Pressekommentare zum Endlagerbericht
Die vom Bundespresseamt versandten Kommentarausschnitte deutscher Tageszeitungen fallen sehr unterschiedlich aus: „In der Sache tut sich so gut wie nichts,“ konstatiert die FAZ trocken. Die Frankfurter Rundschau sieht den „Konsens fast wieder so weit weg wie in den alten, unseligen Zeiten“ und sieht „eine Chance vertan“. Und das Badische Tagblatt nennt Bayerns und Sachsens Haltung schlicht „unverantwortlich“.
Die Suche nach einem atomaren Endlager in Deutschland ist politisch einen winzigen Schritt vorangekommen. In der Sache tut sich aber so gut wie nichts. Dass Ton, Salz oder Granit als Gestein für ein Endlager in Frage kommen und was die jeweiligen Vor- und Nachteile sind, ist seit Jahrzehnten bekannt. Dass es ein Bergwerk sein soll, also nicht an der Oberfläche liegen soll, ebenfalls. Neu an den Empfehlungen der Kommission ist, dass es ein „reversibles“ Endlager sein soll. Der Müll soll also auch nach Hunderten von Jahren zurückgeholt werden können. Das ist nicht unbedingt nötig, aber sinnvoll – und macht die Standortsuche jedenfalls nicht einfacher.
Ein Atom-Endlager im schönen Bayern? Das geht ja nun gar nicht. Zwar ist das Land seit langem bundesweiter Spitzenreiter bei der Produktion von strahlendem Müll aus Kernkraftwerken, für Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) aber steht fest: „Die Gesteine in Bayern sind nicht für ein Endlager geeignet.“ Das ist also übrig geblieben vom historischen Endlager-Konsens, den Bund und Ländern vor drei Jahren erzielten. Das Gemurkse in Gorleben sollte durch den bundesweiten „Neustart“ der Endlagersuche geheilt werden – und eine Kommission aus Experten und Vertretern aller gesellschaftlichen Gruppen die Blaupause dafür liefern. Nun hat sie geliefert, aber der Konsens ist fast wieder so weit weg wie in den alten, unseligen Zeiten, als versucht wurde, Gorleben durchzudrücken respektive durchzuprügeln. Eine Chance ist vertan.
Umweltverbände und Teile der Anti-Atom-Bewegung kritisieren, dass der Salzstock im niedersächsischen Gorleben zumindest formal im Auswahlverfahren bleibt. Das Atomland Bayern möchte – ebenso wie Sachsen – am liebsten von der Endlagersuche ausgeschlossen werden. Und sobald die Suche Ergebnisse zeitigt, ist mit neuen Protesten und Klagen zu rechnen. Zu den Hinterlassenschaften des Atomzeitalters gehört auch die Spaltung der Gesellschaft. Auch mit ihr werden wir noch lange leben müssen.
Richtig ist, so schnell und genau wie möglich nach einem Endlager zu suchen, das heutigen Standards entspricht – und es möglich macht, den Atommüll wieder zu bergen. Dass Anwohner dagegen klagen werden, ist verständlich. Dennoch drängt die Zeit, denn der Atommüll ist in den Zwischenlagern nicht sicher, wie zumindest das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Falle Brunsbüttel zeigt. Jetzt wirkt es aber so, als scheue die Endlagerkommission die Auseinandersetzung mit den Bürgern. Denn wer möglichst weit in der Zukunft plant, kann irgendwann für die Endlagerung an einem Standort nicht mehr verantwortlich gemacht werden. Denn die Entscheider werden dann schon biologisch selbst endgelagert sein.
Dass die Atomkraftgegner aufheulen und von Scheitern sprechen – das ist noch durchaus nachvollziehbar. Geeignete Endlagerstätten würden schließlich den Druck vom Kessel nehmen. Dass aber Sachsen und vor allem Bayern sich grundsätzlich querstellen, ist politisch unverantwortlich. Wer Atomkraftwerke betreiben lässt, darf sich auch nötigen Folgemaßnahmen nicht verschließen – zumindest nicht grundsätzlich. Das St-Florians-Prinzip ist kein Lösungsansatz beim Thema Atommüll.
Nirgendwo auf der Erde gibt es bisher ein funktionierendes Endlager. Trotzdem errichtet die Atomindustrie weltweit fleißig neue Meiler. Vielleicht werden sich einmal Diktaturen als Müllverwerter anbieten, die damit Geld verdienen wollen und den Widerstand der Bevölkerung nicht fürchten müssen. Sibirien, die Wüste Gobi, so etwas. Oder man schießt das Zeug ins Weltall. Die Endlager-Kommission war der lobenswerte Versuch der deutschen Atomkraftnutzer-Generation, nach einer Ethik der Verantwortung zu handeln. Dass aber eine konkrete Umsetzung gelingt, an irgendeinem Ort in Deutschland, ist nicht zu erwarten. Ergebnisoffen wird am Ende bedeuten: ohne Ergebnis.
Weil kein Land den radioaktiven Schrott haben will, regiert das Prinzip des Heiligen Florian: Bringt das Zeug im Nachbarland unter, nur nicht bei uns! Freilich würde eine generelle Verweigerungshaltung von Schleswig-Holstein bis Bayern das Problem nicht lösen. Auch ein Export deutschen Atommülls, etwa ins ferne Sibirien oder in sonstige wenig besiedelte Regionen der Erde, wäre kein verantwortbarer Ausweg. Den in Deutschland angefallenen Müll müssen wir auch in Deutschland sicher lagern. Das sind die heute lebenden Generationen den nachfolgenden schuldig.
->Quelle: BPA-Medienspiegel – Ausgewählte Pressekommentare Inland (per Mailversand)