„Unsere Welt muss anders werden, damit sie besser wird.“

BMUB 30 – Hendricks: „Wir bohren weiter dicke Bretter!“

Am 06.06.1986 – vor 30 Jahren – wurde das Bundesumweltministerium gegründet. Der Anlass war traurig: Der Super-GAU von Tschernobyl gefolgt von heftigen Atomprotesten. Nachdem sie zu Beginn des Festakts in Berlin gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Geburtstagstorte angeschnitten hatten, bilanzierten die Kanzlerin und Umweltministerin Barbara Hendricks sowie ihre sechs Amtsvorgänger umweltpolitische Erfolge und blickten auf künftige Herausforderungen.

In ihrer Festrede fand Bundesumweltministerin Hendricks für alle, die vor ihr das Amt bekleideten, lobende Worte – für Kanzlerin Merkel, die den Klimaschutz vorangebracht habe, ebenso wie für Grünen-Fossil Jürgen Trittin, der den ersten Atomausstieg durchgesetzt habe; für Vizekanzler Gabriel, der die ökonomischen Chancen des Umweltschutzes herausgestellt habe; schließlich für Klaus Töpfer, der das Umweltthema als UNEP-Chef weit nach vorne gebracht hatte; schließlich für Kanzleramtschef Altmaier, der in nur zwei Jahren Amtszeit den Endlager-Such-Konsens erreicht habe – auch für Norbert Röttgen, der nach verlorener NRW-Wahl und Widerworten gegen die Parteichefin hatte zurücktreten müssen, hatte sie Lobendes übrig. Für den war die umstrittene AKW-Laufzeitverlängerung ironisch „nicht mein größter persönlicher Erfolg“, eine „Niederlage“; er sei immer dagegen gewesen, habe den Beschluss aber dann mitgetragen.

Zum Thema Endlagerung sagte Gabriel, er sei schon vor Jahren von den Betreibern der Asse „angelogen“ worden. Es wäre ein „Vergehen“, eine „Flucht vor der Verantwortung, wenn wir nach einem Scheitern der Endlagersuche, der Versuchung nachgäben, den strahlenden Müll zu exportieren. Peter Altmaier zeigte sich zufrieden über den inzwischen herrschenden Konsens, „dass es beim Atomausstieg bleibt“.

Hendricks: „Die deutsche Umweltpolitik genießt hohes Ansehen, im eigenen Land und international. Wir haben schon einiges erreicht. Unsere Mülldeponien sind zum großen Teil geschlossen, Recycling ist zu einem florierenden Wirtschaftszweig geworden. Das Waldsterben ist gestoppt. Die Geschichte des deutschen Umweltschutzes ist eine Erfolgsgeschichte, die sich auch ökonomisch bezahlt macht. Nicht trotz, sondern wegen unserer Umweltstandards sind wir eine der führenden Volkswirtschaften der Welt geblieben. Aber wir haben noch viel vor. Unsere Welt muss anders werden, damit sie besser wird. In den Meeren schwimmen riesige Inseln aus Müll. Tier- und Pflanzenarten sterben weiter aus, ganze Ökosysteme sind bedroht. Unser Hunger nach Energie und Ressourcen belastet die Umwelt weltweit. Der Klimawandel wird neue Landkarten der Ungerechtigkeit zeichnen, Konflikte schüren, Menschen zur Flucht zwingen.“

Vorher hatte Moderatorin Dunja Hayali (ZDF) Bundeskanzlerin Merkel (und Bundesumweltministerin a.D.) interviewt, ihr aber nur Allgemeines in puncto Gauck-Nachfolge entlocken können. Merkel zeigte sich „völlig überzeugt“, dass der Klimawandel menschengemacht sei und betonte unsere besondere internationale Verantwortung vor allem den armen Ländern gegenüber. Klaus Töpfer verneinte die Frage der Moderatorin kategorisch, ob er für ein wichtiges Anliegen vielleicht noch ein zweites Mal durch den Rhein schwimmen würde, das sei schon damals „Quatsch“ gewesen und habe seine politische Laufbahn gefährdet. Als seinen Erfolg nannte er es, dass „wir den Kreislauf beschlossen haben, als Business Case – vorher habe es spöttisch geheißen ‚getrennt sammeln – vereint deponieren‘. Der wirkliche Erfolg der Umweltbewegung sei gewesen, „dass sie das, was vorher als Sachzwang ausgegeben worden war, wieder in die Politik zurückgeführt hat“. Und inzwischen sei das global geworden. Auf die Frage, ob er angesichts der Weltlage immer noch optimistisch bleibe, oder sich lieber die Decke über den Kopf ziehe, meint Töpfer: „Wenn Sie sich die Decke über den Kopf ziehen, sind die Probleme ja nicht weg – aber Sie sind weg!“ Obwohl die Welt aus den Fugen scheine, machten ihm die 17 beschlossenen Nachhaltigkeitsziele der UN (SDGs) Hoffnung, veranlassten ihn zu einem „realistischen Optimismus“.

Jürgen Trittin widersprach der Unterstellung, das Umweltministerium müsse dauernd „etwas verbieten“: „Es geht nicht ums ‚Verbieten‘: Es geht darum, die zu Lasten aller externalisierten Kosten wieder zu den Verursachern zurück zu bringen“. Dazu müsse das Ministerium „Fehlanreize vermeiden helfen und ökologisch schädliche Subventionen beschneiden“.

Mit Blick auf die künftigen Herausforderungen für die Umweltpolitik sagte Hendricks: „Umweltpolitik kann im Unterschied zu 1986 heute nicht mehr nur den Anspruch haben, die Kollateralschäden eines aus dem Ruder gelaufenen Wirtschaftsmodells beiseite zu fegen. Wir müssen zu einer Wirtschaftsweise kommen, die die Grenzen unserer natürlichen Lebensgrundlagen akzeptiert.“

Die Ministerin würdigte in ihrer Festrede vor allem die vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich in Deutschland für die Umwelt engagieren. „Die Bürgerinnen und Bürger der Umweltbewegung haben sich ohne Zweifel um unser Land verdient gemacht. Von manchen wurden sie Fortschrittsfeinde genannt. Dabei haben sie nach Alternativen zu einem zerstörerischen Fortschrittsmodell gesucht.“

LebensVogelChor - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

LebensVogelChor – Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft für Solarify

Eingerahmt wurde der Festakt von zwei Auftritten des LebensVogelChors mit 150 Sängern und Sängerinnen aller Altersklassen aus zwei Berliner Schulen und dem Berliner Jugendkulturzentrum „Pumpe“ – ein „Vielgenerationenchor“, der sich aus Anlass des 30jährigen BMUB-Jubiläums gegründet hatte. Höhepunkt der bewegenden Show war Walter Mossmanns berühmtes „Lied vom Lebensvogel“, mit dem der Chor sich mit den Anfängen der Umweltbewegung verbinden wollte.

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