Doch noch Klimaschutzplan 2050
– oder doch nicht? Gabriels Veto

Aber ohne Kohleausstieg – erste Vorbehalte

Im Ringen um den Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung mehrten sich am 08.11.2016 laut Medienberichten die Hinweise auf eine bevorstehende Verständigung. Umweltministerin Barbara Hendricks schien offenbar doch mit einem deutschen Klimaschutzplan zum Klimagipfel COP22 nach Marrakesch fahren zu können. Der aktuelle Plan sah keinen Kohleausstieg vor. Das stieß auf Kritik von Grünen-Vize-Fraktionschef Oliver Krischer –  mit dem Plan gehöre Angela Merkel als Klimakanzlerin der Vergangenheit an. „Die Bundesregierung blamiert sich auf internationaler Bühne“, sagte er mit Blick auf den Weltklimagipfel von Marrakesch.

Aus Regierungskreisen hieß es, die Ressortabstimmung verlaufe „sehr konstruktiv“, ein Sprecher des Bundesumweltministeriums hatte zudem in Berlin mitgeteilt, man habe „Fortschritte gemacht“ und arbeite „daran, Mittwoch ins Kabinett zu kommen“. Nach Medienberichten blieb es allerdings noch offen, ob bis zur Kabinettssitzung am Mittwoch ein abgestimmter Text vorliegt. Am späten Abend des 08.11.2016 wurde dann gemeldet, Wirtschaftsminister Gabriel habe aus Angst vor der Industrie ein Veto eingelegt.

Kohleausstiegs-Kommission

Kohlenhalde am Müllkraftwerk Berlin-West - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft„Und wenn Du nicht mehr weiter weißt – gründe einen Arbeitskreis“: Anstelle eines Kohleausstiegs-Termins ist lediglich die Gründung einer Kommission geplant, die bis Mitte 2018 Vorschläge zur CO2-Einsparung in der Kohleindustrie entwickeln soll. Erst dann soll ein Ausstiegszeitpunkt festgelegt werden. Nur die Erweiterung des Kohlebergbaus schließt das Papier aus: „Neue Kohlekraftwerke und Tagebau-Erweiterungen würden zu Fehlinvestitionen führen und werden daher unterbleiben.“ Um die klimaschädliche Braunkohle sei besonders hart gerungen worden, weil sie in der Lausitz und im niederrheinischen Revier noch im großen Stil abgebaut und verstromt wird.

Dafür sind bis 2030 wieder CO2-Einsparziele für alle Sektoren verankert worden, nachdem sie wegen Widerstands einiger Ministerien zwischenzeitlich gestrichen worden waren. Insgesamt soll Deutschland seinen CO2-Ausstoß im Vergleich zu 1990 bis 2030 auf 55 Prozent senken. Dazu sollen Kraftwerke im Vergleich zu 2014 ihre Emissionen halbieren (auch mittels des Emissionshandels), der Gebäudesektor soll ein Drittel und der Verkehr 45 Prozent einsparen. Vergleichsweise geringe Zugeständnisse müssen die Industrie (gut 25 Prozent) und Landwirtschaft (nur 15 Prozent) machen.

2 Car2go - Foto © Gerhard Hofmann, Agentur Zukunft 20151112Ein komplettes Verbot von nicht klimaschonenden Autos ab 2030 fehlt völlig: „Neuwagen sollten dann mit Technologien ausgestattet sein, die grundsätzlich dazu in der Lage sind, unabhängig von fossilen Kraftstoffen betrieben zu werden.“ Elektromobilität soll gefördert werden – unter anderem durch eine „aufkommensneutrale Weiterentwicklung der Abgaben und Umlagen“ – beispielsweise die Mineralölsteuer.

Das Reizthema Fleisch wurde umschifft: In der Landwirtschaft soll Stickstoffdünger verringert (kein Wunde: Deutschland steht wegen Nitratüberdüngung am EU-Pranger) und der Ökolandbau auf ein Fünftel der bewirtschafteten Fläche ausgedehnt werden.

FDP dagegen

Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner schaltete sich in die Debatte über den neuen Klimaschutzplan 2050 und forderte: „Der Klimaschutzplan muss gestoppt werden.“ Er warnte vor einer „Mammut-Belastung für Wirtschaft und Verbraucher“, die das Klima nicht retten werde. Brandenburgs Regierungschef Woidke will den Kohleausstieg ebenfalls nicht mittragen. Der Welt liegt ein Schreiben Woidkes an Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) vor, in dem dieser davor warnt, die Festlegungen des Klimaschutzplans gegen die Kohleverstromung könnten die Sicherheit der Stromversorgung insgesamt gefährden.Auch aus dem Bundestag sind bereits Vorbehalte gegen das Strategiepapier zu hören.

„Welt“: BDI-Chef: „Wir lehnen Sektorziele ab“

Laut Welt ist der Industrie die sich abzeichnende Regelungswut im Klimaschutzplan 2050 – erwartungsgemäß – nicht geheuer: „Der Entwurf ist dirigistisch, ein nationaler Alleingang, der europäische Klimapolitik missachtet“, erklärte BDI-Präsident, Ulrich Grillo: „Das Werk ist nicht durch Textarbeit zu retten, weil es um eine grundsätzliche Debatte gehen muss. Ich finde Klimapolitik ohne Folgenabschätzung problematisch.“ Genaue CO2-Vorgaben für die einzelnen Sektoren der Volkswirtschaft lehnt der BDI ab: „Klimaschutz muss für unsere Unternehmen umsetzbar sein und sie wettbewerbsfähig halten, damit er weltweit als Vorbild dienen kann“, sagte Grillo: „Deshalb lehnen wir Sektorziele ab.“

[note Letzte Meldung: Am Abend des 08.11.2016 wurde berichtet, es werde doch keine Einigung über den Klimaschutzplan 2050 geben, Gabriel sei in der vorliegenden Form dagegen – einer der großen deutschen TV-Journalisten sagte einmal: „Auf Pepita kann man nicht Schach spielen.“ Wie passend.]

->Quellen: