CO2-freies Aktien-Portfolio?

Alternative zum Divestment

Spätestens seit der UN-Klimakonferenz 2015 hat die Bedeutung des „Carbon Footprint“ von Unternehmen deutlich zugenommen: Über die Rolle dieser Kennzahl im Asset Management und wie sich ein „CO2-freies“ Portfolio erzielen lässt, sprach der Informationsanbieter über Investmentfonds e-fundresearch.com mit Laurent Jacquier-Laforge, und Perrine Dutronc, vom französischen Asset-Manager La Française Inflection Point.

In den vergangenen fünfzehn Jahren habe die Entstehung sozial verantwortlicher Investitionen die Einbindung von Nicht-Finanzkriterien in die Unternehmensanalyse gefördert, so der 54jährige Jacquier-Laforge. Über diese ESG- Kriterien (Environmental, Social and Governance) hinaus hält er es für unabdingbar, die Fähigkeit von Unternehmens zu Innovation und Anpassung mit zu berücksichtigen. Dies sei das Ziel des sogenannten „Strategically Aware Investing“ (strategisch bewusstes Investieren, SAI), das die beiden Investment-Firmen La Française und Inflection Point Capital Management (IPCM) seit ihrer Zusammenarbeit (Februar 2015) praktizieren.

Die Entstehung einer kohlenstoffarmen Wirtschaft schaffe Möglichkeiten für das Asset-Management, vor allem zu einer Zeit, in der konkurrierende Erneuerbare Energien es ermöglichten, über Investitionen nachzudenken, die zugleich den Klimawandel eindämmen und das Potenzial zu besserer Performance bieten. Es müsse noch besprochen werden, wie genau ein solches Angebot ausgestaltet wird. Ein erster Lösungsansatz wäre, passive Managementprodukte zu wählen, die auf „Low Carbon“-Indizes basieren, welche die beim Kohlenstoffmanagement am wenigsten effizienten Unternehmen untergewichten. Im Gegensatz dazu könnten einige Manager die radikale Entscheidung treffen, sich aus allen Unternehmen, auf die dieses sensible Thema zutrifft, zurückzuziehen. Diese Option – das sogenannte Divestment – habe den Vorteil, dass sie zwar Aufmerksamkeit hervorrufe, aber untauglich bleibe und zu einem gravierenden Ungleichgewicht in Portfolien führe.

„Carbon Zero“-Strategie

Für Jacquier-Laforge gibt es einen dritten Weg: die sogenannte „Carbon Zero“-Strategie. Die Investmentthese sei einfach: Unternehmen, die dazu imstande sind, das aus dem Klimawandel resultierende Risiko zu steuern und von den Chancen zu profitieren, seien flexibler und agiler, anders gesagt, besser geführt und damit in der Lage, ihre Mitbewerber zu übertreffen. Im Hinblick auf ein „kohlenstofffreies“ Portfolio sollten Unternehmen mit der geringsten Kohlenstoffbilanz innerhalb jeder Branche ausgewählt werden. Dieser „Best-in-Class“-Ansatz werde ergänzt durch Investitionen in Lösungsanbieter, deren Geschäftsmodell gerade auf die Verringerung oder die Vermeidung von Kohlenstoffausstoß basiere und welche als negativer Kohlenstoffbeitrag im Portfolio fungieren werde. Die Kombination dieser beiden Geschäftstypen in einem einzigen Portfolio erreicht zwei Ziele: das der finanziellen Performance und das des Hinwirkens auf ein kohlenstofffreies Profil.

Jacquier-Laforge: „Der Klimawandel erhöht den Druck auf die Geschäftsmodelle und Gewinnmargen der Unternehmen. Sie müssen sich anpassen und dem entgegenwirken, das bedeutet, dass Investoren in solche Unternehmen investieren und auswählen, die der Zeit voraus sind und den Wandel antizipieren, um damit von neuer vorhersehbarer Regulierung weniger betroffen zu sein. Das Klimarisiko betrifft Investoren sowohl indirekt durch ihre Investments als auch direkt durch verschiedene Risikotypen:

  • Physisches Risiko (indirekt)
  • Regulatorisches Risiko (indirekt und direkt)
  • Marktrisiko (indirekt)
  • Reputationsrisiko (direkt)
  • Aber auch klimabezogene Opportunitäten

Sobald Investoren einsehen, dass ein Klimarisiko besteht, haben sie den ersten Schritt ihrer Reise hinter sich gebracht: Einsicht. Der nächste Schritt wäre es, das Risiko zu bewerten und schließlich entsprechend zu handeln.“

Es sei keine leichte Aufgabe das Klimarisiko, dem man ausgesetzt sei, zu bestimmen, stellt Jacquier-Laforge fest und bedauert, dass es zurzeit keine einzige zufriedenstellende Methode zur Bestimmung des Klimarisikos gebe, daher habe das Financial Stability Board (FSB, Finanzstabilitätsrat), eine spezielle Arbeitsgruppe eingerichtet. Bis es eine Messmethode für das Klimarisiko gibt, können Investoren das Klimarisiko-Exposure ihres Portfolios durch die Analyse des CO2-Footprints ungefähr ermitteln. Allerdings sollte das Hauptaugenmerk auf den Grenzen des Carbon-Footprintings liegen, insbesondere auf dem fehlenden Hinweis auf den Emissionsstandort, die Risikomanagementfähigkeiten einzelner Unternehmen oder die klima-bezogenen Chancen und Schwierigkeiten, die CO2-Footprint-Werte zu interpretieren.

Perrine Dutronc ergänzt: „Die meisten Unternehmen, die ihre CO2-Emissionswerte veröffentlichen, nutzen das sogenannte GHG-Protokoll (Greenhouse Gas Protocol), aber bisher ist noch kein formeller und verbindlicher Standard festgelegt. Innerhalb des GHG-Protokolls sind Emissionen in drei Bereiche („Scopes“) gestaffelt. Nur ein Teil der Emissionswerte ist verfügbar, weil zum einen viele Unternehmen – hauptsächlich in Schwellenländern oder kleinere Unternehmen – keine CO2-Emissionswerte veröffentlichen, und weil zum anderen ein Großteil derer, die nur ausgewählte Kohlenstoffemissionswerte veröffentlichen (Scope 1 und 2), die Emissionen bei der Produktion aber nicht die Zulieferer- oder die Produktgebrauchsemissionen darstellen (Scope 3 genannt). In einigen Fällen können Produktgebrauchsemissionen über 80% der gesamten CO2-Emission betragen, wie beispielsweise im Vergleich von Autonutzung gegenüber der Autoproduktion.“

Ausgewählte Asset-Manager hätten damit begonnen, ihren Portfolio-Footprint zu veröffentlichen, und nutzten Dienstleistungen, die speziell von Datenanbietern entwickelt wurden. Rund 10 Anbieter seien zurzeit in der Lage, den Portfolio-Footprint zu berechnen, indem sie verschiedene Methoden nutzen, die Werte solcher Unternehmen zu bestimmen, die sie nicht veröffentlichten. Diese Methoden hätten alle ihre Vor- und Nachteile, und keine habe sich bisher als ideale Lösung hervorgetan, die als Standard genutzt werden könnte. Die meisten Methoden lieferten unterschiedliche Schätzungen auf einer Unternehmensvergleichsbasis, jedoch wiesen sie insgesamt keine großen Unterschiede auf Portfolioebene aus. Ein Footprint werde auch für einzelne Bezugsgrößen gemessen: Marktkapitalisierung, Vertrieb, Produktionseinheit usw. und jeder dieser Footprints habe eine andere Bedeutung.

Die meisten Lösungsanbieter seien im Bereich Erneuerbare Energien angesiedelt und ersetzen Energiequellen, die Umweltverschmutzung verursachen, wie Kohle, Öl oder Gas, durch CO2-freie Quellen, wie Wind oder Solar. Dutronc: „Wir glauben, dass die Entstehung einer CO2-armen Wirtschaft für das Asset-Management Chancen bietet, vor allem jetzt,da wettbewerbsfähige Erneuerbare Energien es möglich machen, über Investments nachzudenken, die gleichermaßen unerlässlich sind, den Klimawandel einzudämmen und das Potenzial einer besseren finanziellen Wertsteigerung zu bieten.“

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