichtes noch in der Öffentlichkeit diskutiert werden. (hib/SCR)