Agro-PV Forschungsprojekt eingeweiht

Photovoltaik und Photosynthese

Unter dem Titel „Kartoffeln unter dem Kollektor“ veröffentlichte Prof. Adolf Goetzberger 1981 in der Zeitschrift Sonnenenergie seinen „Vorschlag für eine besonders günstige Anordnung für Solarenergieanlagen in Verbindung mit der landwirtschaftlichen Nutzung“. Nachdem das Konzept einige Jahre in der Schublade gelegen hatte, haben sich Forscher des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE seit 2011 wieder intensiv mit der Agrophotovoltaik (APV) beschäftigt, der gleichzeitigen Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für die Nahrungsmittelproduktion und die Energiegewinnung. Jetzt konnten sie gemeinsam mit ihren Partnern des Projekts „APV-Resola“ die Ernte des Gedankens von damals einbringen: Am 18.09.2016 weihten sie in einem Pilotprojekt am Bodensee die größte APV-Forschungsanlage Deutschlands ein. Bei diesem Anlass wurde auch die Auszeichnung als Ort im Land der Ideen überreicht.

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Agrophotovoltaik-Pilotanlage Heggelbach – Strom- und Nahrungsmittelproduktion kombiniert – Foto © Fraunhofer ISE

Der rasante Zubau an Photovoltaik-Anlagen auf Freiflächen in Deutschland im vergangenen Jahrzehnt rückt die zunehmende Landnutzungskonkurrenz zwischen der Produktion von erneuerbaren Energien und Nahrungsmitteln immer mehr in den Fokus. Forscher des Fraunhofer ISE in Freiburg haben eine frühe Idee ihres Institutsgründers aufgegriffen und in Zusammenarbeit mit der BayWa r. e., den Elektrizitätswerken Schönau EWS, der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach, dem Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der Fakultät für Agrarwissenschaften der Universität Hohenheim sowie dem Regionalverband Bodensee-Oberschwaben und der lokalen Bevölkerung nun eine Pilotanlage für APV realisiert. Agrophotovoltaik bedeutet eine innovative, ressourceneffiziente Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen, welche die Produktion von landwirtschaftlichen Gütern unterhalb von PV-Freiflächenanlagen erlaubt. „Angesichts des dynamischen, weltweiten Wachstums der Photovoltaik im letzten Jahrzehnt und dem damit verbundenen steigenden Flächenbedarf für PV-Anlagen, erlauben innovative Konzepte wie die Agrophotovoltaik eine Doppelnutzung agrarischer Flächen und helfen so dem weiteren, raschen Umbau des globalen Energiesystems“, so Prof. Dr. Eicke R. Weber, Institutsleiter am Fraunhofer ISE.

Im März 2015 startete die APV-Projektgruppe in der Modellregion Bodensee-Oberschwaben nach umfassenden Untersuchungen, Modellierungen und Simulationen das Pilotvorhaben, in dessen Rahmen jetzt die APV-Pilotanlage auf Ackerflächen von insgesamt ca. 2,5 Hektar der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach installiert und in Betrieb genommen wurde. Davon beansprucht die APV-Anlage einen Drittel Hektar. Unter den in fünf Metern Höhe montierten PV-Modulen werden in der Projektlaufzeit vier Kulturen – Weizen, Kleegras, Kartoffeln und Sellerie – gleichzeitig angebaut. Auf dem übrigen Testacker hat das Projektteam eine Referenzfläche in der gleichen Größe, mit der gleichen Bepflanzung angelegt, aber ohne PV-Module. Aus dem direkten Vergleich werden die Wissenschaftler ableiten, welche Gemüsearten oder Feldfrüchte besonders für die APV-Anlage geeignet sind und eine möglichst effiziente Doppelnutzung der Landfläche ermöglichen.

Die installierte Leistung der APV-Anlage von 194 kWp kann den Strombedarf von rund 62 Haushalten decken. Der überschüssige Strom wird von den Elektrizitätswerken Schönau abgenommen. Die APV-Anlage ist mit sogenannten bifazialen PV-Modulen von SolarWorld bestückt. Diese können nicht nur vorderseitig Sonneneinstrahlung in Strom umwandeln, sondern über die Rückseite auch die reflektierte Strahlung der Umgebung aufnehmen. Sie erhöhen den Energieertrag pro Fläche und sorgen durch die beidseitige Zellverglasung für eine homogenere Lichtverteilung über den Pflanzen.

Gemeinsam mit dem österreichischen Solartechnikhersteller Hilber Solar wurde eine Unterkonstruktion entwickelt, die an die spezifischen Gegebenheiten des Geländes vor Ort angepasst ist und durch eine modulare Bauweise zukünftig mit minimalem Aufwand flexibel an andere Einsatzorte angepasst werden kann. Bis 2019 werden die Projektpartner die Pilotanlage gemeinsam betreiben. Im Sommer 2017 und 2018 ist jeweils Erntezeit. Danach werden die Ergebnisse in den einzelnen Arbeitsgebieten ausgewertet und in einem gemeinsamen Abschlussbericht veröffentlicht.

Das Projekt „APV-Resola“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und FONA – Forschung für nachhaltige Entwicklung gefördert. Es folgt dem „Living-Lab“-Prinzip, das auf inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit ausgerichtet ist und potenzielle Nutzer neuer Technologien sowie die Bevölkerung in den Innovationsprozess miteinbezieht.

Hans-Josef Fell, Vorsitzender des Forschungsbeirates: „Doppelnutzung von Äckern wird Realität“

„Die Idee der Doppelnutzung von Ackern – Solarstrom und Ackerfrüchte – wird Realität. Eine Idee, die vor 35 Jahren bereits von dem Gründer und langjährigen Leiter des ISE, Adolf Götzberger, entwickelt wurde. Also in einer Zeit, wo mutige Forscher die Idee des Mobilfunks und eines weltweiten Internets formuliert hatten. Im Gegensatz zur IT hat aber die Agro-PV bisher ein Schattendasein gelebt, was nicht hätte sein müssen, wenn Regierungen die Bedeutung der Agro-PV für die Welt erkannt hätten. In den letzten Jahren sind Anlagen vor allem in Japan und Italien entstanden. Sie nutzen mit großem Erfolg die beschattende Wirkung der Agro-PV, um insbesondere in trockenen landwirtschaftlichen Gebieten Ertragsstabilität für die Feldfrüchte zu schaffen.

Die Forschungsgelder, bereitgestellt durch die Bundesregierung, sind gut angelegt. Wichtig ist aber genauso, dass die Agro-PV endlich auch in die Förderung des EEG aufgenommen wird, damit sich eine wirtschaftliche Dynamik entwickeln kann. Bis heute lehnt der Deutsche Bauernverband die PV-Freiflächen aus unerfindlichen Gründen weitgehend ab, weil damit angeblich wertvolles Ackerland der landwirtschaftlichen Nutzung entzogen würde. In Heggelbach zeigt Biobauer Schmid aber, dass diese Betrachtungsweise Unfug ist.“

Als Vorsitzender des Forschungsbeirates hob Fell in seinem Redebeitrag hervor, dass die Agro-PV hohe Bedeutung für die Ernährungssicherheit der Welt bekommen werde: „Die Klimaerwärmung führt zu immer weiterer Austrocknung großer ehemals fruchtbarer landwirtschaftlicher Flächen. Agro-PV kann dem entgegenwirken. Damit werden Lebensgrundlagen dort gesichert, wo heute viele Lebensräume verloren gehen, so in Afrika, China, im Nahen Osten oder Mittelamerika. Aber auch in den trockenen Gebieten Deutschlands, wie Brandenburg oder meiner fränkischen Heimat, kann die Agro-PV helfen, Ernteerträge vor Trockenschäden zu schützen. Menschen z.B. in der Sahelzone würden durch Wüstenausbreitung nicht mehr gezwungen, auszuwandern und sich neue Lebensräume zu suchen. Agro-PV kann gemeinsam mit Agro-Forstsystemen wirksam zur Bekämpfung der Fluchtursachen beitragen. Gerade deshalb muss die Bundesregierung endlich die Verhinderung der technologischen Entwicklung der Agro-PV durch den Ausschluss aus der EEG-Förderung beenden und sie endlich in das EEG aufnehmen. Sonst wird auch diese sich in der Welt anbahnende technologische Entwicklung weitgehend ohne unternehmerische Aktivitäten in Deutschland laufen.

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