Bundeskanzlerin schaltet Plasma ein – Beginn des wissenschaftlichen Experimentierbetriebs
Am 03.02.2016 wurde in der Fusionsanlage Wendelstein 7-X des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald zum ersten Mal Wasserstoff-Plasma erzeugt. Damit hat – nach dem Start der Anlage mit einem Helium-Plasma Anfang Dezember 2015 – der wissenschaftliche Experimentierbetrieb begonnen. Wendelstein 7-X soll untersuchen, ob die weltweit größte Fusionsanlage vom Typ Stellarator zum Kraftwerk geeignet ist.
Seit dem Betriebsstart am 10.12.2015 (solarify berichtete) hat Wendelstein 7-X mehr als 300 Entladungen mit dem Edelgas Helium erzeugt. Sie wurden vor allem zum Reinigen des Plasmagefäßes genutzt. Je sauberer die Gefäßwand, desto höher stieg die Plasmatemperatur, zuletzt bis auf sechs Millionen Grad. Außerdem wurden Plasmaheizung und Datenaufnahme getestet sowie die ersten Messapparaturen zur Untersuchung des Plasmas in Betrieb genommen, komplexe Instrumente wie Röntgenspektrometer, Interferometer, Laserstreuungs- und Videodiagnostik. „Damit ist alles bereit für den nächsten Schritt“, erklärte Projektleiter Professor Dr. Thomas Klinger: „Wir wechseln von Plasmen aus Helium zu Wasserstoff, unserem eigentlichen Untersuchungsobjekt“.
Das erste Wasserstoff-Plasma – eingeschaltet am 03.02.2016 im Rahmen eines Festakts mit zahlreichen Gästen aus Wissenschaft und Politik – markiert den Beginn des wissenschaftlichen Experimentierbetriebs an Wendelstein 7-X. Auf Knopfdruck von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel verwandelte ein 2-Megawatt-Puls der Mikrowellenheizung eine winzige Menge Wasserstoff-Gas in ein ultradünnes, extrem heißes Wasserstoff-Plasma. Dabei lösen sich die Elektronen von den Kernen der Wasserstoffatome. Im magnetischen Käfig von Wendelstein 7-X eingeschlossen, schweben die geladenen Teilchen berührungsfrei vor den Wänden der Plasmakammer. „Mit einer Temperatur von 80 Millionen Grad und einer Dauer von einer Viertel-Sekunde hat das erste Wasserstoff-Plasma in der Maschine unsere Erwartungen vollständig erfüllt“, sagt Dr. Hans-Stephan Bosch, dessen Bereich für den Betrieb von Wendelstein 7-X zuständig ist.
Die jetzt begonnene Experimentierphase wird bis Mitte März dauern. Danach wird das Plasmagefäß geöffnet, um Kohlenstoffkacheln zum Schutz der Gefäßwände zu montieren und einen sogenannten „Divertor“ zum Abführen von Verunreinigungen: „So ausgerüstet, werden höhere Heizleistungen, höhere Temperaturen und längere Entladungen bis zu zehn Sekunden möglich“, erläutert Professor Klinger. Stufenweise sind weitere Ausbauten geplant, bis in etwa vier Jahren 30 Minuten lange Entladungen erzeugt werden können und bei voller Heizleistung von 20 Megawatt überprüft werden kann, ob Wendelstein 7-X seine Optimierungsziele erfüllt.
Folgt: Hintergrund: Wendelstein 7-X und die Fusionsforschung