Weder Netze noch Speicher begründen EE-Bremsen
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) im Auftrag der Hermann-Scheer-Stiftung mit dem Titel „Stromnetze und Speichertechnologien für die Energiewende – Eine Analyse mit Bezug zur Diskussion des EEG 2016“ zeigt, dass weder fehlende Stromnetze noch unzureichende Speicherkapazität als gründe für die Begrenzung des Zubaus Erneuerbarer Energien taugen. Die bisher aufgetretenen Netzengpässe zum Beispiel sind vernachlässigbar – sie machen etwa ein Prozent des Stromtransports aus – und wären vermeidbar.
„Der derzeitig geplante Ausbau der Übertragungsnetze ist nicht nur überdimensioniert und teuer, sondern sichert vor allem den Transport von Kohlestrom“, sagt DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert, Ko-Autorin der Studie. Der Netzausbau könnte dank einer Vielzahl von Maßnahmen auf ein technisch-ökonomisch angemessenes Niveau reduziert werden, wie zum Beispiel ein kluges Einspeisemanagement für fossilen und Erneuerbaren Strom, Redispatchmaßnahmen oder eine Umstellung des Marktdesigns auf netzknotenspezifische Preise („Nodalpreise“); hierzu gehört auch eine drastische Reduktion der den Netzbetreibern zugestandenen garantierten Eigenkapitalrendite von derzeit über neun Prozent, was ein Vielfaches gegenüber vergleichbar risikoarmen Anlagemöglichkeiten am aktuellen Kapitalmarkt darstellt.
Modellsimulationen zeigten, „dass die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt gesteigert werden“ könne, wenn Stromproduktions-, Einsatz- und Transportbedarf besser aufeinander abgestimmt werden. Mit den derzeit verfügbaren Speichertechnologien wäre ein Anteil von 60 bis 80 Prozent Erneuerbare Energien im deutschen Stromsystem umsetzbar. Die Diskussionen um die EEG-Reform sollten sich nicht mit dem vergangenen, sondern dem zukünftigen, zu 80 bis 100 Prozent erneuerbaren, Stromsystem beschäftigen.
Solarify dokumentiert Zusammenfassung
Im Rahmen der Energiewende ist festgelegt, den Anteil erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2050 auf mindestens 80% des Bruttostromverbrauchs zu steigern. Im Kontext der Diskussionen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes 2016 (EEG 2016) gibt es eine Diskussion über den Zusammenhang zwischen den Ausbauzielen erneuerbarer Energien und der Entwicklung von Netzausbau und Speichertechnologien. Im vorliegenden Gutachten werden einige Argumente in dieser Diskussion geprüft. Neben aktuellen Forschungsarbeiten wird dabei auch auf Beiträge zum Netzausbau zurückgegriffen, welche in den letzten 10 Jahren regelmäßig im Rahmen von Forschungsprojekten und Konsultationsverfahren erstellt wurden.
Die drastische Kostendegression der erneuerbaren Energien in den vergangenen zwei Jahrzehnten hat dazu geführt, dass diese inzwischen weltweit als tragende Säule zukünftiger Stromsysteme betrachtet werden. Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive stellen erneuerbare Energien , z.B. Wind und Sonne, im Vergleich zu fossilen oder atomaren Technologien eine günstige Stromquelle dar, da ihre Produktionskosten weiterhin sinken werden und sie verhältnismäßig geringe externe Umweltkosten haben. Auch die deutschen und andere europäische Energieversorger haben inzwischen diese Entwicklung erkannt und orientieren ihre Unternehmensstrategien weg von der Stromherstellung aus konventionellen Energien in Richtung erneuerbarer Energien.
Der Anteil erneuerbarer Energien im deutschen Stromsystem ist im vergangenen Jahrzehnt von ca. 10% auf ein Drittel gewachsen, ohne dass dadurch die Versorgungssicherheit oder Netzstabilität reduziert worden wäre. Laut Aussagen der Bundesnetzagentur ist die Zuverlässigkeit der Stromversorgung in den vergangenen Jahren sogar noch gesteigert worden : Im Jahr 2014 lag die durchschnittliche Unterbrechungsdauer der angeschlossenen Letztverbraucher bei 12,28 Minuten (Bundesnetzagentur, 2015, S. 7) ; die Zuverlässigkeit der Stromversorgung liegt mit 99,998% weltweit mit an der Spitze.
Die Entwicklung der Übertragungsnetze schreitet in Deutschland kontinuierlich voran und hat bisher zu keinen nennenswerten Einschränkungen des Stromsystems geführt. Jährlich werden ca. 60.100 km Netzausbau an Land fertiggestellt; hierzu kommt die Anbindung von Offshore-Windparks. Trotz einer leichten Steigerung sind die Engpässe im Stromnetz und der dadurch verursachte Redispatch gering (Quartal 1-3 2015: 4.291 GWh): er lag in den vergangenen Jahren mit Ausnahme von 2015 stets unterhalb von 1% der insgesamt transportieren Menge und betrug 2015 1,1%; hierzu kamen 2015 ca. 0,4% Einspeisemanagement . Insgesamt bewegen sich die Kosten für Systemdienstleistungen (wie z.B. Regelleistung) in den vergangenen Jahren im Bereich von 12% . Es gibt in Deutschland derzeit keine Netzengpassgebiete, in denen eine Verzögerung des Ausbaus erneuerbarer Energien gerechtfertigt wäre, so wie es im Entwurf des EEG 2016 vorgeschlagen wird. Der einzige strukturelle Engpass im deutschen Stromnetz, z wischen den neuen Bundesländern und Bayern, wu rde durch die Fertigstellung der EnLAG-Leitung Altenfeld (Thüringen) – Redwitz (Bayern, 2 x 380 kV AC Leitung, ca. 3,4 GW Kapazität) zum Jahreswechsel 2015/16 aufgelöst; weitere längerfristige und strukturelle Engpässe sind im Netz nicht erkennbar.
Folgt: Zusammenfassung II