Deutsche Solarindustrie im Ringen um den Weltmarkt
Mit freundlicher Genehmigung von Ama Lorenz, EurActiv
Fast 49.000 tausend Beschäftigte, rund 3,7 Millionen Anlagen und 2015 eine Einsparung von mehr als 28 Millionen Tonnen CO2 – die deutsche Solarindustrie kann sich im europäischen Vergleich durchaus sehen lassen. Dennoch braucht die einstige Vorzeigebranche Deutschlands freien Handel und neue Konzepte, um als wichtiger Faktor der Energiewende zu bestehen.
In den 90er Jahren führte die Bundesregierung die Solarförderung als Anschubförderung für die PV-Industrie ein. Über die Jahre sollte Solarstrom so günstig werden, dass keine Förderung mehr notwendig wäre. Seitdem wird die Förderung über Gesetzesanpassungen nach und nach zurückgefahren. Die bisher letzte EEG-Novelle trat 2014 in Kraft. Doch auch die Nachfrage nach Solaranlagen ging seitdem in Deutschland deutlich zurück. 2015 betrug die Gesamtkapazität deutscher PV-Anlagen nur noch knapp 1,5 GW, also fast die Hälfte der Kapazitäten von rund 3,3 GW zwei Jahre zuvor.
Doch es kam nicht nur zu Produktionskürzungen, auch zu Insolvenzen und massiven Arbeitsplatzverlusten. Die deutsche Solar-Branche fiel vom Hype der führenden „Umweltindustrie“ zurück auf den Boden der harten Handelsrealität.
Dass sei nicht unbedingt dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG) zuzuschreiben, denn dessen Ziele seien im Grunde richtig, meint Dr. Christian Westermeier, Director des Boards von Solar Power Europe. Eines der größten Probleme der Branche seien die europäischen Handelsmaßnahmen. „Das EEG verfolgt das Ziel, Solarstrom kontinuierlich billiger und so die Energiewende für unsere Gesellschaft bezahlbar zu machen. Dazu werden Ausschreibungen für Freiflächenanlagen durchgeführt und für kleine Aufdachanlagen der Einspeisetarif in Abhängigkeit von den Zubauzahlen gesenkt. In beiden Fällen wirkt die Fixierung eines Mindestpreises für chinesische Solarprodukte in der Art, dass die Kosten für die PV-Anlage nicht so sinken können, wie es eigentlich möglich und nötig wäre. Die Kosten der Energiewende und damit die viel kritisierte EEG-Umlage werden also künstlich erhöht. Bei kleinen Aufdachanlagen haben wir inzwischen die paradoxe Situation erreicht, dass wegen der niedrigen Zubauzahlen in Deutschland die Einspeisevergütung für Neuanlagen erstmals erhöht wird“, so Westermeier.
Branche wünscht sich keine Handelsbeschränkungen
Die Billig-Module aus Asien sorgen für massive Konkurrenz auf dem europäischen Solarmarkt. Aktuelle Statistiken zeigen, dass China nach Absatz weltweit immer noch größter PV-Hersteller ist, gefolgt von Canadian Solar aus Kanada mit einer Absatzmenge von rund 4,7 GW.
Um den europäischen Markt zu schützen, hatte die EU bereits Ende 2013 Antidumping- und Antisubventionszöllen für alle aus China importierten Solarzellen und –module zugestimmt und mit der chinesischen Regierung eine Preisbindungs-Regelung getroffen, nach der Solarprodukte zu einem festgelegten Mindestimportpreis (MIP) verkauft werden müssen. Mit geringem Erfolg – auch für Deutschland. Immer mehr chinesische Solarzellen- und Modulhersteller verabschieden sich aus dem vereinbarten Mindestabkommen, während europäische Produkte nach wie vor einem Mindestpreis unterliegen. Die Branche sieht sich in Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum beeinträchtigt.
„Die in der EU künstlich hochgehaltenen Modulpreise konnten die Reduktion der Einspeisevergütung nicht kompensieren und haben damit zum Einbruch der Photovoltaik in Deutschland und der EU beigetragen“, so Westermeier. Die Handelsbeschränkungen gegen chinesische Solarprodukte führen seiner Meinung dazu, dass der globale Wettbewerb um die effizientesten Technologien und besten Kosten ausgebremst wird, auch wenn mittlerweile viele Zell- und Modulhersteller Vorprodukte wie z.B. Wafer, Aluminiumrahmen oder Anschlussboxen aus China und anderen asiatischen Ländern beziehen. „Und genau unter dieser Preisstagnation leidet die gesamte Branche. Wenn PV-Produkte in Deutschland und Europa durch Handelsmaßnahmen nicht den Weltmarktpreisen folgen können, dann entsteht auch kein Wachstum für die Branche. Es ist bedauerlich, dass Deutschland hier nicht diese Potenziale für die Schaffung von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung nutzt“, kritisiert Westermeier.
Während deutsche Solar-Firmen auf ein Ende der Handelsbeschränkungen hoffen und nach Alternativen suchen, läuft in der EU-Kommission die sogenannte Auslaufüberprüfung der Handelszölle, die im März 2017 abgeschlossen werden soll.
„Inzwischen ist durch Analysen von Marktkennern wie IHS und auch dem EU-eigenen Joint Research Center (JRC) aufgezeigt worden, dass die Modulhersteller in Europa angesichts ihrer fehlenden Economy of Scale im Wettbewerb mit den asiatischen (nicht nur chinesischen) Herstellern nicht mithalten können. Die europäischen Hersteller müssen sich zu größeren Einheiten konsolidieren oder auf Nischen und/oder Added Value konzentrieren.“
Eines dieser Added Values könnten die Solarstrom-Speicher sein. Das Potenzial ist zumindest groß: Von den 1,5 Millionen Häusern in Deutschland, die eine Solarstromanlage auf dem Dach haben, nutzen nach Angaben des Branchenverbandes erst 15.000 Speicher. Das hat auch die Bundesregierung erkannt und die seit 2013 bestehende Förderung von Stromspeichersystemen beim Bau von Solaranlagen noch einmal bis Ende 2018 verlängert.
Durch neue innovative Geschäftsmodelle und durch den Wegfall von Handelsbeschränkungen könnte sich Deutschland seinen Platz am Solar-Himmel wieder zurückerobern – muss es auch. Denn um die Energiewende zu vollziehen und die geplante Senkung des CO2 -Verbrauchs zu erreichen, braucht es auch eine gesunde Solarbranche. Die Zeichen dafür stehen laut Westermeier nicht schlecht. „Die Photovoltaik hat in den vergangenen Jahren enorme Kostensenkungen bewiesen und hat weiterhin noch sehr großes Optimierungspotenzial. Solarstrom wird nach inzwischen allgemeiner Einschätzung zusammen mit Windstrom die wesentliche Säule der zukünftigen deutschen und weltweiten Energieversorgung sein.“
->Quelle: www.euractiv.de