Gabriels Rede zum Atom-Endlager

„AKW teuerste Form, mit der man die Stromproduktion organisieren kann“

Am 15. Dezember 2016 hielt der Bundesministers für Wirtschaft und Energie, Sigmar Gabriel, im Deutschen Bundestag eine Rede zum Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung vor dem Deutschen Bundestag  in Berlin – Solarify dokumentiert.

Sigmar Gabriel - Screenshot © bundestag.de_mediathekHerr Präsident! Meine Damen und Herren!  In spätestens sechs Jahren wird das letzte Kernkraftwerk in Deutschland vom Netz gehen. Damit geht das wirtschaftlich und gesellschaftlich umstrittenste Kapitel der deutschen Energieversorgung zu Ende.

Begonnen hat die Kernkraft mit großen Hoffnungen. Noch in den 1950er-Jahren gingen viele davon aus, dass Atomstrom so billig sein würde, dass man die Zähler für den Strom abschaffen könne. Das Versprechen war verlockend; die Energiefrage schien gelöst.

Wir alle wissen: Es ist völlig anders gekommen. Heute ist der Bau von Atomkraftwerken die teuerste Form, mit der man die Stromproduktion organisieren kann. Ich persönlich habe den Vertretern der Kernenergie in den letzten Jahren immer gesagt, dass man gar nicht aus Umweltgründen dagegen sein müsse; schon ökonomischer Verstand reiche aus, nicht in Kernenergie zu investieren. Wir sehen, dass die Briten ihre neuen Kernkraftwerke, weil sie sich nicht um Erneuerbare und andere Fragen gekümmert haben, nur mittels öffentlicher Subventionen finanzieren können. Das hochgerühmte finnische Kernkraftwerk – eigentlich das einzige, das wirklich neu gebaut wird – ist mit einer Zeitverzögerung von zehn Jahren unterwegs. Was die Baukostenschätzungen angeht, traut sich keiner mehr so richtig, sie öffentlich bekannt zu geben.

Das heißt, auch das Argument, es gebe in der Welt eine Renaissance der Kernenergie, war immer falsch. Es gab immer mehr Kraftwerke, die abgeschaltet werden, als solche, die neu gebaut werden, und zwar nicht, weil die Atomkraftgegner überall in der Welt in der Mehrheit waren, sondern weil Kernenergie schlicht die unwirtschaftlichste Form ist, Strom zu erzeugen.

Klar ist: Keine Technologie hat unser Land so gespalten wie die Kernenergie. In Wackersdorf und Gorleben, an Bahngleisen und unter Polizeihubschraubern wurde auch die demokratische Kultur dieses Landes sehr auf die Probe gestellt. Gegen die Atomkraft formierte sich die längste und intensivste Protestkampagne in der bundesdeutschen Geschichte.

„Atomkraft? Nein danke“ Symbol wurde zum Wegweiser für erfolgreiche Energiepolitik

atomkraft-nein-danke2

Die „Lachende Sonne“ – Logo der Anti-Atomkraft-Bewegung

Der Aufkleber mit der lachenden roten Sonne auf gelbem Grund wurde zum Symbol für Generationen. „Atomkraft? Nein danke“ hieß die Botschaft. Wenn wir heute diesen Gesetzentwurf beraten, dann kann man neben allen Debatten, die man darüber führen kann, vielleicht auch einmal sagen, dass dieses Symbol zum Wegweiser für eine erfolgreiche Energiepolitik geworden ist.

Aus dem Kampf gegen die Kernenergie ist in Deutschland die Energiewende entstanden. Sie war am Anfang ja nicht mit dem Thema Klimawandel verbunden, sondern sie war die Alternative zum Ausstieg aus der Atomenergie. Heute wird Strom aus Sonne und Wind gemacht. Ohne ein unkalkulierbares Unfallrisiko und vor allen Dingen ohne Abfälle, die über Jahrtausende strahlen.

Ich selber wohne in einer Region, in der es ein ungewolltes und ein von uns gewolltes Atomendlager gibt. Wir haben es genehmigt. Ich selbst habe als junger Mensch anfänglich gegen dieses Endlager Schacht Konrad demonstriert. Später, als Umweltminister, musste ich es aufgrund der vorliegenden Argumente dann genehmigen.

Ich habe mich immer geweigert, mit den Vertretern der Atomenergie zu diskutieren, solange sie nicht bereit waren, in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft selbst für ein Endlager zu sorgen, und ich fand an der Debatte immer komisch, dass die größten Befürworter der Atomenergie immer die größten Gegner waren, wenn es darum ging, dass man bei ihnen zu Hause mal im Ton oder im Granit untersucht, ob es dort nicht alternative Endlager geben könnte.

Sie können mir also glauben: Ich weiß ein bisschen, wovon ich rede. Es ist nur dem langen Atem der Protestbewegung zu verdanken, dass wir wenigstens die unbegrenzte weitere Produktion von Atommüll in Deutschland beenden. Ich hoffe übrigens, dass dieses Land den Mut hat – egal wie viele Standorte wir untersuchen –, am Ende den Atommüll, den jedenfalls meine Generation nicht produzieren wollte, in diesem Land verantwortlich zu entsorgen, und nicht irgendwann auf die Idee kommt, ihn zu unkontrollierten Standards in andere Teile der Welt zu exportieren. Das darf nicht das Ergebnis sein.

In der Tat: Auch das Bundesverfassungsgericht hat in der letzten Woche den Schutz von Leben und Gesundheit als legitimen Grund für den Ausstieg eingestuft und damit all jenen zu einem „Ritterschlag“ verholfen, wie die Süddeutsche Zeitung es formuliert hat, die sich für ein Leben ohne Atomkraft über Jahrzehnte eingesetzt haben.

Folgt: Jahrhundertaufgabe Atommülllagerung